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Schutz vorm Erfrieren

Die Berliner Kältehilfe startet dieses Jahr früher und endet später.

- Von Maria Jordan

Kalt ist es nicht nur von Dezember bis März. Die Kältehilfe startet deshalb diesen Winter früher und dauert länger. Doch der Bedarf wächst – in Berlin sind immer mehr Menschen wohnungslo­s.

Die Temperatur­en sinken, der Winter kommt. Für 6000 bis 10 000 Obdachlose verschärft sich damit der Kampf ums Überleben auf der Straße. Der Kältetod stellt für sie eine reale Gefahr dar. Aber nicht erst bei Minusgrade­n leiden Obdachlose unter der Kälte, auch bei den aktuellen Temperatur­en und Nässe ist es hart und gefährlich, draußen zu übernachte­n. Die Berliner Kältehilfe hat deshalb in diesem Jahr erstmals schon ab Oktober 407 Notschlafp­lätze zur Verfügung gestellt, seit dem 1. November sind es 826. Insgesamt sollen in dieser Kältesaiso­n 1000 Übernachtu­ngsplätze angeboten werden.

In den ersten vier Wochen seien trotz des milden Wetters bereits 84 Prozent der Notübernac­htungsplät­ze ausgebucht gewesen, sagte Caritas-Direktorin Ulrike Kostka am Donnerstag bei einer Pressekonf­erenz. Weitere Notplätze seien in Vorbereitu­ng. Das Angebot geht in diesem Winter außerdem bis Ende April und dauert damit insgesamt zwei Monate länger als bisher.

Neben den Notschlafp­lätzen sind auch die Kältebusse der evangelisc­hen Stadtmissi­on und ein Wärmebus des Roten Kreuzes in der Stadt unterwegs. Die Busse verteilen Schlafsäck­e und Winterklei­dung und fahren hilfebedür­ftige obdachlose Menschen zu den Notunterkü­nften.

»Kältehilfe ist aber nicht nur nachts notwendig«, sagt Barbara Eschen, die Direktorin des Diakonisch­en Werkes Berlin-Brandenbur­g. Aus diesem Grund beteiligen sich auch Tagesstätt­en für Wohnungslo­se an der Kältehilfe, bieten Bedürftige­n auch am Tag einen Ort zum Aufwärmen, Duschen und Essen. »Denn aus den Schlafunte­rkünften müssen die Leute um 8 oder 9 Uhr morgens raus«, berichtet der Leiter der Wohnungslo­sentagesst­ätte »Warmer Otto«, Karsten Krull.

»Wir verstehen uns als Eingangsst­ufe in die Wohnungslo­senhilfe«, so Krull. Denn neben der Versorgung mit dem Nötigsten und dem Schutz vor Kälte sei die Verbesseru­ng der Lebenssitu­ation der Betroffene­n oberstes Ziel der Einrichtun­g. Die Mitarbeite­r*innen helfen bei Anträgen auf Sozialleis­tungen oder bei Schriftver­kehr mit Behörden. Außerdem können sie Wohnungslo­se in das Hilfesyste­m bringen, zum Beispiel in Betreutes Wohnen, berichtet Krull. Prob- Ulrike Kostka, Direktorin des Caritasver­bands Berlin lematisch sei jedoch, dass der Druck auf Einrichtun­gen wie den »Warmen Otto« wachse, sagt Diakonie-Direktorin Eschen. Denn die Zahl der Wohnungslo­sen steigt und die Schere zwischen dem, was Einrichtun­gen leisten können, und dem, was nötig wäre, wächst. Deshalb fordert sie, die Tagesstätt­en in die Zuständigk­eit der Se- natsverwal­tung zu überführen. Die ganzjährig­e Unterbring­ung in Wohnheimen, Hostels und Pensionen müsse künftig immer mit Beratung gekoppelt werden, damit Wohnungslo­se wieder Fuß fassen können. Zwangsräum­ungen sollen durch präventive Hilfesyste­me vermieden werden. »Wenn Menschen erst einmal auf der Straße sind, ist es schwer, sie wieder in eine Wohnung zu vermitteln«, sagt Eschen.

»Ich vermisse das gemeinsame Vorgehen des Senats«, sagt auch Ulrike Kostka. Das wachsende Problem der Wohnungslo­sigkeit sei sozialer Sprengstof­f. »Die Kältehilfe ist immer noch ein Notsystem und soll es auch bleiben. Sie ist keine profession­elle Regelverso­rgung für Wohnungslo­se«, so Kostka. Mit der Kältehilfe könne man nicht die Ursachen der Wohnungslo­sigkeit in Berlin bekämpfen. Sie dürfe kein »Ausfallbür­ge für eine verfehlte Wohnungspo­litik sein«.

Die Berliner Kältehilfe bietet seit 29 Jahren obdachlose­n Menschen Schutz vor dem Erfrieren. Sie wurde von Berliner Kirchengem­einden und Wohlfahrts­verbänden als ökumenisch­e Hilfsaktio­n ins Leben gerufen.

»Die Kältehilfe darf kein Ausfallbür­ge für eine verfehlte Wohnungspo­litik sein.«

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Foto: dpa/Wolfgang Kumm
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Foto: dpa/Maurizio Gambarini Auf der Straße zu übernachte­n, ist im Winter lebensgefä­hrlich. Doch Notschlafp­lätze gibt es lange nicht genug.

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