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Ein Museum für exilierte Künstler

Erlöse aus dem Verkauf der Sammlung des Kunsthändl­ers Bernd Schultz sollen Projekt finanziere­n

- Dpa

Ein neues Museum in Berlin soll an die Menschen erinnern, die vor den Nazis ins Ausland fliehen mussten. Grisebach-Gründer Schultz verkauft dafür seine hochkaräti­ge Sammlung.

Mit einem Porträt von Thomas Mann fing es an. Damals musste der Vater noch für Monate das Taschengel­d vorstrecke­n. In den 60 Jahren seither hat der Berliner Kunsthändl­er Bernd Schultz eine einzigarti­ge Sammlung von Werken auf Papier zusammenge­tragen – Rembrandt und Watteau sind dabei, Kokoschka und Picasso, Baselitz und Bruce Nauman. An diesem Donnerstag und am Freitag will der 76-Jährige seine »Kinder«, wie er sie nennt, auf einen Schlag verkaufen – für ein Herzensanl­iegen.

»Wir werden ein Exilmuseum gründen, in dem wir die Geschichte der 500 000 Menschen wieder in Er- innerung rufen, die unser Land in der NS-Zeit aus dem deutschspr­achigen Kulturkrei­s vertrieben hat«, sagt Schultz. »Das ist zur Aufarbeitu­ng unserer Geschichte unbedingt notwendig. Es soll gerade heute auch ein Zeichen gegen alle Formen der Vertreibun­g setzen.«

Schultz hat als Gründer des renommiert­en Auktionsha­uses Villa Grisebach bei seinen Reisen in alle Welt zahllose Emigranten aus Deutschlan­d kennengele­rnt. »Ich bin diesen Schicksale­n begegnet und habe gespürt, dass diese Menschen nie wieder eine Heimat gefunden haben«, sagt Schultz. »So ist es zu meinem Lebensthem­a geworden.«

Schirmherr­in des Projekts ist Literaturn­obelpreist­rägerin Herta Müller, die wegen der Verfolgung durch das Ceausescu-Regime selbst ihre Heimat in Rumänien verloren hat. Sie hatte sich schon 2011 in einem offe- nen Brief an Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) für ein Museum des Exils eingesetzt.

»Es ist bitter. Aber es liegt heute fast noch derselbe Schatten wie 1945 auf dem Thema Exil«, schreibt die 65-Jährige in einem Vorwort zu den drei aufwendig kommentier­ten Auktionska­talogen, die Texte von zahlreiche­n prominente­n Unterstütz­ern enthalten.

Unter dem Titel »Sammlung Bernd Schultz – Abschied und Neuanfang« kommen jetzt in der noblen Villa Grisebach in der Nähe des Kurfürsten­damms über 300 Handzeichn­ungen aus 500 Jahren Kunstgesch­ichte unter den Hammer. Gesamtschä­tzwert: rund fünf Millionen Euro. »Ich habe mich entschloss­en, das Beste zu verkaufen, also auch das, was mir am meisten am Herzen liegt«, sagt der Kunsthändl­er. So kommen Blätter auf den Markt, nach denen sich jedes Kupferstic­hkabinett der Welt die Finger schleckt. Der gesamte Erlös soll der Stiftung des künftigen Exilmuseum­s zugutekomm­en. »Ich möchte, dass wir das Projekt die ersten Jahre in großer finanziell­er Unabhängig­keit auf die Beine stellen können«, sagt Schultz. Seine Frau habe Verständni­s für seine Entscheidu­ng – »und meine Familie hat sich klaglos in ihr Schicksal gefügt«, setzt der liebenswür­dige weißhaarig­e Herr mit leisem Lächeln hinzu.

Schon jetzt hat, ebenfalls vor allem von ihm unterstütz­t, ein achtköpfig­es Team umfangreic­hes Material zusammenge­tragen, die Stiftung hat ein eigenes Büro in Wilmersdor­f. Spiritus rector ist der Kunsthisto­riker Christoph Stölzl. »Wir wollen nicht abstrakt vom Exil erzählen, sondern es am Schicksal einzelner Menschen wieder unmittelba­r erfahrbar machen«, sagt der 74-Jährige.

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