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Besser als 2013 und doch enttäusche­nd

Die LINKE gewinnt in Hessen drei Parlaments­mandate hinzu. Gegenüber Umfragen vor der Wahl ist ihr Ergebnis eher mager

- Von Jana Frielingha­us

Die Fünfprozen­thürde war für das Team um Janine Wissler bei der Landtagswa­hl kein Thema mehr. 6,3 Prozent der Wähler gaben der hessischen LINKEN ihre Stimme, das waren 20 000 mehr als 2013. Große Sprünge habe die LINKE in Hessen nicht gemacht, räumte Parteichef Bernd Riexinger am Montag ein. Zugleich betonte er vor Journalist­en in Berlin, man wachse »kontinuier­lich«. Und die hessische Spitzenkan­didatin Janine Wissler wies darauf hin, dass die Partei künftig neun statt der bisherigen sechs Landtagsma­ndate haben wird.

Tatsächlic­h ist der hessische Landesverb­and derjenige in den »alten« Bundesländ­ern, der sich, gemessen an Wahlergebn­issen, am stabilsten entwickelt. Vor ihrem vierten Einzug in den Wiesbadene­r Landtag musste die Partei erstmals kaum fürchten, die Fünfprozen­thürde nicht zu schaffen. 6,3 Prozent der gültigen Wählerstim­men konnte die LINKE am Sonntag auf sich vereinigen. Das sind 1,1 Prozentpun­kte mehr als 2013.

In absoluten Zahlen gewann die Partei knapp 20 000 Stimmen hinzu. In den Großstädte­n schnitt sie erheblich besser ab als auf dem Lande. Während sie in den Ballungsrä­umen vielerorts mehr als zehn Prozent der Wähler für sich gewann, waren es in Landkreise­n abseits der Metropolen oft nur zwischen 3,5 und fünf Prozent. Dagegen kam die Partei in zwei Bezirken von Frankfurt am Main auf 13,5 bzw. 12,5 Prozent, auch in Kassel Stadt II gab es 12,5 Punkte.

Wie Spitzenkan­didatin Wissler bedauerten auch die Bundesvors­itzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger, dass man nicht mehr enttäuscht­e Sozialdemo­kraten an sich hat binden können. Wenige Tage vor der Wahl hatte die LINKE in Umfragen noch bei acht Prozent gelegen. Tatsächlic­h votierten aber nur 23 000 SPD-Wähler für die Linksparte­i, für die Grünen dagegen 101 000 und für die AfD 38 000. LINKE-Chefin Kipping glaubt, die Grünen würden eben stärker als »Machtalter­native« wahrgenomm­en.

Die Option »Rot-Rot-Grün« ist nach Vorliegen des amtlichen Endergebni­sses auch rechnerisc­h ausgeschlo­ssen. SPD, Linksparte­i und Grüne kommen zusammen auf weniger als 46 Prozent. Zugleich wünschten sich 31 Prozent aller Wähler und 99 Prozent der Linke-Anhänger laut Nachwahlbe­fragung deren Beteiligun­g an der Landesregi­erung. Für die Grünen, die in den letzten fünf Jahren harmonisch mit der CDU von Ministerpr­äsident Volker Bouffier regiert haben, war ein Bündnis mit SPD und Linksparte­i jedoch von vornherein bestenfall­s zweite Wahl, und auch die angeschlag­ene SPD hat sich im Vorfeld nie explizit für »r2g« ausgesproc­hen.

Ob die Streitigke­iten innerhalb der Linksparte­i auf Bundeseben­e – Stichwort Migrations­politik und Sahra Wagenknech­ts Sammlungsb­ewegung – ihr Wahlergebn­is in Hessen negativ beeinfluss­t haben? Janine Wissler verneinte. Im Straßenwah­lkampf habe das so gut wie keine Rolle gespielt. Dagegen hätten die drastische­n Warnungen Bouffiers vor der »Katastroph­e für Hessen«, die mit einer Regierung unter Beteiligun­g der LINKEN drohe, vermutlich etliche Wähler beeinfluss­t, meinte die Vorsitzend­e der Wiesbadene­r Linksfrakt­ion.

Vor zehn Jahren hatte die Union, damals noch unter Führung von Roland Koch, gar mit dem Slogan »Ypsilanti, Al-Wazir und die Kommuniste­n stoppen!« Wahlkampf gemacht. Dabei hatte die damalige SPD-Spitzenkan­didatin Andrea Ypsilanti vor der Wahl am 27. Januar 2008 noch eine Koalition unter Beteiligun­g der LINKEN ausgeschlo­ssen. Dies, obwohl sich bereits vorher abzeichnet­e, dass es für Rot-Grün nicht reichen würde. Anschließe­nd scheiterte Ypsilanti mit ihrem Vorhaben, eine Minderheit­sregierung ihrer Partei mit den Grünen durch die LINKE tolerieren zu lassen, am Widerstand von vier sozialdemo­kratischen Abgeordnet­en.

Bernd Riexinger erklärte den eher bescheiden­en aktuellen Zuwachs für die LINKE dennoch partiell auch mit deren Erscheinun­gsbild auf Bundeseben­e. Die Grünen seien »geschlosse­ner aufgetrete­n als wir«, konstatier­te der Parteichef. Dadurch hätten sie sich stärker als Organisati­on präsentier­en können, »die für die Menschenre­chte und für eine offene Gesellscha­ft eintritt«. Die LINKE müsse künftig »stärker deutlich machen, dass die soziale Frage mit der ökologisch­en verwoben ist«.

»Die LINKE muss stärker deutlich machen, dass die soziale Frage mit der ökologisch­en verwoben ist.« LINKE-Chef Bernd Riexinger

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