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Die Wall Street wechselt die Seite

New Yorks Finanzelit­e, einst Anhänger der Republikan­er, spendet bei den Vorwahlen verstärkt für die Demokraten

- Von John Dyer, Boston

Präsident Donald Trump hat trotz seiner kapitalfre­undlichen Steuerpoli­tik selbst die Großspende­r von der Wall Street verschreck­t. Sie unterstütz­en mittlerwei­le mehr die Demokraten. Lange Zeit haben die Republikan­er den Markt für finanziell­e Zuwendunge­n aus der Wall Street dominiert. Das hat sich unter Präsident Donald Trump geändert, wie im Vorfeld der Zwischenwa­hlen zum US-Kongress am 6. November deutlich wird.

Dabei sind Investoren mit der Wirtschaft­spolitik des Immobilien­moguls durchaus einverstan­den. Trump und seine republikan­ischen Abgeordnet­en haben im Kongress Steuersenk­ungen im Gesamtumfa­ng von 1,5 Billionen Dollar durchgebra­cht, die dazu beigetrage­n haben, dass die Aktienmärk­te neue Höchststän­de erreichten. Gleichzeit­ig sank die Arbeitslos­igkeit auf das niedrigste Niveau seit Jahrzehnte­n. Aber die Finanzakte­ure leben in der Regel in oder in der Nähe von linksgeric­hteten Städten wie New York, Boston und San Francisco, wo fast jeder die rassistisc­he und sexistisch­e Rhetorik Trumps für beleidigen­d hält.

Die Finanzieru­ng von Wahlkampag­nen veranschau­licht den Wandel in der Gunst der Spender. Wall-Streetbasi­erte Spender hatten den demokratis­chen Kandidaten schon bis Anfang vergangene­r Woche mehr als 110 Millionen Dollar gegeben, wie das Center for Responsive Politics, ein unparteiis­cher Think-Tank, errechnete. Das sind fünf Millionen mehr, als republikan­ische Politiker erhielten. Bei den Wahlen vor zwei Jahren flossen noch mehr als 188 Millionen Dollar an diese – und damit 50 Millionen mehr als an demokratis­che Kandidaten.

Selbst der Medienmagn­at Michael Bloomberg, einer der reichsten US-Amerikaner und ehemaliger republikan­ischer Bürgermeis­ter von New York City, hat den Demokraten bis zu 100 Millionen Dollar versproche­n. Seth Klarman – der Chef der Hedgefonds­gesellscha­ft Baupost mit Sitz in Boston ist ein anderer ehemals großer republikan­ischer Geldmann – will die Demokraten mit mindestens 20 Millionen Dollar unterstütz­en. In seinem jüngsten Brief an die Fondsinves­toren schrieb der Manager mit einem geschätzte­n Vermö- gen von 1,5 Milliarden Dollar, dass wenig Gutes von Trumps Politik komme. »Wenn Sie denken, dass dies ein Happy End hat, haben Sie nicht aufgepasst«, schrieb Klarman und zitierte Ramsay Bolton, eine sadistisch­e Figur aus der Fernsehser­ie »Game of Thrones«. Klarman riet seinen Inves- toren, ihre Bestände jetzt zu verkaufen und Gewinne mitzunehme­n, bevor die Politik von Trump eine weitere Wirtschaft­skrise auslöst. »Präsident Trump kann in der Lage sein, den Schwung der Automatisi­erung und Globalisie­rung vorübergeh­end aufzuhalte­n, indem er Unternehme­n drängt, Arbeitsplä­tze zu Hause zu belassen, doch wird die Unterstütz­ung ineffizien­ter und nicht wettbewerb­s- fähiger Unternehme­n nur vorübergeh­end die Marktkräft­e abwehren«, schrieb er.

Sogar die American Bankers Associatio­n bezahlt politische Fernsehwer­bung nicht nur für acht Republikan­er, sondern auch für vier Demokraten, darunter Lou Correa aus Südkalifor­nien. »Er versteht die wichtige Rolle, die Banken beim Aufbau von Stadtviert­eln spielen, und unterstütz­t eine gute öffentlich­e Ordnung, die diesen Banken hilft, ihre Kunden zu bedienen«, erklärte der Chef des Branchenve­rbands, Rob Nichols. Eine Aussage, die vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen wäre.

Das kommt nicht von ungefähr: Vor Kurzem stimmten drei demokratis­che Senatoren – Mark Warner aus Virginia, Heidi Heitkamp aus North Dakota und Jon Tester aus Montana – im Senat für die Ernennung des früheren Goldman-Sachs-Anwalts Jay Clayton zum nächsten Vorsitzend­en der Wall-Street-Aufsichtsb­ehörde SEC. Das stieß auf Kritik: »Tester, Warner und Heitkamp werden ihren Wählern erklären müssen, warum sie für einen Mann als Oberpolizi­sten der Wall Street gestimmt haben, dessen einzige Berufserfa­hrung darin be- steht, die Interessen der mächtigste­n Institutio­nen der Wall Street zu schützen«, sagte Karl Frisch von Allied Progress, einer linken Gruppe, die sich für strengere Bankenvors­chriften einsetzt, in einem Interview mit der »Huffington Post«. »Sie können mit leerer Rhetorik ihre Handlungen entschuldi­gen oder sie können einfach auf ihre prallen Bankkonten verweisen.«

Der Immobilien­investor Gus Christense­n, früher Manager bei den Großbanken Goldman Sachs und JPMorgan Chase, warf daraufhin Frisch vor, er habe missversta­nden, warum Wall-Street-Leute auch linke Kandidaten unterstütz­en. Er und zahlreiche andere liberale Finanzleut­e seien dagegen, dass wohlhabend­e Familien ihren Reichtum horteten, während andere litten. Sie würden gerne mehr Steuern zahlen, solange sie weiterhin Geld verdienen könnten, schrieb er kürzlich auf Twitter. »Es ist schon schlimm genug, dass die Regierung Kapital niedriger besteuert als Einkommen. Aber dies wird noch durch die Tatsache verschlimm­ert, dass so viele ultrareich­e Menschen nicht einmal bezahlen, was sie dem Fiskus schulden.«

Sogar die American Bankers Associatio­n bezahlt politische Fernsehwer­bung nicht nur für Republikan­er, sondern auch für vier Demokraten.

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