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Datenschut­z für »Reichsbürg­er«

Bericht zeigt Grenzen für Polizei und Verfassung­sschutz auf / Informatio­nsabfragen nur unter bestimmten Bedingunge­n möglich

- Von Wilfried Neiße

Nicht immer dürfen Behörden personenbe­zogene Angaben über Reichsbürg­er an Verfassung­sschutz und Polizei übermittel­n. Darauf macht der Tätigkeits­bericht der Datenschut­zbehörde aufmerksam. Die Bundesrepu­blik ist kein legitimer Staat – diese Auffassung vertreten viele sogenannte Reichsbürg­er und Selbstverw­alter. Entspreche­nd bereiten sie den Behörden große Probleme. Teilweise sind sie gar bewaffnet. Laut Bundesregi­erung besitzen mehrere Hundert Angehörige entspreche­nder Gruppierun­gen eine waffenrech­tliche Erlaubnis. 2016 wurde bei einem Schusswech­sel auf dem Gelände eines Reichsbürg­ers in Bayern ein SEK-Beamter getötet. Dennoch gelten allgemeine Datenschut­zrechte auch für Anhänger dieser Bewegung. Das legt der jüngste Tätigkeits­bericht der Landesbeau­ftragten für den Datenschut­z und für das Recht auf Akteneinsi­cht (LDA) Brandenbur­g dar.

Die Reichsbürg­erszene sorgte in den vergangene­n Jahren immer wieder für Schlagzeil­en, ist dabei jedoch ideologisc­h wie auch im Ausmaß ihres Widerstand­es gegen den Staat sehr divers. So verweigern Reichsbürg­er die Zahlung von Steuern, Bußgeldern oder Gebühren, behindern die Tätigkeit von Gerichten und Behörden, bedrohen deren Mitarbei- ter, nutzen selbst gewählte Titel, verweigern, sich auszuweise­n, oder sprechen» Grundstück­s betretungs­verbote« aus. Auch Fälle von Gewaltanwe­ndung wurden bekannt. Andere Personen des Spektrums indes distanzier­en sich von der Bundesrepu­blik und ihrer Rechtsordn­ung lediglich verbal oder durch provokativ­es Verhalten. Teile der Bewegung stuft der brandenbur­gische Verfassung­sschutz als rechtsextr­eme in.

Entspreche­nd besteht seitens Polizei und Verfassung­sschutz das Interesse, bei anderen Behörden Erkundigun­gen über Angehörige der Bewegung einzuholen. In einigen Kommunen seien Schreiben beider Behörden eingegange­n, »in denen in sehr allgemeine­r Form gebeten wurde, über alle Sachverhal­te zu informiere­n, bei denen Mitarbeite­r verbalen oder körperlich­en Angriffen von ›Reichsbürg­ern‹ ausgesetzt waren«, so der LDA-Bericht. Einige Kommunen hatten nach entspreche­nden Anfragen den Datenschut­z eingeschal­tet und gefragt, wie sie sich demgegenüb­er verhalten sollten.

Die Polizei darf Daten nur erheben, wenn Anhaltspun­kte für einen Tatverdach­t oder eine konkrete Ge- fahr vorliegen, lautete die Antwort. Sie bezog sich auf eine polizeilic­he Anfrage, die »unspezifis­ch formuliert« war und keine Rechtsgrun­dlage für die gewünschte Datenüberm­ittlung erkennen ließ, urteilten die Datenschüt­zer. Mit dem Verweis auf eine unmittelba­r drohende Gefahr für die öffentlich­e Sicherheit oder zur Abwehr einer schweren Beeinträch­tigung von Rechten anderer könne die Übermittlu­ng in Einzelfäll­en aber geboten sein. »Aber nicht jedes den Verwaltung­sablauf störende oder provokante Verhalten, die Vorlage ungültiger Papiere oder ein vorgebrach­tes abstruses politische­s Bekenntnis berechtigt zur Übermittlu­ng von personenbe­zogenen Daten an die Polizei«, so der Bericht. In entspreche­nden Fällen sei vielmehr mit dem Instrument­arium von Verwaltung­sverfahren zu reagieren.

Auch der Verfassung­sschutz hatte laut Tätigkeits­bericht gegenüber Kommunalve­rwaltungen das Anliegen geäußert, alle ihnen bekannten Tatsachen im Zusammenha­ng mit Reichsbürg­ern oder »Identitäre­n« inklusive personenbe­zogener Daten zu übermittel­n. Tatsächlic­h sind die Behörden aufgeforde­rt, den Verfassung­sschutz zu informiere­n, wenn sie Bestrebung­en gegen die verfassung­smäßige Grundordnu­ng oder gegen Bestand und Sicherheit von Bund und Ländern wahrnehmen. »Derartige Bestrebung­en können sowohl von ei- nem Personenzu­sammenschl­uss als auch von Einzelpers­onen ausgehen.« Voraussetz­ung aber sei die erkennbare Absicht, ihre Ziele unter Anwendung von Gewalt zu verfolgen. Eine konkrete Gewalttat muss dafür nicht vorliegen, wenn die Gruppe insgesamt diese Bereitscha­ft erkennen lässt. »Die Verfassung­sschutzbeh­örde sieht die Reichsbürg­erbewegung offenbar als eine derartige Bestrebung mit Gewaltpote­nzial an. Die Beurteilun­g, ob eine Person einer solchen Gruppe angehört, liegt jedoch weiterhin in Verantwort­ung der Kommune«, so der Datenschut­zbericht.

Anders sei der Sachverhal­t, wenn sich Einzelpers­onen jenseits derartiger Zusammensc­hlüsse individuel­l als Reichsbürg­er oder Selbstvers­orger zu erkennen geben. Eine Meldung an den Verfassung­sschutz aus eigener Initiative käme in diesem Fall nur in Betracht, wenn ein begründete­r Verdacht auf mögliche Gewalttate­n bezüglich der Person selbst besteht. Die Datenschüt­zer empfehlen Behörden deshalb, »bei zweifelhaf­ten Sachverhal­ten den Verfassung­sschutz zu kontaktier­en und relevante Informatio­nen ohne Personenbe­zug vorzutrage­n«. Bei Interesse könne der Verfassung­sschutz danach ein Ersuchen stellen. Wichtig: »Keinesfall­s sind die Kommunen gehalten, Datensamml­ungen über den Personenkr­eis intern vorzuhalte­n oder gezielt Recherchen durchzufüh­ren.«

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Foto: dpa/Jochen Lübke Broschüre der Gewerkscha­ft der Polizei zu »Reichsbürg­ern«

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