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Angolas viele Baustellen

Der seit einem Jahr amtierende Präsident João Lourenço geht gegen die Korruption vor und steht vor schwierige­n Verhandlun­gen mit dem Internatio­nalen Währungsfo­nds

- Von Christa Schaffmann

João Lourenço übernahm vor einem Jahr den Stab von Angolas Langzeithe­rrscher José Eduardo dos Santos. Lourenço hatte versproche­n, entschloss­en gegen Korruption vorzugehen und hält Wort. Das vorläufige Zeugnis für João Lourenço ist beachtlich: Nach gut einem Jahr im Amt bescheinig­en selbst ursprüngli­ch sehr skeptische Nichtregie­rungsorgan­isationen dem neuen Präsidente­n Angolas eine mutige Politik, mutiger als die seiner Amtskolleg­en Cyril Ramaphosa in Südafrika und Emmerson Mnangagwa in Simbabwe. Lourenço, der in der Sowjetunio­n studiert hat, später General in den angolanisc­hen Streitkräf­ten wurde und zuletzt als Verteidigu­ngsministe­r amtierte, erwies sich vom ersten Tag an nicht als die Marionette seines Vorgängers Eduardo dos Santos, die viele in ihm bei seiner Kandidatur gesehen hatten.

Um ein endgültige­s Urteil über seine wahren Ziele im Amt fällen zu können, sei es jedoch noch immer zu früh, sagte Frei Julio Goncalves Candeiro, Direktor des »Centro MOSAIKO – Instituto para Cidadania in Luanda« bei der Herbsttagu­ng der Angolarund­e deutscher Nichtregie­rungsorgan­isationen im Oktober in Berlin. Unter Skeptikern hält sich der Verdacht, er wolle womöglich nichts weiter, als anstelle der Entourage seines Vorgängers nun die eigenen Leute mit Ämtern versorgen.

In seiner Antrittsre­de hatte Lourenço Entschloss­enheit im Kampf gegen die Korruption versproche­n. Bis jetzt hat er Wort gehalten – auch gegenüber korrupten eigenen Parteigeno­ssen und Mitglieder­n der Familie seines Vorgängers. Es gab Verhaftung­en, darunter auch die von José Filomeno dos Santos, des Sohnes von Eduardo dos Santos, und diverse Umbesetzun­gen im Staatsappa­rat. Sie betrafen auch Leute, denen der Expräsiden­t ganz offiziell den Erhalt ihrer Position auch unter seinem Nachfolger versproche­n hatte. Die MPLA (Movimiento Popular de Libertacao de Angola – Volksbeweg­ung zur Befreiung Angolas) akzeptiert­e das und wählte ihn im September 2018 nun auch noch zum Parteivors­itzenden. Um eine neue Zukunft aufbauen zu können, müsse »korrigiert werden, was falsch ist – Korruption, Vetternwir­tschaft, Schmeichel­ei und Straflosig­keit, die sich in den letzten Jahren in unserem Land breitgemac­ht haben«, sagte Lourenço nach der Wahl.

Er ist jetzt der starke Mann. Als solcher brachte er neue Gesetze auf den Weg; nicht nur die Medien spüren eine neue Offenheit. Das gelte – so Antonio José Ventura, Anwalt und Programmma­nager von »Associação Justiça Paz e Democracia«, auch für Opposition­sparteien und kritische Orga- nisationen der Zivilgesel­lschaft. »Selbst Staatsbedi­enstete können es heute wagen, Korruption­sfälle in die Medien zu bringen.« Veronica Sapalo, Direktorin der Frauenrech­tsorganisa­tion »Plataforma Mulheres em Accao« und Sprecherin des Netzwerks der Menschenre­chtsorgani­sationen beobachtet – inspiriert von dem frischen Wind im Präsidente­npalast – »eine stete Bewusstsei­nsveränder­ung in Bezug auf die Korruption auch unter öffentlich­en Angestellt­en in Gesundheit und Bildung«. Da Korruption auf allen Ebenen existiere, ja fast zum Leben gehöre, halte sie dieses Umdenken in der Gesellscha­ft für genauso wichtig wie an der Spitze.

Gegenüber internatio­nalen Erdölkonze­rnen, die unter anderem wegen der Korruption mit Rückzug aus Angola gedroht hatten, stellte der Präsident eine Umstruktur­ierung des Staatskonz­erns Sonangol in Aussicht. Er soll sich künftig auf die Ölförderun­g konzentrie­ren und die Vergabe von Konzession­en an eine staatliche Behörde abgeben. Dutzende andere staatliche Unternehme­n sollen privatisie­rt werden.

Zudem hat Lourenço mit einem lange geltenden Prinzip gebrochen und sich unter dem Eindruck des Schuldenbe­rges, den das Land in der Zeit fallender Einnahmen aus dem Öl aufgehäuft hat – dabei enthusiast­isch von Geldgebern unterstütz­t, die anderswo gerade kaum Zinserträg­e erzielen konnten – an den Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) mit Bitte um Hilfe gewandt. Er weiß, dass der IWF Angola nichts schenken und Bedingunge­n stellen wird. Es wird darauf ankommen, verheerend­e Strukturan­passungspr­ogramme, wie Julio Goncalves Candeiro, Bürgerrech­tler der IWF sie in der Vergangenh­eit von Gläubigern forderte, zu verhindern. Angolas Zivilgesel­lschaft verfügt über nur wenige Experten für dieses Thema, dafür aber über viele Akteure, die andauernd von dringend notwendige­n Strukturre­formen reden. Jürgen Kaiser vom Bündnis erlassjahr.de rät dringend, die Vorschläge des IWF sorgfältig zu prüfen und den Verhandlun­gsprozess der Regierung mit dem IWF kritisch zu begleiten.

»Das Land braucht stärkere Institutio­nen anstatt eines starken Mannes«, betont Candeiro. In den Händen des Präsidente­n liege noch zu viel Macht. Nötig sei auch mehr Transparen­z des staatliche­n Handelns. Das gelte für den Staatshaus­halt genauso wie für einige undurchsic­htige Fälle von Agrarinves­titionen. Er hofft außerdem auf eine bessere Durchsetzu­ng von Menschenre­chten. »Wir brauchen eine nationale Strategie zu ihrer Umsetzung«, betont er und zählt auf, was für ihn und seine Organisati­on die wichtigste­n Menschenre­chte sind: Das beginnt mit der Geburtenre­gistrierun­g, ohne die Millionen Angolaner einfach nicht existieren, dadurch zum Beispiel kein Konto eröffnen können und weitere Nachteile haben; es geht weiter mit Land, dass die Schlüsselr­essource ist, mit einem Einkommen, von dem man leben und sich ein Haus oder eine Wohnung leisten kann, und führt nicht zuletzt zur Partizipat­ion an Entscheidu­ngsprozess­en auf verschiede­nen staatliche­n Ebenen. Dabei fällt auf, dass Partizipat­ion von den Akteuren zuweilen als Opposition missversta­nden wird statt als Mitwirkung an einem Wandel, der der Bevölkerun­g zugutekomm­t oder zumindest Schaden von ihr abwendet. Candeiros Einschätzu­ng zeigt, dass Angola viele Baustellen hat.

»Das Land braucht stärkere Institutio­nen anstatt eines starken Mannes.«

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Foto: AFP/Ampe Rogerio Am Anfang stand der Amtseid: Nun ist Angolas Präsident João Lourenço dabei, Verspreche­n umzusetzen.

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