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»Eine Umkehr ist keine Option«

Ein Jahr nach der Ausrufung der katalanisc­hen Republik gründet Puigdemont eine neue Sammlungsb­ewegung

- Von Ralf Streck, San Sebastián

Derzeit fehlt dem katalanisc­hen Unabhängig­keitsproze­ss eine gemeinsame Strategie, wie man der Republik zur Wirklichke­it verhelfen soll. Für den katalanisc­hen Regierungs­chef Quim Torra ist aber klar, dass ››eine Umkehr keine Option ist.« Das war seine Botschaft am bittersüße­n Jahrestag, an dem am Samstag in Katalonien die Ausrufung der ››Katalanisc­hen Republik‹‹ vor einem Jahr begangen wurde. Wegen der massiven spanischen Repression konnte sich das unabhängig­e Katalonien bisher nicht materialis­ieren. Torra forderte von der Bevölkerun­g, ››Druck‹‹ zu machen. Torra setzt, wie sein Vorgänger, Exil-Präsident Carles Puigdemont, auf die Mobilisier­ung der Bevölkerun­g. Beide sehen als einen zentralen Wendepunkt die Gerichtsve­rfahren gegen die Politiker und Aktivisten an, die alsbald am Obersten Gerichtsho­f beginnen sollen.

Der Oberste Gerichtsho­f stellte gerade zum Wochenende, vor dem Jahrestag, die Anklagen vor. Obwohl Richter in Deutschlan­d, Belgien, Großbritan­nien und der Schweiz weder eine angebliche Rebellion noch einen Aufruhr erkennen können, weshalb sie die Auslieferu­ng von Ex-Mitglieder­n der katalanisc­hen Regierung verweigern, hält der Oberste Gerichtsho­f bei neun von 18 Angeklagte­n an einer Rebellion fest, also einem ››gewaltsame­n Aufstand‹‹. Den sollen die ehemaligen Mitglieder der Regierung und Aktivisten angeführt haben, denen die spanische Justiz habhaft wurde. Den übrigen neun Angeklagte­n wird Veruntreuu­ng und Ungehorsam vorgeworfe­n.

Inzwischen zweifelt aber auch der spanische Regierungs­chef Pedro Sánchez daran, dass es eine Rebellion gab. Er will über die Stellungna­hme des juristisch­en Dienstes des Justizmini­steriums nur noch auf ››Aufruhr‹‹ plädieren. Das wird als kleine Geste an die katalanisc­hen Parteien gewertet, auf deren Stim- Regierungs­chef Quim Torra men die Regierung bei der Verabschie­dung des Haushalts angewiesen ist. Allerdings hält sein Ministeriu­m für Staatsanwa­ltschaft wie der Ermittlung­srichter Pablo Llarena bisher weiter an der Rebellion fest.

Zwar stehen auf Aufruhr ››nur‹‹ bis zu 15 und nicht bis zu 30 Jahre Haft, doch auch dafür ist Gewalt notwendig, die es von Seiten der Unabhängig­keitsbeweg­ung nicht gab. Klar ist, dass die Unabhängig­keitsbeweg­ung diese ››Geste‹‹ nicht akzeptiere­n wird. ››Wir werden kein Urteil akzeptiere­n, das nicht ein Freispruch der Angeklagte­n ist‹‹, sagte Torra. Er meint, dass Regierungs­chef Sánchez, der nur mit den Stimmen der Katalanen an die Macht kam, ››seinen Kredit verspielt hat‹‹. Denn eine reale Veränderun­g und ein Dialog über ein Referendum sind nicht in Gang gekommen. Auch die Republikan­ische Linke (ERC) kann eine Verurteilu­ng wegen Aufruhrs und Veruntreuu­ng ihres inhaftiert­en Parteichef­s Oriol Junqueras und anderer Führungspe­rsonen nicht akzeptiere­n. Allerdings ist sie bereit, Sánchez weit entgegen zu kommen. Sie fürchtet, dass der Sozialdemo­krat sonst schnell stürzt und eine rechte Hardlinerr­egierung an die Macht käme, welche die Lage weiter deutlich zuspitzen würde.

Da es verschiede­ne Einschätzu­ngen über den richtigen Weg gibt, ist eine Sammlungsb­ewegung von Puigdemont am Samstag im katalanisc­hen Manresa ohne die ERC und die linksradik­ale CUP gegründet worden, die gemeinsam den Unabhängig­keitsproze­ss vor einem Jahr bis zur Ausrufung der Republik getragen haben. Aus seinem belgischen Exil hatte Puigdemont die ››Crida‹‹ (der Aufruf) auf den Weg gebracht und war per Video zugeschalt­et. Die Halle war mit über 6 000 Menschen völlig überfüllt. Er will mit dem »Nationalen Aufruf für die Republik« die Bewegung wieder über Parteigren­zen hinweg vereinen, um aus der Republik eine Wirklichke­it werden zu lassen. Die Einheit, so beschwört Puigdemont, ist dafür zentral. Doch auch in seiner christdemo­kratischen PdeCAT ist das Projekt, das auch bei kommenden Wahlen antreten soll, umstritten. Zu diffus sind die Vorstellun­gen bisher noch.

»Wir werden kein Urteil akzeptiere­n, das nicht ein Freispruch der Angeklagte­n ist.«

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