Fusionsdebatten lähmen die positiven Kräfte
Städte- und Gemeindebund fordert das Land Brandenburg auf, die Randgebiete zu stärken und die Berlin-Zentriertheit aufzugeben
Trotz weitreichender Verbesserung der Finanzausstattung für Brandenburgs Kommunen gibt es weiter viele Missstände. Die Kommunen fordern eine bessere Planung und mehr Konzepte für die Kommunen. Die Spitzenvertreter des Städte- und Gemeindebundes haben am Montag die rot-rote Landesregierung aufgefordert, sich in ihrer Planung »von der Berlin-Zentriertheit zu verabschieden«. Geschäftsführer Jens Graf forderte, die »Alexanderplatz-Perspektive« aufzugeben und in der Landesplanung die Vielseitigkeit und Differenziertheit anzuerkennen. Es ginge nicht an, dass die Großstadt Cottbus in der Landesplanung als »ländlicher Raum« aufgeführt werde. Die Vertreter präsentierten ihre Forderungen in Form eines Positionspapiers.
Zumindest indirekt hat der Präsident des Gemeindebundes, der Pots- damer Noch-Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD), der Landesregierung vorgeworfen, mit ihren Plänen zur Kreisreform die Stärkung radikaler Strömungen im Land begünstigt zu haben. Solches riskiere, wer den Rückzug der Politik aus der Fläche betreibe, so Jakobs.
Obwohl niemand mehr das Wort von der Gemeindereform in den Mund nimmt, fühlte sich Jakobs bemüßigt, vor einer solchen zu warnen. »30 Jahre nach der Wiedervereinigung ist es an der Zeit, die kommunalen Strukturen anzuerkennen und in ihren bestehenden Grenzen zu stärken«, sagte Jakobs. Fusionsdebatten, die in regelmäßigen Abständen angefacht würden, trügen dazu bei, positive Kräfte zu lähmen. »Solche Diskussionen brauchen wir nicht«, sagte Jakobs. Mit dem Landes-Entwicklungsplan zeigte sich Jakobs ebenfalls unzufrieden. »Er wird der Entwicklungsdynamik des Landes nicht gerecht«, sagte er.
Die Vertreter des Gemeindebundes legten eine Karte vor, wonach 20 bis 25 Prozent der kommunalen Haushalte nicht ausgeglichen seien. Auf Nachfrage räumte Jakobs ein, dass die Zuschläge, die das Land im August der kommunalen Ebene zugesichert hatte, in diese Darstellung noch keinen Eingang gefunden haben. Auf jeden Fall habe das Land damit einen Beitrag dazu geleistet, dass Kommunen auf ihren eigenen Beinen stehen könnten, gestand er zu. Wenn der Städte- und Gemeindebund seine Forderungen aufmache, dann tue er es im Hinblick auf die bevorstehende Landtagswahl.
Auf die Frage, warum sich das Land verantwortlich fühlen solle, wenn einzelne Kommunen schlecht wirtschaften, sagte Jakobs: Der Blick auf die Karte zeige, dass in Berlinnähe eine Ausgeglichenheit der Haushalte ausgeprägt sei, während es an den Landesrändern mitunter ganz anders aussehe. »Das ist kein Zufall. Im Süden oder Norden wohnen keine Schlawiner. Es sind einfach die schlechteren Ausgangsbedingungen.« Jann Jakobs, SPD-Oberbürgermeister von Potsdam
Jakobs, der bei der OB-Wahl in Potsdam nicht mehr angetreten war, will zum 27. November auch die Präsidentschaft im Städtebund niederlegen. Sein Nachfolger, der Bürger- meister von Wittenberge, Oliver Hermann, wies darauf hin, dass »einiges Positives passiert« sei. Wenn allerdings die Hälfte der Auspendler seiner Stadt in Richtung Hamburgführen, dann müsse die Landesregierung darauf reagieren und entsprechende Verkehrskonzepte entwickeln. Auf die Frage, weshalb er deshalb nicht Erwartungen gegenüber Hamburg formuliere, antwortete Hermann, dies geschehe bereits, es müssten da auch MecklenburgVorpommern und Niedersachsen einbezogen werden. Man benötige hier die Hilfe des Landes, um auf Augenhöhe mit den Behörden der genannten Bundesländer reden zu können. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) könne sich etwa für den zusätzlichen Halt eines Fernzuges einsetzen.
Strikt wandten sich die Vertreter gegen Bestrebungen, die Beiträge von Anliegern am Straßenbau und -ausbau abzuschaffen.
»30 Jahre nach der Wiedervereinigung ist es an der Zeit, die kommunalen Strukturen anzuerkennen und in ihren bestehenden Grenzen zu stärken.«