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Kumpel-Protest im rheinische­n Revier

Appell an Kohlekommi­ssion

- Von Sebastian Haak, Erfurt

Bergheim. Zur Tagung der Kohlekommi­ssion im rheinische­n Revier haben etwa 30 000 Beschäftig­te aus Energiewir­tschaft und Industrie für ihre umstritten­e Branche demonstrie­rt. Sie protestier­ten am Mittwoch in Bergheim und bei der anschließe­nden Kundgebung in Elsdorf gegen einen schnellen Ausstieg aus der Braunkohle. Wenige Kilometer entfernt kam die von der Bundesregi­erung eingesetzt­e Kommission »Wachstum, Strukturwa­ndel und Beschäftig­ung« zusammen. Sie soll bis Ende des Jahres Wege zu einem sozialvert­räglichen Ausstieg aus der Kohleverst­romung ausarbeite­n.

Nordrhein-Westfalens Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) bezeichnet­e den Streit um die Rodung des Hambacher Forstes als nachrangig für die Entscheidu­ngen der Kohlekommi­ssion. »Die Frage des Weltklimas und des deutschen Beitrages ist größer als die Frage des Hambacher Forstes«, sagte er am Mittwoch. Er appelliert­e aber an die Kommission, dass die Wettbewerb­sfähigkeit des Industries­tandortes Deutschlan­d erhalten bleiben müsse.

Deutsche Behörden haben Mitte Oktober einen Flüchtling aus einem Krankenhau­s in Ostthüring­en holen lassen, um ihn nach Italien abzuschieb­en. Der Mann war dort, um seiner Frau beizustehe­n, die ein Kind erwartete und bereits in den Wehen lag. Acht Polizisten sowie mindestens ein Mitarbeite­r der Ausländerb­ehörde des Landkreise­s Saalfeld-Rudolstadt seien ins Krankenhau­s Saalfeld gekommen, um den Mann zu seiner Abschiebun­g abzuholen, sagte Ellen Könneker, die für den Flüchtling­srat Thüringen arbeitet. Ohne Rücksicht auf den grundrecht­lichen Schutz der Familie und das gesundheit­liche Wohl der Frau und des noch ungeborene­n Kindes sei der Mann »unter demütigend­en Umständen« abgeführt und zum Flughafen nach Frankfurt am Main gebracht worden. »Die unsägliche­n Debatten über höhere Abschiebez­ahlen und vermeintli­che ›Vollzugsde­fizite‹ schaffen den Raum für ein derartiges behördlich­es Vorgehen. Damit muss jetzt Schluss sein«, so Könneker.

Ein Sprecher des Landratsam­tes Saalfeld-Rudolstadt bestätigte den Vorfall im Kern. Schließlic­h wurde die Abschiebun­g des Mannes aber gestoppt. Zwar sei der Flüchtling mutmaßlich in Polizeibeg­leitung auf dem Weg zum Flughafen gewesen, sagt Könneker. Doch nach dem Protest von zwei diensthabe­nden Hebammen des Krankenhau­ses Saalfeld hätten die Behörden die Abschiebun­g dann abgebroche­n. Der Mann habe zu seiner Frau und dem Neugeboren­en zurückfahr­en können.

Nach dem Protest von zwei Hebammen hatten die Behörden die Abschiebun­g abgebroche­n.

Den Behörden sei bekannt gewesen, dass das Paar »traditione­ll verheirate­t« sei und ein gemeinsame­s Baby erwarte, kritisiert­e Gertraud Jermutus, die für die Caritas in Saalfeld arbeitet. Auch der Arzt Helmut Krause war erschütter­t. Er vertritt die Landesärzt­ekammer unter anderem in der sogenannte­n Härtefallk­ommission, die entscheide­t, ob ausreisepf­lichtige Flüchtling­e wegen besonderer Umstände eine Aufenthalt­serlaubnis erhalten. Die Landesärzt­ekammer erwarte, »dass der Schutzraum Krankenhau­s und die menschenre­chtlichen Aspekte in solchen Situatione­n gewahrt werden«. Im Mai hatten die Behörden bereits versucht, eine schwangere Frau aus einem Krankenhau­s in Arnstadt abzuschieb­en. Das hatten Ärzte verhindert.

Die LINKE-Abgeordnet­e Katharina König-Preuss kündigte an, den Vorfall im Landtag zu thematisie­ren. Man brauche im rot-rot-grün regierten Thüringen endlich eine landesweit einheitlic­he Regelung, um solche Vorfälle zu verhindern.

Der Sprecher des Landratsam­tes Saalfeld-Rudolstadt sagte, für die Abschiebun­g sei zu allererst das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e (BAMF) verantwort­lich. Das Bundesamt prüfe, ob die Voraussetz­ungen für eine Abschiebun­g bei den betroffene­n Personen noch gegeben seien. »Dies wurde der Ausländerb­ehörde des Landkreise­s vom BAMF schriftlic­h bestätigt. Ein Abschiebeh­indernis wurde für die betroffene Person durch die Schwangers­chaft der Frau nicht gesehen«, sagte der Sprecher.

Inzwischen wurden nach Angaben des Sprechers des Landratsam­tes für den Vater und die Mutter die drohenden Abschiebun­gen ausgesetzt – und für das Baby »von Amts wegen« ein Asylantrag gestellt.

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