nd.DerTag

Macht was her

Tischtenni­strainer Erik Schreyer über den sensatione­llen Sprung des Post SV Mühlhausen an die Bundesliga­spitze

-

Post SV Mühlhausen führt die Tischtenni­sBundeslig­a an. Wie das?

Sie sind seit vergangene­r Saison Cheftraine­r der Tischtenni­sspieler von Post SV Mühlhausen. Wie wurde aus dem damals 29-Jährigen der Chefcoach?

Natürlich nicht über Nacht, das hat sich so entwickelt. Die ersten Jahre war ich Spieler hier und habe den Aufstieg von der zweiten in die erste Bundesliga mit vollbracht. Danach durfte ich meine erste Nachwuchsg­ruppe als Trainer übernehmen und habe schnell gemerkt: Tischtenni­s ist meine Leidenscha­ft, und den ganz großen Sprung in die erste Bundesliga werde ich spielerisc­h nicht schaffen. Also dachte ich mir: Ok, dieser Trainerjob liegt dir, Menschen zu motivieren, dein Wissen weiterzuge­ben. Ich wurde Co-Trainer und schließlic­h gab mir der Verein das große Vertrauen: Ich konnte den Cheftraine­rposten übernehmen.

Sie sind Tabellenfü­hrer in der Bundesliga und nach einem Sieg gegen Hennebont aus Frankreich in der Champions League Gruppenzwe­iter. Was geht denn noch in dieser Saison für Mühlhausen?

Wie’s aussieht, muss jetzt mal Butter bei die Fische: In der Meistersch­aft sind die Playoffs unser großes Ziel. Wer so wie wir in die Saison startet, kann das schaffen, auch wenn es sensatione­ll wäre. In der Champions League wollen wir diesen Gruppenpla­tz zwei halten, um dann im Viertelfin­ale noch mal ein Heimspiel zu haben. Wir haben die reale Chance, zu den besten acht Vereinen Europas zu gehören! Manchmal wirkt das alles auf mich ein bisschen irreal.

Ist die Champions League für Sie ein guter Deal oder eher ein Zuschussge­schäft?

(lacht) Interessan­te Frage. Im Fußball ist die Königsklas­se ein lukratives Geschäft, bei uns keinesfall­s. Pro Sieg verdienen wir 250 Euro brutto, also pro Gesamtsieg in einem Gruppenspi­el. Wir sind Welten davon entfernt, Profit zu machen. Aber wir machen es für uns als Verein, für die Stadt und man merkt doch, dass man so manchen Sponsor noch dazugewinn­t, weil: Königsklas­se, das ist schon was! Und toller Sport wird immer geboten, ganz ohne Frage.

Welche Rolle spielt für einen Tischtenni­sbundeslig­isten der Etat?

Eine wichtige. Er ist stetig gewachsen. Vor zwei, drei Jahren waren wir noch bei der Hälfte der knapp 450 000 Euro von heute – absolut positiv für einen Klub aus so einer kleinen Stadt. Wir heben uns von vielen Bundesligi­sten ab, weil wir nicht zwei, drei große Sponsoren haben, bei uns zieht die Stadt mit: Viele kleine Sponsoren geben von 100 bis 5000 Euro.

Wo liegt Ihr Etat im Ligavergle­ich? Im guten Mittelfeld. Unser großer Vorteil ist aber, dass uns so viele Eh- Erik Schreyer ist seit 2017 Cheftraine­r beim Tischtenni­s-Bundesligi­sten Post SV Mühlhausen. Der 30-Jährige ist damit der jüngste Trainer, der je in der höchsten deutschen Spielklass­e eine Mannschaft betreute. Der Sachse spielt für die zweite Auswahl und ist auch für die erste Mannschaft startberec­htigt. Momentan belegt der thüringisc­he Traditions­klub, der in der DDR ein Zentrum des Tischtenni­s war, Platz eins in der Bundesliga. Nach dem zweiten Sieg in einem Champions-League-Spiel sprach Schreyer mit Jirka Grahl über das historisch­e Hoch des Klubs.

renamtlich­e helfen. Vergangene­s Wochenende beispielsw­eise: Freitags Champions League, Samstag dritte Liga, Sonntag erste Bundesliga. Das Aufbauen, Abbauen und auch das Catering haben Ehrenamtle­r übernommen: Andere Vereine müssen für so etwas Arbeitskrä­fte einstellen, wir nicht. Darauf sind wir stolz.

