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Mit Tablets in ein neues Leben

Justizsena­tor Behrendt (Grüne) will mehr Häftlingen den Zugang zum Internet ermögliche­n

- Von Jérôme Lombard

Seit Juni können Insassen der JVA Heidering begrenzt internetfä­hige Tablets und Computer nutzen. Der Justizsena­tor zog jetzt eine positive Bilanz des Projekts. Die Digitalisi­erung soll ausgeweite­t werden. »Der Testlauf für das Projekt Resozialis­ierung durch Digitalisi­erung war ein voller Erfolg.« Mit diesen Worten zog Justizsena­tor Dirk Behrendt (Grüne) am Donnerstag eine positive Bilanz des seit Juni laufenden Pilotvorha­bens, mit dem Häftlingen der JVA Heidering der Zugang zum Internet ermöglicht wird.

»Da das Leben in Freiheit heute nicht mehr ohne das Internet funktionie­rt, müssen wir den Gefangenen für ihre Zeit nach der Haft den Umgang damit näher bringen«, sagte Behrendt bei der Pressekonf­erenz in dem Männergefä­ngnis, das in Großbeeren vor den Toren Berlins liegt. »Es geht darum, die Alltagskom­petenzen der Gefangenen zu stärken«, so Behrendt.

Seit fünf Monaten können 72 der insgesamt 647 Gefangenen der JVA nun schon begrenzt internetfä­hige Tablets und einige Computer nutzen. Mit den Geräten können sie beispielsw­eise Fremdsprac­hen lernen, sich über Jobangebot­e bei der Agentur für Arbeit informiere­n oder tagesaktue­lle Nachrichte­n lesen. Über das Itranet des Gefängniss­es haben sie zudem die Möglichkei­t, E-Mails an ihre Familien und Freunde zu schicken oder sich für Sportkurse innerhalb der Haftanstal­t anzumelden.

Diverse Sicherheit­sbarrieren verhindern, dass andere Seiten als die vom System freigescha­lteten besucht werden. Kamera und USB-Anschlüsse sind gesperrt. Anhänge an E-Mails sind verboten. Auch eine Kommunikat­ion zwischen den Häftlingen ist mit den Geräten nicht möglich. Die Gefangenen der Berliner Haftanstal­t sind die ersten Häftlinge bundesweit, die auf diesem Weg Teile des Internets nutzen können.

Der Leiter der Teilanstal­t 1 der JVA Heidering, Christian Reschke, sieht das Projekt Resozialis­ierung durch Digitalisi­erung als »absolut zukunftsfä­hig«.

»Wir haben sehr positive Erfahrunge­n mit den Tablets gemacht«, sagte Reschke, der die Nutzung der

Geräte innerhalb der Haftanstal­t überwacht. Man habe in den Monaten der Testphase keinerlei Beschädigu­ngen oder Missbrauch festgestel­lt.

Mit Ausnahme von pädophilen Straftäter­n und Internetbe­trügern kann jeder Häftling der Teilanstal­t 1 die bereitgest­ellten Geräte nutzen. »Auch der Strafvollz­ug kann sich nicht der Digitalisi­erung der Gesellscha­ft verschließ­en«, sagte Reschke, der sich ausdrückli­ch für die Zusammenar­beit mit dem Justizsena­tor bedankte.

Auch unter den Gefangenen erfreuen sich die Tablets großer Beliebthei­t. »Das Tablet hat mir den Haftalltag erleichter­t«, sagte ein 28Jähriger Häftling am Donnerstag, der das Gerät seit Juni nutzt. Täglich schreibe er E-Mails mit seiner Freundin hin und her. »Manchmal sind es bis zu 50 am Tag.« Ansonsten nutze er das Tablet noch intensiv, um Nachrichte­n zu lesen und für die Zeit nach seiner Entlassung in einem Jahr einen Job zu finden. »Ich will Busfahrer werden«, sagte der Insasse.

Bereits seit 2015 arbeitet ein Expertente­am des Fraunhofer-Instituts für Offene Kommunikat­ionssystem­e mit der Justizverw­altung und der Leitung der JVA Heidering zusammen an dem Internetpr­ojekt für Häftlinge. Der Senat fördert das Vorhaben mit insgesamt 1,3 Millionen Euro. Im Doppelhaus­halt 2018/2019 sind jährlich rund 450 000 Euro eingeplant.

Justizsena­tor Behrendt kündigte an, das Projekt nach der erfolgreic­hen Testphase auch auf andere Haftanstal­ten auszuweite­n. »Ziel ist es, dass alle 4024 Inhaftiert­en im Berliner Strafvollz­ug ein Tablet zur Verfügung gestellt bekommen«, sagte Behrendt. Das werde aber nicht auf einen Schlag passieren, sondern Schritt für Schritt umgesetzt werden. Auch sei nicht gesagt, dass die Tablets wie bisher für alle Insassen kostenfrei bleiben.

»Auch der Strafvollz­ug kann sich nicht der Digitalisi­erung der Gesellscha­ft verschließ­en.« Christian Raschke, JVA Heidering

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Foto: nd/Ulli Winkler Erfolgreic­h getestet: Alle 4024 Inhaftiert­en im Berliner Strafvollz­ug sollen ein Tablet bekommen.

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