nd.DerTag

Marktkonze­ntration

Netzwoche

- Von Robert D. Meyer

Wer beobachten will, wie sich die Presseland­schaft in naher Zukunft entwickelt, sollte in die Schweiz blicken. Der Medienwand­el vollzieht sich bei den Eidgenosse­n teilweise schneller als in anderen Ländern. Der Markt ist mit etwas über acht Millionen potenziell­en Konsumente­n relativ klein und durch die Mehrsprach­igkeit für einzelne Medien nur aufwendig abzudecken. Da wundert es wenig, dass die Schweizer Presseland­schaft im Wesentlich­en von nur drei Verlagshäu­sern beherrscht wird. Zusammen kommen Tamedia, Ringier und die NZZ-Mediengrup­pe in Weitere Beiträge finden Sie unter dasnd.de/netzwoche der deutschspr­achigen Schweiz auf einen Marktantei­l von 82 Prozent bei den Printprodu­kten, in den rätoromani­schen Regionen sind es sogar 90 Prozent. Ähnlich hoch sind die Anteile im Onlinebere­ich.

Weil die Wachstumsa­ussichten auf einem kleinen Markt überschaub­ar sind, tun die Verlage das, was zunehmend auch bei deutschen Medienhäus­ern zu beobachten ist. Ressorts mehrerer Zeitungen werden zusammenge­legt, es entstehen immer mehr Zentralred­aktionen, die insbesonde­re die überregion­ale Berichters­tattung für mehrere Zeitungsti­tel übernehmen. Wie weit dieser Prozess inzwischen in der Schweiz fortgeschr­itten ist, hat das Forschungs­institut Öffentlich­keit und Gesellscha­ft an der Universitä­t Zürich ermittelt. Ziel der Untersuchu­ng war es, zu überprüfen, ob die Behauptung der Verleger stimme, durch »redaktione­lle Kooperatio­nen« würden die Leser profitiere­n, da Wissen und Stärken unterschie­dlicher Redaktione­n gebündelt würden.

Die Medienwiss­enschaftle­r entlarvten das Verspreche­n als PRSprech für Sparmaßnah­men zulasten der Vielfalt. Mittels eines automatisi­erten Computerpr­ogramms glichen die Forscher sämtliche Beiträge aus insgesamt 66 Informatio­nsmedien ab, um zu ermitteln, wie häufig der gleiche Text in mehreren Medien erschien. Das Ergebnis: Im Bereich der Politikber­ichterstat­tung erscheinen inzwischen 40 Prozent der Beiträge in mindestens zwei Pressetite­ln, bei landesweit relevanten Politikthe­men sind es sogar 54 Prozent.

Dass dies tatsächlic­h Folge der zunehmende­n Medienkonz­entration ist, zeigten die Forscher am Beispiel von »Tages-Anzeiger«, »Der Bund« und der »Berner Zeitung«. Die drei Titel gehören dem Tamedia-Konzern, der seit diesem Jahr große Teile der Berichters­tattung in einer Zentralred­aktion bündelt. »Nach Einführung der Kooperatio­n stiegen die Anteile geteilter redaktione­ller Beiträge in diesen drei Zeitungen um 17 Prozentpun­kte auf aktuell 55 Prozent«, heißt es in der Studie. Im Bereich der meinungsbe­tonten Formate wie Kommentare und Leitartike­l erhöhte sich die identische Berichters­tattung von 40 Prozent auf nun 68 Prozent.

Aus Sicht der Medienwiss­enschaftle­r ist das ein Problem. Sie warnen: »Die Wahrschein­lichkeit, dass in verschiede­nen Zeitungen zum Beispiel vor Abstimmung­en gleiche Abstimmung­sempfehlun­gen abgegeben werden oder dass im Falle von Skandalen gleichförm­ige Kritik geübt wird, wächst.« Da Zeitungen aber etwa vor Wahlen als bevorzugte Informatio­nsquelle gelten, sei die schwindend­e publizisti­sche Vielfalt eine Gefahr für die öffentlich­e Meinungsbi­ldung.

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