Unbequemer Journalist
Es hätte ein so unbeschwertes Treffen werden können. Vor einem Monat besuchte in Berlin der türkische Autokrat Recep Tayyip Erdogan Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die »Normalisierung der Beziehungen« beider Länder sollte öffentlichkeitswirksam inszeniert werden. Das erwartbare Frageund Antwortspiel auf der Pressekonferenz im Kanzleramt wurde jedoch gestört: Der Journalist Adil Yigit zog ein T-Shirt mit der Aufschrift »Gazetecilere Özgürlük – Freiheit für Journalisten in der Türkei« über. Sicherheitsleute brachten den 60-Jährigen heraus, Erdogan lächelte, Merkel ignorierte die Szene. Nun bekam Yigit Post von der Hamburger Ausländerbehörde. Eine Verlängerung seiner Aufenthaltsgenehmigung wurde abgelehnt. Er soll bis Ende Januar Deutschland verlassen oder er werde in die Türkei abgeschoben.
»Das hängt (mit den politischen Aktivitäten) zusammen, anders kann es gar nicht sein«, vermutete Yigit, der seit 36 Jahren in Deutschland lebt und die Onlinezeitung »Avrupa Postasi« herausgibt. Schon im vergangenen Jahr lag ein entsprechender Bescheid vor. Aber der Chef der Hamburger Ausländerbehörde habe ihm versprochen, man werde eine Lösung finden. Doch nun müsse er bis zum 22. Januar das Land verlassen. Gründe für die Ausweisung seien, dass er nicht erwerbstätig sei und nicht bei seinen Kindern lebe. Zahlreiche Politiker zeigten sich empört. »Mehr Duckmäusertum dieser Regierung vor Erdogan geht eigentlich nicht mehr«, sagte Linksparteichef Bernd Riexinger.
Am Montag ruderte die Ausländerbehörde dann überraschend zurück. Yigit dürfe demnach in Deutschland bleiben. Er erhalte eine Aufenthaltsgenehmigung aus humanitären Gründen, sagte ein Sprecher der Behörde. Die Abschiebeverfügung trete nicht in Kraft. Auswirkungen hatte die Debatte dennoch. Türkische Medien hetzten gegen den Journalisten, am Sonntag wurde er in einem türkischen Imbiss in Deutschland angegriffen. Yigit sorgt sicht: »Ich traue mich nicht mehr alleine auf die Straße.«