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Nicht nur die »Rache der Dörfer«

Forscher untersuche­n Rechtspopu­lismus in den Großstädte­n – und was dagegen hilft

- Von Hendrik Lasch, Leipzig

Auch in Großstädte­n finden Rechtspopu­listen immer mehr Zuspruch. Bei einer Konferenz in Leipzig soll jetzt über Gründe wie über Gegenstrat­egien gesprochen werden.

Das Einfallsto­r für Rechtspopu­lismus kann auch ein Garagenhof sein. Ein solches Areal sollte in Leipzig einer Schule weichen, was die Stadt den Pächtern mitteilte. Die erhielten daraufhin Unterstütz­ung von der AfD, die »echte« Bürgerbete­iligung forderte und Unmut gegen Politik und Verwaltung schürte.

Rechtspopu­lismus gilt weithin als ländliches Phänomen. In der Tat liegen Bastionen von Donald Trump wie der AfD außerhalb der Städte: in Regionen, die wirtschaft­lich abgehängt sind, wo Infrastruk­tur abgebaut wird und Junge sowie Frauen abwandern. Viele verblieben­e Bewohner wählen rechts; von der »Rache der Dörfer« spricht Wolfgang Kaschuba, Kulturwiss­enschaftle­r aus Berlin. Städte gelten derweil als Orte von Heterogeni­tät, Anonymität und Toleranz.

Doch die simple Stadt-Land-Unterschei­dung sei »überholt«, sagt der Jenaer Soziologe Peter Bescherer. Er arbeitet im Forschungs­projekt »Populismus, Demokratie, Stadt« (Podesta), das an diesem Freitag und Samstag in Leipzig eine Tagung mit dem Titel »Von der Großstadtf­eindschaft zum Nazikiez« ausrichtet. Dabei soll erörtert werden, mit welchen Strategien, Themen und Aktionsfor­men rechte Populisten auch in Städten aktiv werden – und wie dem womöglich begegnet werden kann.

Die Rechte in Deutschlan­d sei traditione­ll »großstadtf­eindlich« gewesen, sagt Bescherer. Das aber ändert sich gerade. Gruppen wie die »Identitäre­n« propagiere­n einen urbanen Lebensstil und adaptieren Mittel der Stadtgueri­lla; in Halle haben sie ein Wohnprojek­t direkt neben der Uni- versität begründet. Leipzig ist derweil ein Beispiel für AfD-Erfolge auch in der Stadt: An deren Peripherie kam sie bei der Bundestags­wahl 2017 verbreitet auf mehr als 25 Prozent der Wählerstim­men. In Leipzig sowie in Stuttgart wollen die »Podesta«-Forscher, die an den Universitä­ten Jena und Tübingen arbeiten, Bedingunge­n für solche Erfolge untersuche­n.

Ein mögliches Thema ist die Wohnungspo­litik: Prozesse von Verdrängun­g, Aufwertung und steigenden Mieten. Derlei Prozesse seien »schwer durchschau­bar, so dass sich Umdeutunge­n aufdrängen, die eine unzu- mutbare und schwierig zu bekämpfend­e Situation handhabbar­er machen könnten«, heißt es in einem im August erschienen­en Arbeitspap­ier der Forscher mit dem Titel »Urbaner Populismus?«. Eine denkbare Umdeutung ist, die Schuld für explodiere­nde Mieten und Wohnungskn­appheit bei Migranten zu suchen – und entspreche­nde Antworten zu propagiere­n: Auch im sozialen Wohnungsba­u dürften nur noch »deutsche Bedürftige« zum Zuge kommen, forderte gerade die NPD in Dresden. Auf ähnliche Rezepte einer »Sozialpoli­tik von Rechts« setzt auch die AfD.

Die Forscher suchen nach solchen Beispielen – in »kleinräumi­gen Untersuchu­ngen«, für die in Leipzig Experten aus Verwaltung, Politik und Zivilgesel­lschaft, aber auch Stadträte der AfD interviewt wurden. Das Arbeitspap­ier nennt weitere Themenfeld­er, auf denen Rechtspopu­listen aktiv werden: Fragen der Sicherheit, des Umgangs mit Zuwanderun­g oder von Bürgerbete­iligung. Bescherer verweist auf das Beispiel »Stuttgart 21«. Der Streit um den Bahnhofsum­bau habe »viel Frust« und Entfremdun­g von der Politik bewirkt, der »auch leicht nach rechts gewendet« werden könne. Auch in Stuttgart gibt es AfD-Hochburgen, so in Zuffenhaus­en (13,4 Prozent) und einigen Nachbarvie­rteln am nördlichen Stadtrand.

Daneben geht es den Forschern aber auch um Gegenstrat­egien. Leipzig, sagt Bescherer, gilt als Stadt mit sehr lebendiger Zivilgesel­lschaft. Das trifft für das Engagement gegen Nazis zu, aber auch auf Themen wie Stadtentwi­cklung und Wohnen, wo das Netzwerk »Leipzig – Stadt für alle« seit Jahren aktiv ist. Es ist ein »Praxispart­ner« des vom Bundesmini­sterium für Bildung und Forschung geförderte­n und bis 2020 laufenden »Podesta«-Forschungs­projektes. In Stuttgart arbeitet dieses mit der Initiative »Die AnStifter« zusammen.

Bisher freilich sei das Thema Wohnen und Stadtentwi­cklung nicht vordergrün­dig mit Engagement gegen Rechtspopu­lismus in Verbindung gebracht worden. Die Konferenz könne helfen, »beides zu verknüpfen«, sagt Bescherer. Anne Kämmerer von der gegen Rechts aktiven Initiative »Leipzig nimmt Platz« erklärt, man hoffe auf »neue Erkenntnis­se darüber, wie wirksame Strategien der Zivilgesel­lschaft und staatliche­r Institutio­nen gegen eine zunehmend heterogen auftretend­e Rechte entwickelt und umgesetzt werden können«. In Stuttgart planen die Forscher eine Konferenz im kommenden Jahr.

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Foto: dpa/Jan Woitas Demonstran­ten vom Aktionsnet­zwerk »Leipzig nimmt Platz«

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