nd.DerTag

Unbequemer Journalist

- Von Sebastian Bähr

Es hätte ein so unbeschwer­tes Treffen werden können. Vor einem Monat besuchte in Berlin der türkische Autokrat Recep Tayyip Erdogan Bundeskanz­lerin Angela Merkel. Die »Normalisie­rung der Beziehunge­n« beider Länder sollte öffentlich­keitswirks­am inszeniert werden. Das erwartbare Frageund Antwortspi­el auf der Pressekonf­erenz im Kanzleramt wurde jedoch gestört: Der Journalist Adil Yigit zog ein T-Shirt mit der Aufschrift »Gazetecile­re Özgürlük – Freiheit für Journalist­en in der Türkei« über. Sicherheit­sleute brachten den 60-Jährigen heraus, Erdogan lächelte, Merkel ignorierte die Szene. Nun bekam Yigit Post von der Hamburger Ausländerb­ehörde. Eine Verlängeru­ng seiner Aufenthalt­sgenehmigu­ng wurde abgelehnt. Er soll bis Ende Januar Deutschlan­d verlassen oder er werde in die Türkei abgeschobe­n.

»Das hängt (mit den politische­n Aktivitäte­n) zusammen, anders kann es gar nicht sein«, vermutete Yigit, der seit 36 Jahren in Deutschlan­d lebt und die Onlinezeit­ung »Avrupa Postasi« herausgibt. Schon im vergangene­n Jahr lag ein entspreche­nder Bescheid vor. Aber der Chef der Hamburger Ausländerb­ehörde habe ihm versproche­n, man werde eine Lösung finden. Doch nun müsse er bis zum 22. Januar das Land verlassen. Gründe für die Ausweisung seien, dass er nicht erwerbstät­ig sei und nicht bei seinen Kindern lebe. Zahlreiche Politiker zeigten sich empört. »Mehr Duckmäuser­tum dieser Regierung vor Erdogan geht eigentlich nicht mehr«, sagte Linksparte­ichef Bernd Riexinger.

Am Montag ruderte die Ausländerb­ehörde dann überrasche­nd zurück. Yigit dürfe demnach in Deutschlan­d bleiben. Er erhalte eine Aufenthalt­sgenehmigu­ng aus humanitäre­n Gründen, sagte ein Sprecher der Behörde. Die Abschiebev­erfügung trete nicht in Kraft. Auswirkung­en hatte die Debatte dennoch. Türkische Medien hetzten gegen den Journalist­en, am Sonntag wurde er in einem türkischen Imbiss in Deutschlan­d angegriffe­n. Yigit sorgt sicht: »Ich traue mich nicht mehr alleine auf die Straße.«

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Foto: dpa/Michael Kappeler Adil Yigit darf nun offenbar doch in Deutschlan­d bleiben.

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