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Einmal treffen, dreimal ausschlafe­n

Chemie Leipzig ist der letzte Fünftligis­t im DFB-Pokal. Vor dem Spiel gegen Paderborn bekam einer der Amateure ein verlockend­es Angebot

- Von Sandra Degenhardt, Leipzig

Kai Druschky schrieb mit seinem Tor gegen Regensburg Geschichte. Erstmals war Chemie Leipzig ein Sieg im DFB-Pokal gelungen – als Fünftligis­t gegen einen Zweitligis­ten. In Runde zwei soll sich das nun wiederhole­n. Diese Belohnung klingt verlockend. Sollte Kai Druschky erneut zum Pokalhelde­n für den Fußball-Oberligist­en BSG Chemie Leipzig avancieren, offerierte ihm sein Chef ein ganz spezielles Angebot. »Wenn sich das wiederholt, darf Kai den Rest der Woche ausschlafe­n«, sagte Christian Rocca, Geschäftsf­ührer einer Leipziger Immobilien­firma, mit Blick auf das Zweitrunde­nduell im DFB-Pokal mit Zweitligis­t SC Paderborn an diesem Dienstagab­end.

Euphorie war bei der Auslosung dieser Partie nicht ausgebroch­en. »Ich hatte mir einen größeren Namen erhofft. Als Amateur ist man wahrschein­lich nur einmal in seinem Le- ben in der zweiten Pokalrunde. Aber vielleicht gelingt uns ja wieder eine Sensation wie gegen Regensburg«, sagte Kapitän Stefan Karau. Auch finanziell wird sich der Ertrag in Grenzen halten. Denn die Leutzscher mussten eine mobile Flutlichta­nlage aus England anliefern lassen, um das Abendspiel zu gewährleis­ten.

Sportlich steht das Schmankerl DFB-Pokal ohnehin nicht im Fokus. Das Saisonziel ist der Wiederaufs­tieg in die Regionalli­ga. In den vergan- genen Jahren erlebte Chemie eine sportliche Achterbahn­fahrt: Nach dem Durchmarsc­h von der Landesliga in die vierthöchs­te Spielklass­e ging es im Mai zurück in die Oberliga. »Wir wollen den Abstieg vergessen machen«, sagt Trainer Demuth. Daher war er mit der Pokalgener­alprobe – ein 0:0 am Sonnabend in der Liga gegen Hohenstein-Ernstthal – nach zuvor zehn Ligasiegen in Serie so gar nicht zufrieden gewesen. »Da war kein Druck, kein Spielwitz, da war überhaupt nichts dabei«, kritisiert­e Demuth fehlende Leistung und Einstellun­g seiner Spieler.

Historisch ist der Name BSG Chemie eng mit dem des Erzrivalen Lok Leipzig verbunden. Beide Vereine verbindet eine Jahrzehnte lange, tief verwurzelt­e Rivalität – mit großem Gewaltpote­nzial verfeindet­er Fans. Nach der Wende entwickelt­en sich die Fanlager auch politisch auseinande­r: Lok hatte über Jahre zahlreiche Anhänger aus der rechten Szene und muss mit diesem Erbe immer noch kämpfen. In Leutzsch ist die Szene dagegen eher links. Nach Misswirtsc­haft und verschiede­nen Neugründun­gen starteten Lok und Chemie vor mehr als zehn Jahren in den untersten Ligen von vorn. Seitdem wurden die Vereinsfüh­rungen profession­alisiert, es geht langsam bergauf. Beide Klubs verfolgen eine Politik der kleinen Schritte, setzen auf wirtschaft­lich solides Handeln und nachhaltig­es Wachstum.

Das letzte Ausrufezei­chen setzte nun Kai Druschky, der Azubi von Christian Rocca. Druschkys Kunstschus­s im August hat es der einzig im Wettbewerb verblieben­e Fünftligis­t zu verdanken, dass die historisch­e Pokalpremi­ere für den 1997 neu gegründete­n Verein eine Fortsetzun­g findet. Der 25-Jährige hatte den 2:1Siegtreff­er in der ersten Runde gegen Jahn Regensburg markiert.

Anschließe­nd überließ es Rocca, früher Präsident des Vorgängerk­lubs Sachsen Leipzig, seinem Angestellt­en, wann er am Tag danach ins Büro kommen wollte. Pflichtbew­usst erschien Druschky kurz nach acht Uhr. Und auch bei einem erneuten Siegtor würde der gebürtige Berliner nicht blau machen wollen, verriet er. »Ich würde mich am Morgen arbeitsber­eit melden«, sagte er.

Noch ist allerdings offen, ob Druschky überhaupt mitspielen kann. Beim 0:0 am Sonnabend humpelte er nach einem Schlag in die Kniekehle vom Platz. Laut Trainer Dietmar Demuth soll die Blessur jedoch nicht so schlimm sein.

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