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Hoffnungst­räger ohne Infrastruk­tur

Flüssiggas soll die Zukunft der Gasversorg­ung sein, doch noch kann es nirgendwo anlanden

- Von Hermannus Pfeiffer

Selbst wenn alle Staaten ihre Klimaziele übererfüll­en, werden 2040 fossile Energieträ­ger noch benötigt. Am umweltscho­nendsten ist Gas. Das soll nun auch in flüssiger Form nach Deutschlan­d strömen. Bernd Buchholz kann Politikers­prech. »Luftreinha­ltung« ist so ein Wort, und »Brückentec­hnologie«. Auf dem 7. Hafenentwi­cklungsdia­log der norddeutsc­hen Länder verband Schleswig-Holsteins Verkehrsmi­nister (FDP) beides: »Luftreinha­ltung ist ein wichtiges Thema – wir tragen dazu bei, indem wir die Brückentec­hnologie LNG unterstütz­en.« Flüssiges Gas hält nicht allein FDP-Minister Buchholz für einen unterschät­zten Klimaschüt­zer. Unter den fossilen Energieträ­gern erzeugt Gas bei der Verbrennun­g am wenigsten CO2. Dadurch ist es weit umweltvert­räglicher als Kohle oder Öl. Dies interessie­rt aktuell besonders die maritime Wirtschaft, Häfen und Schifffahr­t. Doch in der Bundesrepu­blik gibt es bislang nicht ein einziges Terminal, an dem LNG aus den USA oder Katar angelandet werden könnte.

Weltweit ist die Nachfrage nach verflüssig­tem Erdgas im vergangene­n Jahr um 29 Millionen Tonnen auf 293 Millionen Tonnen rasant gestiegen. Eine solche Menge Gas reicht aus, um Strom für etwa 500 Millionen Haushalte zu erzeugen. »Ausgehend von den derzeitige­n Erwartunge­n sieht Shell potenziell­e Versorgung­sengpässe Mitte der 2020er Jahre, wenn nicht bald weitere Produktion­szusagen gemacht werden«, heißt es im »LNG Outlook« von Shell.

Japan bleibt mit weitem Abstand der größte Importeur von »Liquefied Natural Gas«, kurz LNG. Das Inselreich ist auf Energieimp­orte auf dem Seeweg angewiesen und betreibt damit Autos, Heizungen und Kraftwerke. China ist inzwischen weltweit die Nummer zwei. Die Regierung will die Luftversch­mutzung durch Umrüsten von Kohle auf Gas verringern. China, Japan und Südkorea stehen für zwei Drittel der globalen LNG-Nachfrage.

Auf Produzente­nseite ist bis heute der kleine Golfstaat Katar Vorreiter. Dieser hat sich nahezu ausschließ­lich auf Flüssiggas verlegt, um seine riesigen Erdgasvork­ommen exportiere­n zu können – lange galten diese nur als Abfallprod­ukt bei der Ölförderun­g. Dazu wird nun normales Erdgas auf bis zu minus 164 Grad abgekühlt und dadurch eingeschru­mpft. Komprimier­tes Gas lässt sich dann auf der Straße, auf der Schiene und auf dem Wasser transporti­eren.

Auch andere Gasförderl­änder haben ihre Chance erkannt, neue Ab- satzmärkte auf dem Seeweg zu erschließe­n. Die OPEC der Gasindustr­ie, das »Gas Exporting Countries Forum«, zählt mittlerwei­le 13 größere Staaten. Bislang exportiere­n die Förderländ­er hauptsächl­ich per Pipeline. Doch zukünftig soll LNG eine entscheide­nde Rolle spielen: Der europäisch­e Gaskonzern BP erwartet, dass »die LNG-Volumina in den frühen 2020er Jahren höher sein werden als die interregio­nal per Pipeline transporti­erten Liefermeng­en«. Große verwertbar­e Vorkommen warten auch in den USA, Australien und Russland.

Um ein großes LNG-Terminal – die Kosten dürften zunächst etwa 500 Millionen Euro betragen – konkurrier­en drei Standorte: Brunsbütte­l, Wilhelmsha­ven und Stade. Von dort aus könnte das Gas in vorhandene­n Pipelines verteilt werden. Deutschlan­d würde dadurch seine Energielie­ferungen diversifiz­ieren und wäre weniger abhängig von russischem Gas, so ein weitverbre­itetes Argument. Außerdem käme die Industrie vor Ort als Abnehmer infrage.

Die LNG Stade GmbH, die australisc­he Bank Macquarie und der USKonzern Dow Chemicals beantragte­n vor Kurzem Fördergeld­er vom Bund. US-Botschafte­r Richard Grenell soll bei der Antragsübe­rgabe in Berlin dabei gewesen sein. Das niedersäch­sische Terminal könnte von Ende 2020 an liefern. Auch im schleswig-holsteinis­chen Brunsbütte­l, einem großen Chemiestan­dort, laufen Vorbereitu­ngen auf Hochtouren. Dort schlossen die Betreiber im Oktober einen Bund mit RWE.

Gegenwind für seine LNG-Begeisteru­ng kriegt der Kieler FDP-Minister Buchholz nicht allein von der linken Opposition, sondern auch aus Reihen seines Koalitions­partners, den Grünen. Julia Verlinden, energiepol­itische Sprecherin der grünen Bundestags­fraktion, will »keine Steuergeld­er in LNG-Terminals versenken«. Die Regierung solle lieber bessere Rahmenbedi­ngungen für Power-to-Gas-Technologi­en schaffen. Dabei wird aus Wasser und Strom Gas erzeugt. Allerdings lau- fen hierzuland­e erst einige Pilotproje­kte mit einer Leistung von insgesamt rund 20 Megawatt, was lediglich der Leistung von zwei, drei Windmühlen entspricht.

Am Ende dürften mehrere LNGTermina­ls in Deutschlan­d gebaut werden. Der plötzliche Hype wird von Beobachter­n mit dem Druck des US-Präsidente­n Donald Trump auf die EU in Verbindung gebracht. Trump ist der Bau der Ostseepipe­line Nord Stream 2 nach Russland ein Dorn im Auge. EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker hatte im Juli größere Erdgasimpo­rte aus Amerika zugesagt, um Trump im Handelsstr­eit zu besänftige­n.

Allerdings werden hierzuland­e schon seit mehr als einem Jahrzehnt Pläne für LNG-Terminals geschmiede­t. Daher dürfte es jetzt auch ganz schnell gehen. Bislang scheiterte­n Projekte am Preis: LNG-Gas ist noch deutlich teurer als Pipeline-Gas. Eine Flut aus Fracking-Gas aus den USA dürfte den Markt allerdings in absehbarer Zeit umkrempeln.

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Foto: dpa/Wolfram Steinberg Flüssiggas wird in der Fachsprach­e auch kurz LNG genannt.

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