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Riads Jemen-Blockade tötet Kinder

Alarmieren­der Bericht des UN-Nothilfeko­ordinators / Sanktionen gegen Saudi-Arabien im Fall Khashoggi

- Von Roland Etzel

Während die Empörung über den Mord an Regime-Kritiker Khashoggi nicht abebbt, bleibt ein größeres Verbrechen SaudiArabi­ens weiterhin kaum beachtet: der Krieg gegen Jemen. In Jemen herrscht Bürgerkrie­g. Vor dreieinhal­b Jahren war dort ein Präsident gestürzt worden, und vielleicht wären die damit verbundene­n Auseinande­rsetzungen längst Geschichte, wenn es nicht den Nachbarn Saudi-Arabien gäbe, der sich anmaßt, über die Machtfrage in Jemen selbst entscheide­n zu wollen.

Deshalb gibt es einen erbarmungs­losen Bombenkrie­g der Krösusse aus Riad, Mekka und Medina gegen das ärmste Land der Arabischen Halbinsel, verbunden mit einer Land- und zum großen Teil auch Seeblockad­e. Die Folge ist bitterster Hunger. Der UN-Nothilfeko­ordinator Mark Lowcock appelliert­e am Dienstag vor dem UN-Sicherheit­srat, endlich Maßnahmen zu ergreifen, um die Leiden der einfachen Menschen zu beenden. Der Brite betonte, dass vor allem Kinder, alte und schwache Menschen in dem arabischen Land von Hunger betroffen seien. Nach UN-Schätzunge­n stürben pro Tag 130 Kinder unter fünf Jahren an Lebensmitt­el-Mangel und daraus erwachsene­n Krankheite­n. Das seien fast 50 000 Kleinkinde­r pro Jahr.

Lowcock ist Diplomat und hält sich mit Schuldzuwe­isungen zurück. Allerdings wird in dem von im vorgelegte­n Bericht an den Sicherheit­srat die große Sorge geäußert, dass die Hafenstadt Hodeida in die Hände der von Saudi-Arabien unterstütz­ten Kräfte fallen könnte. Damit wäre auch der Seeweg für Hilfsliefe­rungen abgeschnit­ten – eine Absicht, die Saudi-Arabien seit Monaten verfolgt, da sein Luftkrieg zwar mindestens 10 000 Todesopfer vor al- lem unter der Zivilbevöl­kerung forderte, der militärisc­he Erfolg aber dennoch ausblieb.

Frustriere­nd nicht allein für Lowcock ist, dass seine Bilanz des Schreckens zwar von niemandem angezweife­lt wird, aber bisher

auch niemanden zu Sanktionen gegen Saudi-Arabien veranlasst hat wie etwa wegen der Ermordung des saudi-arabischen Regime-Kritikers Jamal Khashoggi. Großbritan­nien und die USA verhängten deshalb am Dienstag erste Strafmaßna­hmen gegen Saudi- Arabien. Das US-Außenminis­terium belegte 21 Saudi-Araber, die mutmaßlich in die Tat verwickelt sind, mit Einreisesp­erren. Am Mittwoch kündigte auch die britische Premiermin­isterin Theresa May laut AFP an, »allen Verdächtig­en« das Visum zu entziehen.

Nicht einmal zu derlei milden Rügen konnte sich Frankreich durchringe­n. Ein Pariser Regierungs­sprecher erklärte, es würden erst dann Strafmaßna­hmen ergriffen, wenn die französisc­hen Geheimdien­ste die Verantwort­ung Saudi-Arabiens für den Tod Khashoggis bestätigt hätten. Schließlic­h ist König Salman ein gute Kunde. Im vergangene­n Jahr verkaufte Frankreich Waffen für über zwei Milliarden Euro nach Saudi-Arabien. Auch Deutschlan­d genehmigte im 1. Halbjahr 2018 Ausfuhren nach Riad im Werte von 162 Millionen Euro für Patrouille­nboote. Mit diesen kann man zum Beispiel sehr effektiv Hafenblock­aden überwachen.

»Die Hungersnot kann größer sein als alles, was Experten auf diesem Gebiet bislang erlebten.« UN-Nothilfeko­ordinator Mark Lowcock

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