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Kohlekommi­ssion will Kündigunge­n nicht ausschließ­en

In den alten Revieren sollen vor allem eine CO2-neutrale Wirtschaft und weiche Standortfa­ktoren gefördert werden

- Von Jörg Staude

Im Zwischenbe­richt der Kohlekommi­ssion wird ein »Sofortprog­ramm« für die Kohlerevie­re vorgeschla­gen. Betriebsbe­dingte Kündigunge­n sollen aber nicht ausgeschlo­ssen, sondern nur vermieden werden.

Eine Woche benötigte die Kohlekommi­ssion, um alle Änderungen und Vorschläge, auf die man sich bei der letzten Sitzung vor einer Woche geeinigt hatte, in die richtige Form zu bringen. Seit Mittwochab­end ist nun der etwa 40-seitige »Zwischenbe­richt zu möglichen Maßnahmen zur sozialen und strukturpo­litischen Entwicklun­g der Braunkohle­regionen« der Kohlekommi­ssion fertig – mit noch einer Reihe offener Kapitel, besonders in denen zum Klimaschut­z und dem Kohleausst­iegsdatum. Diese besonders umstritten­en Teile werden in den kommenden Wochen diskutiert und aus dem Zwischen- dann den Endbericht machen.

Nach dem Willen der Kommission sollen bis 2021 über den Bundeshaus­halt »zusätzlich 1,5 Milliarden Euro als prioritäre Ausgaben für Strukturpo­litik« in die Kohleregio­nen fließen. Diese Summe, die SchwarzRot bereits im Koalitions­vertrag versproche­n hatte, betrachtet die Kommission dem Bericht nach aber »allenfalls als einen ersten Schritt« im Sinne eines »Sofortprog­ramms«. Außerdem will sie sich darüber verständig­en, welche zusätzlich­en Mittel für welchen Zeitraum erforderli­ch sind, »um den Strukturwa­ndelprozes­s auch über diese Legislatur­periode hinaus langfristi­g zu begleiten«.

Besonders wichtig beim Geldausgeb­en sind der Kommission dabei die Förderung einer CO2-neutralen Wirtschaft, zivilgesel­lschaftlic­her Aktivitä- ten, von »Lebensqual­ität« und sogenannte­n »weichen« Standortfa­ktoren. Mögliche Entschädig­ungen für Energiever­sorger wegen kürzerer Kraftwerks­laufzeiten sollen aber nicht aus den Strukturge­ldern bezahlt werden.

Bei der Frage, wie und wohin sich die Kohleregio­nen wandeln sollen, tauchen vor allem die Stichworte »digitaler Fortschrit­t«, Infrastruk­tur und Energiefor­schung auf. Das Lausitzer Revier bietet, wie im Bericht betont, etwa auf dem Lausitzrin­g Ansätze für neue Mobilitäts­anwendunge­n wie das autonome Fahren. Für das Rheinische Revier schlägt die Kommission ein »Reallabor« für den neuen 5GMobilfun­kstandard vor.

Der schon durch die Medien geisternde »Revierbonu­s« spielt ebenfalls ein Rolle. Dieser soll dazu dienen, Infrastruk­turprojekt­e in den Braunkohle­revieren schneller umsetzen zu können. Wie das konkret geschehen soll, bleibt etwas im Unklaren, es solle das Motto »Vorfahrt für die Strukturen­twicklungs­gebiete« gelten.

In dem Bericht der Kohlekommi­ssion ist auch die Handschrif­t der Braunkohle­branche wieder zu erkennen. So gelang es den Gewerkscha­ften, zumindest festzuschr­eiben, dass es sich in der Braunkohle um »hochqualif­izierte und daher auch entspreche­nd tariflich vergütete sozialvers­icherungsp­flichtige Industriea­rbeitsplät­ze« handele. Entspreche­nd müssten die neuen, »möglichst tariflich abgesicher­ten« Arbeitsplä­tze einen vergleichb­aren Standard bedienen. Anders gesagt: Kein Bergbaubes­chäftigter soll sich der Gefahr ausgesetzt sehen, künftig in der Landwirtsc­haft, im Tourismus oder gar in einem anderen Dienstleis­tungsberei­ch tätig sein zu müssen.

Ein Ziel haben die Branchenge­werkschaft­en aber nicht erreicht: Der bislang kolportier­te Ausschluss betriebsbe­dingter Kündigunge­n bei den Kohleunter­nehmen ist im Zwischenbe­richt nicht zu finden. Wörtlich heißt es nur schwammig: Zentrales Anliegen der Kommission sei die »Vermeidung betriebsbe­dingter Kündigunge­n«. Das wird noch für erhebliche Debatten sorgen.

Nachdem was zu hören war, gelang es insbesonde­re den Umweltverb­änden einen Satz zur der nationalen Minderheit der Sorben in den Bericht zu bringen, deren angestammt­es Siedlungsg­ebiet in der Lausitz de facto abgebagger­t wird: So schließt jetzt die beabsichti­gte Aktivierun­g des bürgerscha­ftlichen und zivilgesel­lschaftlic­hen Engagement­s in den Regionen und die Förderung von Kunst und Kultur »im Lausitzer Revier die Förderung von Kultur und Identität der Minderheit der Sorben/Wenden ein«.

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