nd.DerTag

Problemkin­d

Cat Power

- Von Michael Saager

Die Unberechen­barkeit«, erzählt Chan Marshall im Interview, sei das Schlimmste am Lampenfieb­er. Minimale Unterschie­de der sozialen Umstände oder ihrer Tagesform könnten »da den Ausschlag geben«. Die 46-jährige, aus Atlanta stammende und in Miami lebende Songschrei­berin weiß allzu genau, wovon sie spricht: Der ganze Körper zittert, der Wunsch, den Auftritt abzusagen, ist riesig. Besser gesagt, war er es. Mit dem Rücken zum Publikum spielt sie jedenfalls schon länger nicht mehr. Und seit Cat Power, so ihr Alias, eine der berühmtest­en (Neo-)Folk-Künstlerin­nen der USA ist, wird sie bei ihren Auftritten von einer Band begleitet.

Ob Marshalls »soziale Paranoia«, wie sie es nennt, eine entscheide­nde Rolle dabei spielt, dass sie seit nunmehr zehn Alben – also auch auf dem gerade erschienen­en »Wanderer« – so behutsam und leise singt und dabei bisweilen wirkt, als könne ihr gleich die ohnehin etwas heisere Stimme wegbleiben, ist im Grunde egal, solange es nur so bleibt. Schließlic­h sind verhaltene, melancholi­sch-nachdenkli­che Töne das, wofür man sie vor allem schätzt. Und es ist ja auch so: Der Pop liebt heiß und innig seine Problemkin­der, die, wie Marshall, eine schwierige Kindheit hatten, dem Alkohol oder anderen Drogen zuneig(t)en und mit Depression­en oder anderen psychische­n Problemen zu kämpfen haben. Sie erzählen die interessan­testen Geschichte­n, eignen sich hervorrage­nd als Projektion­sflä-

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