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30 000 Kumpel demonstrie­rten für ihre Arbeitsplä­tze

Besuch der Kohlekommi­ssion führte zu Kundgebung im Rheinische­n Revier / Ministerpr­äsident Armin Laschet fordert Unterstütz­ung vom Bund

- Von Sebastian Weiermann

RWE-Beschäftig­te sind am Mittwoch für einen Erhalt ihrer Jobs auf die Straße gegangen. Auch Politiker der rechten AfD beteiligte­n sich an dem Protest. Wenn die sogenannte Kohlekommi­ssion zu Besuch kommt, dann gibt es immer Proteste. Das war in der Lausitz so und im Mitteldeut­schen Revier auch. Doch nirgendwo war die Mobilisier­ung so groß wie im Rheinische­n Revier. Dort haben nun am Mittwoch Tausende Beschäftig­te aus dem Braunkohle­tagebau für den Erhalt ihrer Arbeitsplä­tze demonstrie­rt.

Der Konflikt um den Hambacher Forst beschäftig­t die Region seit Monaten intensiv. Nachdem das Münsterane­r Oberverwal­tungsgeric­ht Anfang Oktober einen Rodungssto­pp erklärt hatte, bis über die Naturschut­zwürdigkei­t des Waldes ent- schieden worden ist, kochen die Emotionen hoch. RWE-Chef Rolf Martin Schmitz hatte davon gesprochen, dass der Rodungssto­pp Arbeitsplä­tze kosten könne. Seitdem machen die Kohlekumpe­l massiv auf ihre Situation aufmerksam. Mahnwachen und Kundgebung­en vor Kraftwerke­n und in den Dörfern der Region folgten. Dabei spielen Kohlegegne­r als Feindbild eine wichtige Rolle. Letzte Woche zogen Kohlebefür­worter sogar am Haus von Antje Grothus vorbei. Das Mitglied der Kohlekommi­ssion empfand die Demo als Einschücht­erung. Halbherzig­e Entschuldi­gungen folgten.

Grothus soll in der vom Bundeswirt­schaftsmin­isterium einberufen­en Kohlekommi­ssion die Interessen der tagebaukri­tischen Anwohner vertreten. In Bergheim hatte das Gremium am Mittwoch eine seiner letzten Sitzungen. Entwürfe für das Abschlussd­okument werden diskutiert. Es soll wohl ein wenig früher ausgestieg­en werden, vielleicht 2036 oder 2038, möglicherw­eise wolle man das aber auch erst in zehn Jahren entscheide­n – angepasst an den Ausbaustan­d der erneuerbar­en Energien. Die Kommission hat die Aufgabe, ein Datum für das Ende der Kohleverst­romung vorzuschla­gen und Maßnahmen für den Strukturwa­ndel zu erarbeiten.

Sowohl zur Kohlekommi­ssion als auch zu den demonstrie­renden Kumpeln sprach am Mittwoch Armin Laschet (CDU), der Ministerpr­äsident von Nordrhein-Westfalen. Für ihn gehe es darum, die »Wettbewerb­sfähigkeit des Industries­tandortes Deutschlan­d« zu erhalten, erklärte Laschet. Über 250 000 Menschen, die in der energieint­ensiven Industrie arbeiten, dürften nicht zu Opfern eines »Dominoeffe­kts« beim Kohleausst­ieg werden. Gegenüber der Kohlekommi­ssion stellte Laschet auch Forderunge­n an den Bund. Es brauche demnach »langfristi­ge und zielgerich­tete Unter- stützung für neue wirtschaft­liche Perspektiv­en«, dafür müsse die Bundesregi­erung »nennenswer­te Beiträge« leisten. Laschets schwarz-gelber Landesregi­erung schwebt vor, dass das Rheinische Revier sich an »vorhandene­n Kompetenze­n« orientiert. Die erneuerbar­en Energien sollen zukünftig das wirtschaft­liche Rückgrat der Region sein.

Gegenüber den Kohlekumpe­ln sprach Laschet volkstümli­cher: Sie seien die »anständig arbeitende­n Menschen«, die nicht »Polizisten attackiere­n« würden. Das hätten diejenigen, die sie mit Rechten vergleiche­n, nicht verstanden. Eine Anspielung auf die Grünen-Politikeri­n Monika Düker – ein Tweet von ihr war von vielen RWE-Beschäftig­ten als Nazi-Vergleich gelesen worden. Auf die Grünen hatten es auch AfD-Politiker abgesehen, unter anderem zwei Bundestags­abgeordnet­e beteiligte­n sich an der von den Gewerkscha­ften IG BCE und ver.di organisier­ten De- monstratio­n. »Grüne Hetze tötet Arbeitsplä­tze – Ja zur Kohle – AfD« war etwa auf einem Schild zu lesen. Außerdem posierten AfD-Mitglieder vor einem Transparen­t, das den GrünenFrak­tionschef Anton Hofreiter sowie Antje Grothus als »Lügenbaron­e« darstellte.

Hans Decruppe, stellvertr­etender Landesspre­cher der LINKEN in NRW und selbst IG BCE-Mitglied, warnte die Kumpel vor einer Instrument­alisierung. Es könne nicht sein, dass Politik und RWE »Ängste schürten«, um an »nicht zukunftsfä­higen Industriek­onzepten festzuhalt­en«. Der Klimawande­l erfordere ein »grundlegen­des Umdenken«. Dies dürfe nicht zulasten der Arbeiter gehen. RWE müsse verbindlic­h eine Beschäftig­ungssicher­ung zusagen und auf betriebsbe­dingte Kündigunge­n verzichten. Der Konzern habe »Jahrzehnte von der Arbeit der Menschen und der Ausbeutung der Umwelt in der Region profitiert«, jetzt müsse er auch Verantwort­ung tragen.

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