Ihr Kader ist internatio­nal. Wie oft sind die Spieler überhaupt bei Ihnen in Mühlhausen?

Unsere Spitzenspi­eler sind allesamt Profis, die haben ihre Trainingsg­rup- pen an anderen Orten: In Düsseldorf trainiert Steffen Mengel, unser deutscher Spitzenspi­eler. Daniel Habesohn aus Österreich ist auch oft in Düsseldorf, trainiert aber auch häufig in Wien. Ovidiu Ionescu hat eine Trainingsg­ruppe in Bremen, Lubomir Jancarik eine in Tschechien. Zwei Tage vor den Spielen kommen sie aber alle hier nach Mühlhausen und dann steht Feintuning an. Ich will dabei nicht großartig die Technik der Spieler umstellen, sondern meist einfach nur noch etwas an den Kleinigkei­ten arbeiten. Was ist eine Feinheit, an der Sie dann noch arbeiten können?

Zum Beispiel die Motivation. Man darf nicht vergessen: Diese Spieler reisen unglaublic­h viel. Daniel Habesohn beispielsw­eise ist Europameis­ter im Doppel, der hat nur zwei Wochenende­n im Jahr frei. An den übrigen Tagen sind die Spieler immer unterwegs – bei internatio­nalen Wettkämpfe­n, bei Ligaspiele­n oder hier mit Post Mühlhausen auch noch bei Champions-League-Spielen. Da kann es auch mal sein, dass einer im Training ein bisschen durchhängt. Dann arbeite ich mit den Jungs an kleinen Details: Körperspan­nung beachten, Schlägerha­ltung ein bisschen verändern, etwas tiefer runter gehen. Manchmal ähnelt es den Dingen, die ich zu meinen Kindern in der Nachwuchsg­ruppe sage. Aber es wirkt! Auch in der Bundesliga.

Hilft Ihnen, dass Sie so jung sind? Man muss sich als Trainer sowieso stetig weiter entwickeln. Zudem spiele ich immer noch beim Training mit. Die Jungs merken dann, dass ich noch relativ fit bin. Unser Riesenvort­eil ist wohl, dass wir alle in etwa gleich alt sind. Wir haben ähnliche Ansichten und Interessen – keine Jungspunde dabei und auch keinen Coach, der vielleicht mit 50 oder 60 Jahren ein bisschen weit weg wäre von der Mannschaft. Wir sind eine ganz eingeschwo­rene Truppe.

Was bedeutet der Klub für die Stadt? Man merkt jetzt, dass zur Zeit richtig Euphorie herrscht. Jeder weiß über den Post SV Bescheid: »Hey, ihr habt am Wochenende wieder toll gespielt!« wird man beim Bäcker oder beim Fleischer angesproch­en. Und in Thüringen sind wir neben den Handballer­innen vom THC die einzigen, die Champions League spielen. Das ist schon toll für alle.

Erfolg weckt immer Interesse der Konkurrenz. Wie lange können Sie Ihre Besten beim Verein halten? Die Spieler fühlen sich hier sehr wohl, manche verzichten vielleicht auch auf den einen oder anderen Euro. Am Sonntag hat Daniel Habesohn, einer der Besten Europas, das letzte Spiel 11:9 im fünften Satz entschiede­n – mit einem wahnsinnig­en Ballwechse­l über fast eine Minute. Die Halle tobte, da schnappte sich Präsident Thomas Baier das Mikrofon und rief: »Liebe Zuschauer, ich darf euch verkünden: Daniel Habesohn bleibt noch zwei Jahre länger!« Da hat fast das Hallendach abgehoben. Ein großer Moment.

 ?? Fotos: Christian Habel ?? Der Österreich­er Daniel Habesohn (hinten) hat seinen Vertrag in Thüringen gerade um zwei Jahre verlängert.
Fotos: Christian Habel Der Österreich­er Daniel Habesohn (hinten) hat seinen Vertrag in Thüringen gerade um zwei Jahre verlängert.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany