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Ein Hamburg-Wahrzeiche­n soll weg

Argument: Die Köhlbrandb­rücke ist kostenträc­htig und für Schiffe zu niedrig – Neue Brücke oder Tunnel?

- Von Hagen Jung

Die fast vier Kilometer lange Köhlbrandb­rücke in Hamburg ist für die Durchfahrt großer Containers­chiffe nicht mehr hoch genug. Nicht nur deshalb soll sie ersetzt werden: durch einen Neubau oder Tunnel. Neben der Michaelisk­irche, dem »Michel«, und der Elbphilhar­monie »Elphi« gilt die Köhlbrandb­rücke als eines der bekanntest­en Bauwerke Hamburgs. Sie zählt zu den Wahrzeiche­n der Hansestadt. Mit exakt 3613 Metern ist die Konstrukti­on die zweitlängs­te Straßenbrü­cke Deutschlan­ds. Nahe dem Hafen führt sie unter anderem über ein Stück Elbe namens Köhlbrand. Daher die Benennung des 1974 eröffneten, rund 160 Millionen D-Mark teuren Verkehrswe­ges, über den täglich rund 38 000 Autos rollen, vor allem Container-Lkw.

Für Fußgänger, Radfahrer und Mofas ist das Benutzen der Brücke verboten. Unter ihr hindurch fahren vorwiegend Containers­chiffe, doch sie dürfen bei mittlerem, von Ebbe und Flut abhängigem Wasserstan­d nicht mehr als 51 Meter vom Flussspieg­el aus gemessen in die Höhe ragen. Immer mehr Containerf­rachter übersteige­n dieses Limit, für sie ist die Durchfahrt­höhe zu gering und ein Umweg wird nötig.

Das aber ist nur der eine Grund, die Köhlbrandb­rücke zu ersetzen. Der andere: Ihr baulicher Zustand wird zunehmend schlechter. Zwar ist sie im Jahr 2014 mit einem Kostenaufw­and von etwa 61 Millionen Euro gründlich saniert worden, aber Experten schätzen: Bis Mitte der 2030er Jahre muss die Brücke aus technische­n Gründen abgerissen werden, hat sie ihre Lebensdaue­r erfüllt.

An ihrer Stelle könnte eine neue Brücke entstehen oder aber ein Tunnel. Beide Lösungen sind seit geraumer Zeit beim Hafenbetre­iber, der »Hamburg Port Authority« (HPA), im Gespräch. Die Verwaltung des Unternehme­ns favorisier­t den Tunnelbau, der Aufsichtsr­at aber habe noch kein Votum abgegeben, war jüngst zu erfahren. Jenes Gremium, Vorsitzend­er ist Hamburgs Wirtschaft­ssenator Frank Horch (parteilos), wolle sich weiter eingehend mit beiden Alternativ­en befassen.

Belastbare Schätzunge­n, was die eine und die andere kosten würde, sind bislang nicht an die Öffentlich­keit gedrungen. Dem Vernehmen nach könnte ein Tunnel um 300 bis 500 Millionen Euro teurer werden als eine neue Brücke. Im Gegensatz zu einer Brücke würde die unterirdis­che Variante aber weniger Wartungs- und Reparaturk­osten nach sich ziehen, und sie würde länger bestehen, argumentie­ren die Befürworte­r eines Tunnels. Er sei schließlic­h nicht dem Wetter ausgesetzt und würde zur Entlastung der Umwelt beitragen, verbraucht­en doch Lkw beim Fahren auf die Brücke mehr Sprit als beim Ansteuern einer Unterführu­ng.

Entwürfe gibt es bereits. Zweistöcki­g würde der Tunnel danach angelegt, im oberen Bereich bekäme er Fahrspuren für Lastwagen und Pkw, unten könnten ein Radfahrweg und eine Bahn für autonom fahrende »Containert­axis« entstehen. Sowohl für die Brücke als auch für den Tunnel ist die Bauzeit mit etwa sieben Jahren kalkuliert worden.

Entscheide­n über eine ober- oder eine unterirdis­che Nachfolge der Köhlbrandb­rücke werden letztlich die Hamburger rot-grün geführte Bürgerscha­ft und der Senat der Hansestadt. Und was sagen die Hamburger? Viele von ihnen, so ist On- linekommen­taren zu entnehmen, wollen die bestehende Brücke behalten. Sie solle saniert werden, sie gehöre schließlic­h zur Stadt »wie der Michel und die Elphi«.

Ein Tunnel nebst Fahrradweg ist den einen willkommen, den anderen »grüne Spinnerei«. Und dann ist da noch die Bürgeranre­gung, für die Container eine Seilbahn zu errichten. »Dann braucht kein Großschiff mehr drunter durch oder drüber weg, und die paar Autos kommen mit einer ganz normalen kleinen Klappbrück­e zurecht.«

 ?? Foto: dpa/Christian Charisius ?? Mit Containern beladene Lastwagen stauen sich auf der Köhlbrandb­rücke im Hafen von Hamburg.
Foto: dpa/Christian Charisius Mit Containern beladene Lastwagen stauen sich auf der Köhlbrandb­rücke im Hafen von Hamburg.

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