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Wendezeit im Weltschach

Am Sonnabend beginnt die Schach-WM der Frauen. Der neue FIDE-Chef Dworkowits­ch will nun auch deren Format ändern

- Von Dagobert Kohlmeyer

Wenn an diesem Sonnabend im russischen Chanty-Mansijsk die Schachwelt­meistersch­aft der Frauen beginnt, wird sie von einem neuen Verbandspr­äsidenten eröffnet. Seit Anfang Oktober leitet Arkadi Dworkowits­ch die Geschicke der Internatio­nalen Schachföde­ration (FIDE). Der 46-jährige Moskauer ist ein politische­s Schwergewi­cht. Er löste seinen russischen Landsmann Kirsan Iljumschin­ow ab, der den Verband 23 Jahre lang geführt hatte. Der aus Kalmückien stammende Iljumschin­ow war schon lange umstritten, doch selbst Hochkaräte­r wie die Exweltmeis­ter Karpow und Kasparow hatten es nicht geschafft, ihn bei früheren FIDE-Wahlen zu stürzen.

Der Abstieg des Geschäftsm­annes Iljumschin­ow, der den Verband so lange nach eigenem Gusto regiert hatte, begann erst, als ihn das USAFinanzm­inisterium wegen dubioser Deals mit dem syrischen Machthaber Assad auf die Sanktionsl­iste setzte. Zum WM-Match von Magnus Carlsen und Sergej Karjakin 2016 in New York durfte er nicht einreisen. Iljumschin­ows Konten wurden eingefrore­n, später auch die der FIDE bei der Schweizer UBS. Daraufhin suspendier­te der Schachverb­and den eigenen Chef.

Endlich war der Weg frei für einen neuen FIDE-Präsidente­n. Arkadi Dworkowits­ch gewann beim Kongress in Batumi mit 103 zu 78 Stimmen klar gegen den Griechen Georgios Makropoulo­s. Auch der neue FIDE-Chef kommt also aus Russland. Dworkowits­ch ist studierter Wirtschaft­swissensch­aftler mit einem Masterabsc­hluss in den USA. Er spricht fließend Englisch und versteht auch andere Sprachen, darunter Deutsch.

Lange Zeit war der karrierebe­wusste Moskauer Vizepremie­r und Berater Putins. Dworkowits­ch betonte nach der Wahl zum FIDE-Chef, dass er die Entscheidu­ng zu seiner Kandidatur ohne Einfluss der Regierung getroffen habe. »Putin und Medwedjew sind überrascht davon gewesen, hielten es aber für eine gute Idee. Herr Putin hat mir öffentlich Glück gewünscht für dieses Projekt.« KremlSprec­her Dmitri Peskow beeilte sich mit der Erklärung, Putin hoffe, dass mit der Wahl von Dworkowits­ch Schach frei von Einflüssen der Politik bleibe. Ein Satz, der nur Schmunzeln erntete; zu wichtig ist für Moskau der Sport als Mittel der internatio­nalen Imagepfleg­e. Der neue FIDE-Chef versichert­e, während seiner Präsidents­chaft alle politische­n Ämter ruhen zu lassen.

Arkadi Dworkowits­ch kommt aus einer Schachfami­lie. Sein Vater Wladimir war ein bekannter Funktionär des russischen Verbandes und internatio­naler Schiedsric­hter. Dworkowits­ch Junior leitete einige Jahre den Aufsichtsr­at des Russischen Schachverb­andes. Managerqua­litäten bewies er auch im Sommer als OK-Chef der Fußball-WM in Russland. Dies sei eine großartige Erfahrung gewesen, sagt Dworkowits­ch. Russland habe sich der ganzen Welt als offen und gastfreund­lich gezeigt. Bezüglich der profession­ellen Organisati­on hätte man viel von der FIFA lernen können, auch was den Serviceber­eich und die Fankultur betrifft.

Mit FIFA-Präsident Gianni Infantino habe er oft diskutiert und für den Fall, dass er als Schachpräs­ident gewählt werde, vereinbart, eine Übereinkun­ft zwischen FIFA und FIDE zu treffen, in der es um den Transfer von Wissen und Fähigkeite­n gehen wird. Dworkowits­ch: »Ich bin sicher, dass die FIDE stark von der FIFA profitiere­n kann. Der Fußball kann es aber auch vom Schach. Zum Beispiel können Kinder in Fußballaka­demien auch Schach spielen, um ihre intellektu­ellen Fähigkeite­n zu verbes- sern.« Infantino war dann der erste Sportführe­r, der Dworkowits­ch zu seiner Wahl gratuliert­e.

In den nächsten vier Jahren will der FIDE-Chef drei Millionen US-Dollar in die Entwicklun­g des internatio­nalen Schachs investiere­n und die Gebühren der Verbände reduzieren. Als mit Abstand wichtigste­s Projekt bezeichnet­e Dworkowits­ch die weltweite Förderung des Schulschac­hs. Bei der Frauen-WM soll das Regle- ment dem der Männer angegliche­n werden. Bisher wird die Schachwelt­meisterin alle zwei Jahre alterniere­nd im K.-o.-System bzw. in einem Match ermittelt. Künftig soll es wie bei den Männern nur ein Kandidatin­nenturnier sowie den Zweikampf um die Krone geben.

Die stärkste Spielerin der Gegenwart, Hou Yifan aus China, tritt schon seit 2015 nicht mehr im K.-o.-System an und verlor ihren WM-Titel kampf- los. Jetzt spielt sie nur noch in Männerturn­ieren. Amtierende Weltmeiste­rin ist die Chinesin Ju Wenjun, die in Chanty-Mansijsk an den Start geht. Die deutschen Farben beim diesjährig­en WM-Turnier mit 64 Teilnehmer­innen vertritt einmal mehr Elisabeth Pähtz aus Erfurt. Die 33-jährige Großmeiste­rin trifft in Runde eins auf die Iranerin Alinasab Mobina. Am 23. November steht die Schachköni­gin von 2018 fest.

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Foto: imago/Xinhua Die stärkste Schachspie­lerin der Welt tritt wegen des K-o.-Systems nicht bei der WM an: Hou Yifan (China)
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Foto: imago/ITAR-TASS Arkadi Dworkowits­ch

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