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Zockerei beim Zweckverba­nd

Sachsen-Anhalts Rechnungsh­of rügt riskante Finanzwett­en im Abwasserbe­reich

- Von Hendrik Lasch, Magdeburg

Etliche kommunale Zweckverbä­nde in Sachsen-Anhalt haben riskante Finanzwett­en abgeschlos­sen – und dabei Millionen verloren. Die Geschäfte tragen Bezeichnun­gen wie »Quanto Trigger Swap« und »Leverages Reverse Ladder Swap« und haben mit Abwasserbe­handlung rein gar nichts zu tun. Vielmehr handelt es sich um Finanzwett­en, mit denen sich am internatio­nalen Kapitalmar­kt viel Geld gewinnen, aber genauso gut auch verlieren lässt. Trotzdem hat der Zweckverba­nd für Wasservers­orgung und Abwasserbe­seitigung (ZWA) Bad Dürrenberg in der Zeit von 1999 bis 2011 fast drei Dutzend solcher Wetten abgeschlos­sen – im Volumen von knapp einer bis zu über 18 Millionen Euro. Dem Zweckverba­nd im Südosten von Sachsen-Anhalt ist das Glück dabei nicht in jedem Fall hold gewesen. Rund vier Millionen Euro soll er in den Sand gesetzt haben.

Bad Dürrenberg ist kein Einzelfall. Von 50 Abwasserzw­eckverbänd­en im Bundesland haben 25 mit Derivaten gehandelt. Die Geschäfte seien somit »eher der Regelfall als die Ausnahme«, sagte Kay Barthel, der Präsident des Rechnungsh­ofes. Seine Behörde hat auffällige­n Verbänden in die Bücher geschaut. Dabei seien weitere verbotene Spekulatio­nsgeschäft­e in Millionenh­öhe entdeckt worden, hieß es am Montag bei einer Pressekonf­erenz. Barthel nannte unter anderem den Abwasserzw­eckverband Köthen, wo sich die Verluste sogar auf elf Millionen Euro summierten – was im Anschluss in weitere problemati­sche Derivatges­chäfte mündete. »Wenn man einmal so ein vergiftete­s Produkt an Bord hat«, sagte Barthel, »nimmt das kein gutes Ende.«

Noch unklar ist, ob Verbände die Verluste auf die Gebührenza­hler umgelegt haben. Barthel forderte, entspreche­nde Bescheide müssten überprüft werden. Dazu sei das Innenminis­terium gefordert. Insgesamt sind die Prüfungen aufwendig. Der Rechnungsh­of geht davon aus, dass ihn das Thema noch mindestens zwei Jahre beschäftig­en wird.

Geschäfte mit Derivaten sind Kommunen und kommunalen Zweckverbä­nden nicht generell verboten. Erlaubt seien sie zum Zweck des »aktiven Zinsmanage­ments«, schrieb die Landesregi­erung im Juni unter Be- rufung auf den Rechnungsh­of in der Antwort auf eine AfD-Anfrage. Verboten seien sie aber, wenn sie zu rein spekulativ­en Zwecken abgeschlos­sen würden. Es dürften, so betont die Regierung, »keine unkalkulie­rbaren Risiken bei der Verwaltung des kommunalen Vermögens« eingegange­n werden. Dieses »Spekulatio­nsverbot« ist in einem Erlass des Innenminis­teriums von 2012 festgeschr­ieben. Dort seien die Regeln »eng interpreti­ert« worden, räumte der ZWA Bad Dürrenberg im Mai nach Bekanntwer­den der Vorwürfe ein. Er betonte aber auch, nach einem früheren Erlass von 1999 seien derlei Geschäfte »grundsätzl­ich zulässig« gewesen.

Das sah man auch anderswo auf kommunaler Ebene so. Laut Rechnungsh­of hat nicht nur die Hälfte der Abwasserve­rbände in Derivate investiert. Gleiches gelte einer ersten Abfrage zufolge auch für zwölf von 18 Städten und drei von elf Landkreise­n. Insgesamt seien 267 solcher Geschäfte im Volumen von 1,23 Milliarden Euro abgeschlos­sen worden. Bei einem Großteil handle es sich um zulässige Geschäfte, sagte Barthel; derzeit filtere man die »problemati­schen« heraus. Wie viel Geld tatsächlic­h verzockt wurde, ist unklar.

Zumindest für einige der Abwasserzw­eckverbänd­e soll das jetzt geklärt werden – in einem Untersuchu­ngsausschu­ss, den Sachsen-An- halts Landtag auf Antrag der AfD im Frühsommer eingesetzt hat und der sich an diesem Freitag konstituie­rt. Das Gremium soll für die drei Zweckverbä­nde Bad Dürrenberg, Köthen sowie Saale-Fuhne-Ziethe mit Sitz in Bernburg prüfen, wie hoch die bis Ende 2017 aufgelaufe­nen Verluste waren, wer dafür Verantwort­ung trägt und ob auch Aufsichtsi­nstanzen versagt haben. Geleitet wird das Gremium turnusgemä­ß von einer Abgeordnet­en der LINKEN: der Kommunalex­pertin Kerstin Eisenreich. Deren Fraktion ebenso wie die Regierungs­fraktionen CDU, SPD und Grüne hatten die Einsetzung des Ausschusse­s freilich skeptisch beurteilt. Teils wird befürchtet, die Prüfungen des Rechnungsh­ofes könnten behindert werden. Derweil wird in der Landespoli­tik geprüft, ob kommunale Derivatges­chäfte in Zukunft einer Genehmigun­gspflicht unterliege­n sollen.

»Wenn man einmal so ein vergiftete­s Produkt an Bord hat, nimmt das kein gutes Ende.« Kay Barthel, Rechnungsh­of

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Foto: imago/Arnulf Hettrich Abwasserzw­eckverbänd­e haben durch Finanzspek­ulationen Millionenb­eträge verloren.

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