Ein Weckruf an die Weltöffentlichkeit
Zentralrat der Palästinensischen Befreiungsorganisation will Israel die Anerkennung als Staat entziehen
Weil es im Nahost-Friedensprozess nicht vorangeht, hat der Zentralrat der PLO die Aufkündigung der Abkommen mit Israel empfohlen. Ob das allerdings tatsächlich passieren wird, ist unklar. Im Westjordanland feierten Siedler die Eröffnung einer neuen Schule; die Zahl der Israelis in den besetzten Gebieten sei im Laufe des vergangenen Jahres so stark gewachsen, »dass wir mit dem Bau der notwendigen Infrastruktur nur noch mit großer Mühe nachkommen«, heißt es in einer Pressemitteilung der einflussreichen Lobby-Organisation Jescha. Ihre Vertreter sind als Abgeordnete Teil der Koalition, schreiben als Minister Gesetzgebung mit.
»Wir Palästinenser haben dem kaum noch etwas entgegenzusetzen«, sagt Saeb Erekat gegenüber nd. Er ist offiziell der palästinensische Chefunterhändler, doch gebraucht wurde er schon seit Jahren nicht mehr: Friedensgespräche zwischen der israelischen und der palästinensischen Seite hat es schon seit Jahren nicht mehr gegeben: »Es wird viel
uns gesprochen, aber nicht uns«, so Erekat.
Nun will der Zentralrat der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) den Druck auf Israel und die Internationale Gemeinschaft verstär- ken: In einer Sitzung zu Wochenbeginn empfahl das Gremium, Israel die Anerkennung als Staat zu entziehen, bis man dort Palästina mit der ehemaligen Waffenstillstandslinie zwischen Israel und Jordanien von 1949 und Ost-Jerusalem als Hauptstadt anerkennt. Außerdem fordert der Zentralrat die Kündigung der Osloer Verträge aus den 90er Jahren, der Sicherheitskooperation mit israelischen Behörden sowie des Pariser Protokolls. Dabei handelt es sich um ein Abkommen, in dem die wirtschaftliche und steuerliche Zusammenarbeit geregelt ist. Kernpunkt: Israel erhebt auf Ein- und Ausfuhren, die für die palästinensischen Gebiete bestimmt sind, Steuern und Zölle, und überweist diese dann an die palästinensische Regierung. In der Praxis werden diese Zahlungen allerdings von israelischen Regierungen immer wieder zurückgehalten, um Druck auszuüben.
Israels Regierung reagierte »mit einem müden Lächeln«, so ein Sprecher von Regierungschef Benjamin Netanjahu, auf den Beschluss. Mehrmals schon waren im Zentralrat ähnliche Entscheidungen gefallen, ohne dass diese je umgesetzt wurden. Denn das Gremium kann in Fragen, die das Verhältnis zu Israel betreffen, nur Empfehlungen abgeben; die eigentlichen Entscheidungen werden im Exekutivkomitee und von Präsident Mahmud Abbas getroffen.
Und ob man dort der Empfehlung folgen wird, ist völlig offen: Zwar ist nun auch der Zentralrat überwiegend mit Abbas-Gefolgsleuten besetzt, seit der PLO-Nationalrat, eine Art Parlament, im Frühjahr zum ersten Mal seit 22 Jahren zu einer ordentlichen Sitzung zusammengekommen war, um Posten neu zu ver- geben. Doch ob und wie ein solcher Beschluss umgesetzt werden könnte, ist offen: Israels Regierung kontrolliert sämtliche Grenzübergänge in die palästinensischen Gebiete, mit Ausnahme des Übergangs Rafah zwischen dem Gazastreifen und Ägypten. Man werde wie bisher Zölle und Steuern erheben, teilte Israels Regierung mit. Und sollten die Palästinenser die Sicherheitskooperation beenden, würden Israels Sicherheitsdienste eben wieder verstärkt auch in palästinensischen Kommunen tätig.
Erekat will die Empfehlung indes als »Weckruf« verstanden wissen: Die palästinensische Regierung fühlt sich schon seit Langem von der internationalen Gemeinschaft, aber auch vielen arabischen Staaten ignoriert; »wir spüren sehr deutlich, dass die Palästina-Frage nicht mehr den Stellenwert hat, den sie einmal hatte, und das muss sich wieder ändern.«
Doch danach sieht es derzeit nicht aus. Vor allem auf der Arabischen Halbinsel bauen immer mehr Staaten semi-offizielle Beziehungen zu Israel auf, die man dann nach außen hin stets mit dem Hinweis versieht, vor der Aufnahme von vollen diplomatischen Beziehungen müsse erst einmal die Palästina-Frage geklärt werden. Doch Präsident Abbas beklagte sich mehrmals, dass es nun vor allem die Palästinenser sind, auf die Druck gemacht wird. So wurde Abbas bei einem Besuch in Saudi-Arabien von Kronprinz Mohammad bin Salman dazu aufgefordert, den Friedensplan von US-Präsident Donald Trump zu akzeptieren; das Besondere: Bislang wurde der Plan nicht veröffentlicht, obschon wohl den Regierungen Israels und Ägyptens Teile davon zur Einsicht vorgelegt wurden. In Palästina indes betont man, man könne zwar auf Grund der Nähe Trumps zu Netanjahu vermuten, was im TrumpPlan drin steht – doch gesehen habe man, so Erekat, »noch kein Wort davon: Die Sorge, dass wir dazu gezwungen werden sollen, das Projekt eines palästinensischen Staates aufzugeben, ist groß.«
»Es wird viel über uns gesprochen, aber nicht mit uns.« Saeb Erekat, palästinensischer Chefunterhändler, gegenüber »nd«