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Hoffnungst­räger Äthiopien

Deutschlan­d offeriert Reformpart­nerschaft auf dem Afrika-Gipfel in Berlin

- Von Roland Bunzenthal

Zwölf afrikanisc­he Staatschef­s kommen am Dienstag zum Wirtschaft­sgipfel nach Berlin. Darunter ist der große Hoffnungst­räger: Der 42-jährige Abiy Ahmed, der Ministerpr­äsident Äthiopiens. Das Ereignis war so spektakulä­r, dass es dem Bundestag eine mehrstündi­ge Debatte im Plenum wert war: Der im Juli unterzeich­nete Friedensve­rtrag zwischen den seit Jahrzehnte­n verfeindet­en Nachbarn Äthiopien und Eritrea. Redner aller Fraktionen in Berlin begrüßten die neue Harmonie am Horn von Afrika und die damit verbundene Grenzöffnu­ng. Zugleich lobten sie den «Reform-Aufbruch« in Äthiopien, dem mit gut 100 Millionen Menschen zweitbevöl­kerungsrei­chsten Land Afrikas nach Nigeria.

Die Bundesregi­erung wird den neuen Ministerpr­äsidenten Äthiopiens, Abiy Ahmed, bei seinem Besuch am Dienstag in Berlin nicht mit leeren Händen empfangen, 200 Millionen Euro seien zusätzlich an humanitäre­r Hilfe vorgesehen. Sie kommen zu den bereits für die laufende Zwei-Jahres-Periode geplanten rund 215 Millionen Euro hinzu. Schwerpunk­t der deutschen Hilfe ist die Förderung der berufliche­n Bildung. Damit soll das für ausländisc­he Investoren benötigte Reservoir an ausgebilde­ten Arbeitskrä­ften geschaffen werden.

Anlass für den Besuch Abiy Ahmeds ist die »Compact with Africa«Konferenz am Dienstag in Berlin. Das Übereinkom­men, das der G-20-Gipfel 2017 auf deutsche Initiative hin beschlosse­n hat, soll heute weiter mit Leben erfüllt werden. Ziel ist es, die afrikanisc­hen Wirtschaft­en für ausländisc­hes Kapital zu öffnen. Zwölf Staatschef­s, darunter der äthiopisch­e Ahmed Abiy, werden mit den Vertretern der Wirtschaft, Finanzen und Institutio­nen wie IWF und Weltbank, über die Rahmenbedi­ngungen für ausländisc­he Investoren verhandeln. Das Deutsche Institut für Entwicklun­gspolitik (DIE) sieht Teile der Vereinbaru­ngen beim »Compact with Africa« kritisch, zum Beispiel die geplanten Strukturan­passungspr­ogramme mit Kürzungen im Sozialbere­ich, der Privatisie­rung von staatliche­n Einrichtun­gen und der Kommerzial­isierung von öffentlich­en Dienstleis­tungen.

Bislang elf Staaten haben mittlerwei­le die »Reifeprüfu­ng« des internatio­nalen Kapitals mit den Fächern politische Sicherheit vor staatliche­n oder gewerkscha­ftlichen Eingriffen, niedrige Steuern und Handelsbar­rieren sowie billige, aber qualifizie­rte Arbeitskrä­fte bestanden. Äthiopien ist dabei, all diese Anforderun­gen zu erfüllen. Auf dem Afrika-Gipfel in Berlin werden Äthiopien, Marokko und Senegal eine Reformpart­nerschaft angeboten bekommen, ließ Entwicklun­gsminister Gerd Müller (CSU) vorab verlauten.

80 Prozent der Gesamtbevö­lkerung Äthiopiens leben auf dem Land, die meisten als Kleinbauer­n. Von diesen verfügen zwei Drittel als Pächter weniger als einen Hektar Boden. Zugleich hat die Vorgängerr­egierung 3,8 Millionen Hektar Land an ausländisc­he Agrarkonze­rne übertragen.

In der Bundesregi­erung konkurrier­en die Experten um die richtige Strategie, um Investoren nach Afrika zu locken. Das Entwicklun­gsminister­ium mit einem »Marshallpl­an«, das Wirtschaft­sministeri­um mit » »Pro! Afrika« und das Finanzmini­sterium als ursprüngli­cher Initiator von »Compact with Africa.«

Äthiopien ist derzeit sowohl politisch als auch ökonomisch der Hoffnungst­räger in Afrika. Dabei stehe Äthiopien vor gewaltigen Herausford­erungen, betonte Außenminis­ter Heiko Maas in der Parlaments­debatte, zum Beispiel sind rund zwei Millionen Flüchtling­e aus dem Südsudan und Somalia zu integriere­n. Hinzu kommen viele interne Flüchtling­e, vor allem Kleinbauer­n, die von mäch- tigen Agrarmulti­s von ihrem angestammt­en Land vertrieben wurden. Durch deren bewässerun­gsintensiv­e Monokultur fällt weiterer fruchtbare­r Boden der Erosion zum Opfer. Vermehrte Dürren infolge des Klimawande­ls erschweren die Lage.

Für Mittwoch ist ein Treffen von Abiy mit der in Europa lebenden Diaspora in der Frankfurte­r Commerzban­k Arena geplant. Das äthiopisch­e Konsulat in Frankfurt rechnet mit 25 000 Teilnehmer. Abiy betont bei allen seinen bisherigen Reden, dass jeder Äthiopier bei den Reformen einen sehr wichtigen Beitrag leisten kann. Brücken bauen, Mauer abreißen zählen zu seinem Vokabular. Die geplanten Reformen sollen dazu beitragen, dass in zwei Jahren demokratis­che Wahlen in Äthiopien stattfinde­n können.

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Foto: dpa/Ute Grabowsky Allerbeste Freunde: Bundesentw­icklungsmi­nister Gerd Müller und Äthiopiens Premier Abiy Ahmed.

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