Problemkind
Cat Power
Die Unberechenbarkeit«, erzählt Chan Marshall im Interview, sei das Schlimmste am Lampenfieber. Minimale Unterschiede der sozialen Umstände oder ihrer Tagesform könnten »da den Ausschlag geben«. Die 46-jährige, aus Atlanta stammende und in Miami lebende Songschreiberin weiß allzu genau, wovon sie spricht: Der ganze Körper zittert, der Wunsch, den Auftritt abzusagen, ist riesig. Besser gesagt, war er es. Mit dem Rücken zum Publikum spielt sie jedenfalls schon länger nicht mehr. Und seit Cat Power, so ihr Alias, eine der berühmtesten (Neo-)Folk-Künstlerinnen der USA ist, wird sie bei ihren Auftritten von einer Band begleitet.
Ob Marshalls »soziale Paranoia«, wie sie es nennt, eine entscheidende Rolle dabei spielt, dass sie seit nunmehr zehn Alben – also auch auf dem gerade erschienenen »Wanderer« – so behutsam und leise singt und dabei bisweilen wirkt, als könne ihr gleich die ohnehin etwas heisere Stimme wegbleiben, ist im Grunde egal, solange es nur so bleibt. Schließlich sind verhaltene, melancholisch-nachdenkliche Töne das, wofür man sie vor allem schätzt. Und es ist ja auch so: Der Pop liebt heiß und innig seine Problemkinder, die, wie Marshall, eine schwierige Kindheit hatten, dem Alkohol oder anderen Drogen zuneig(t)en und mit Depressionen oder anderen psychischen Problemen zu kämpfen haben. Sie erzählen die interessantesten Geschichten, eignen sich hervorragend als Projektionsflä-