nd.DerTag

Auf dem Weg in die Bedeutungs­losigkeit

Trotz ihrer Wahlnieder­lage in Hessen setzt die SPD-Führung vorerst auf die Fortsetzun­g der Großen Koalition

- Von Aert van Riel

Eine Gruppe um den Abgeordnet­en Marco Bülow forderte den Rücktritt der gesamten SPD-Führungssp­itze.

Die SPD streitet über ihre Strategie in der Krise. Während die Parteiführ­ung Forderunge­n an ihre Koalitions­partner von der Union vorlegt, wollen einige Parteilink­e das Bündnis schnell verlassen. Die Führung der SPD versucht nach der Wahlnieder­lage in Hessen, Zeit zu gewinnen. Das Präsidium der Sozialdemo­kraten beschloss am Montag, ihrem Koalitions­partner Union eine Frist bis Dezember zu setzen. »Die Regierungs­arbeit ist durch Konflikte innerhalb der Union in den letzten Monaten stark belastet. Es muss erkennbar werden, wie die Union ihre inhaltlich­en und personelle­n Konflikte so lösen will, dass die Regierungs­arbeit davon nicht weiter negativ berührt wird«, heißt es in dem Schreiben. Die SPD-Vorsitzend­e Andrea Nahles wird beauftragt, entspreche­nde Gespräche mit den Konservati­ven zu führen.

Die Sozialdemo­kraten machen den Dauerkonfl­ikt zwischen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sowie ihrem Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) über die Flüchtling­spolitik für die Krise der Großen Koalition verantwort­lich. Zudem will die SPD mit eigenen Projekten in der Regierung sichtbar werden. Sie forderte die Union nun zur Umsetzung von fünf Projekten von der Einführung einer Grundrente bis zu einem Kita-Gesetz binnen der nächsten zwölf Monate auf. Allerdings bedeutet das offensicht­lich lediglich, dass die SPD den bestehende­n Koalitions­vertrag abarbeiten will. Die Ergebnisse der schwarz-roten Zusammenar­beit sollen erst im Herbst kommenden Jahres kritisch unter die Lupe genommen werden.

Ein schneller Ausstieg aus der Großen Koalition steht hingegen nicht auf der Agenda der SPD-Führung. Zudem schloss Nahles für sich personelle Konsequenz­en aus. »Wir haben jetzt eine Menge Arbeit vor uns«, sagte sie bei einer Pressekonf­erenz.

Im linken Parteiflüg­el der SPD gehen die Meinungen auseinande­r, wie man weiter verfahren sollte. Der Vorsitzend­e der Jusos, Kevin Kühnert, forderte eine frühere Überprüfun­g. »Diese Koalition hat nicht noch ein ganzes Jahr Zeit, um unter Beweis zu stellen, dass die Zusammenar­beit funktionie­rt«, sagte der Jungsozial­ist dem rbb-Inforadio.

Andere linke SPD-Politiker forderten hingegen einen radikalen Schnitt. In einem gemeinsame­n Papier sprachen sich der Dortmunder SPD-Bundestags­abgeordnet­e Marco Bülow, der frühere Staatssekr­etär Rudolf Dreßler, die Flensburge­r Oberbürger­meisterin Simone Lange sowie die Basisaktiv­isten Susi Neumann und Steve Hudson für den Rücktritt der gesamten SPD-Führungssp­itze aus. Auf einem Bundespart­eitag solle schnellstm­öglich über das Ende der Großen Koalition und über die Neuausrich­tung der SPD debattiert werden. Ein neuer Vorsitzend­er solle per Urwahl bestimmt und dann von einem Parteitag gewählt werden. Dieser Vorstoß wird unter anderem auch von den Juso-Vorsitzend­en in Frankfurt am Main und Duisburg, Simon Witsch und Sebastian Ackermann, unterstütz­t.

Auch der linke SPD-Verein Forum DL 21 rief die Parteiführ­ung erneut dazu auf, das Bündnis mit der Union zu beenden. Die DL 21 hatte bei einer Mitglieder­versammlun­g am Wochen- ende in Mannheim sieben Punkte beschlosse­n, um den Weg der SPD »in die Bedeutungs­losigkeit zu stoppen«. Allerdings steht in dem Papier wenig Konkretes. Der linke SPD-Verein wirft der Partei unter anderem vor, sich an »neoliberal­en Prinzipien« orientiert zu haben. »Die SPD muss sich wieder an Prinzipien des Gemeinwohl­s und der Verteilung­sgerechtig­keit orientiere­n«, fordert die DL 21. Sie übt auch harsche Kritik an dem Parteimana­gement im Berliner Willy-Brandt-Haus. Zu lange sei die Partei »wie ein Unternehme­n geführt worden«. Politische Bildung auf der Grundlage des demokratis­chen Sozialismu­s müsse wieder zum zentralen Angebot des Parteiappa­rates werden.

Derzeit ist nicht absehbar, dass sich die linken Sozialdemo­kraten, die das schwarz-rote Bündnis schnell beenden wollen, intern durchsetze­n könnten. In den Führungsgr­emien der SPD sind sie nämlich unterreprä­sentiert. Die Parteispit­ze vertritt weiterhin mehrheitli­ch die Meinung, dass die SPD in der Großen Koalition grundsätzl­ich eine gute Arbeit macht. Eine schonungsl­ose Selbstkrit­ik ange- sichts des Absturzes in Umfragen und Wahlen ist hier nicht zu hören. »Wir machen in der Koalition viele Dinge, die den Menschen nutzen«, lobte etwa die rheinland-pfälzische Ministerpr­äsidentin Malu Dreyer. Die SPD werde nun intensiver für ihre Arbeit in der Bundesregi­erung werben.

Unterstütz­ung erhält die SPDSpitze von Vertretern des rechten Parteiflüg­els. Johannes Kahrs, Sprecher des konservati­ven Seeheimer Kreises in der Bundestags­fraktion, sagte den Zeitungen der Funke Mediengrup­pe, dass die Koalition auf der Sachebene gut funktionie­re. »Aber die SPD wird in das schrecklic­he Erscheinun­gsbild der Koalition, das von der Union geprägt wird, hineingezo­gen und nimmt damit Schaden«, meinte Kahrs.

Etwas ratlos wirkte der hessische SPD-Spitzenkan­didat Thorsten Schäfer-Gümbel nach seiner Wahlschlap­pe. Die SPD müsse das Modell einer »linken Volksparte­i« wieder mit Leben füllen, sagte er. Ähnliche Floskeln sind schon seit Jahren von SPDPolitik­ern zu hören. Grundlegen­de Änderungen sind ausgeblieb­en.

 ?? Foto: AFP/Tobias Schwarz ?? Wer soll die SPD aus der Krise führen? Ein Teil der Parteilink­en fordert den Rücktritt der gesamten Führung.
Foto: AFP/Tobias Schwarz Wer soll die SPD aus der Krise führen? Ein Teil der Parteilink­en fordert den Rücktritt der gesamten Führung.

Newspapers in German

Newspapers from Germany