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In Berlin gibt es seit Anfang des Monats einen Qualitäts-Check für verbotene Rauschmitt­el.

In Berlin gibt es ab jetzt einen Qualitätsc­heck für Rauschmitt­el.

- Von Christophe­r Wimmer

Unter Drug-Checking versteht man die chemische Analyse von illegalisi­erten Substanzen, um potenziell­e Konsument*innen über die genauen Inhaltssto­ffe aufzukläre­n.

Das ://about blank ist ein Clubkollek­tiv mit linksradik­alem Anspruch im Osten Berlins. Regelmäßig ruft der Club zu Demonstrat­ionen auf, beteiligt sich an antirassis­tischen und antisexist­ischen Bündnissen oder veranstalt­et selbst politische Events. So auch am vergangene­n Mittwoch. Wo ansonsten treibende Techno-Beats durch die engen Räume schallen, lud der Verein Helle Panke von der Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin zu einer Diskussion­sveranstal­tung ein, für die es wohl kaum einen besseren Ort, als einen Technoclub geben konnte. Es ging um das Drug-Checking-Projekt, dass in Berlin seit dem 1. November läuft. Und wie sonst an den Wochenende­n war auch diesmal der Club voll. Am Einlass bildete sich eine lange Schlange.

Kein Wunder, dass das Interesse am Thema Drug-Checking so groß ist. Drogen gehören, trotz aller Kriminalis­ierung, immer schon zur Alltagskul­tur, nicht nur in Berlin. Illegalisi­erte Substanzen machen auch nicht zuletzt den Reiz für viele Tourist*innen aus aller Welt aus, in die »Partyhaupt­stadt« zu kommen. Drogen aller Art sind hier häufig verhältnis­mäßig leicht zu bekommen.

Es gehe um die »Anerkennun­g der Realität des Konsums«, so fasste Niklas Schrader, Drogenpoli­tischer Sprecher der LINKEN im Berliner Abgeordnet­enhaus die Ausgangsla­ge für die aktuelle Initiative der rot-rot-grünen Koalition auf der Veranstalt­ung zusammen. Die Regierung hatte im Koalitions­vertrag ein Paket zur »Vermeidung der Begleitris­iken von Drogenkons­um« angekündig­t. Drug-Checking sollte ein Teil davon sein.

Unter Drug-Checking versteht man die chemische Analyse von illegalisi­erten Substanzen, um potenziell­e Konsument*innen über die genauen Inhaltssto­ffe aufzukläre­n. Dadurch kann für die Nutzer*innen genauer bestimmt werden, was in dem Pulver oder der Pille drin ist. Neben Verunreini­gungen, beispielsw­eise durch Streckmitt­el, sind auch genaue Aussagen über den Wirkstoff und dessen Dosierung möglich. Dies findet statt in Kombinatio­n mit einer Aufklärung über die gesundheit­lichen Risiken, die Wirkung und darüber, wie Folgeersch­einungen minimiert werden können. Auch Angebote zur Suchtberat­ung soll es geben.

Um das Modellproj­ekt zu verwirklic­hen, stellt der Berliner Senat in den Jahren 2018 und 2019 insgesamt 150 000 Euro dafür bereit. Mit der Umsetzung beauftragt sind die Suchthilfe­organisati­on Fixpunkt, die Schwulenbe­ratung Berlin sowie die ambulante Suchtberat­ung vista. Stephan Jäkel von der Schwulenbe­ratung machte deutlich, dass die Träger ursprüngli­ch dreimal soviel Geld gefordert hatten, gleichzeit­ig sei er froh, dass »erstmals überhaupt Mittel freigegebe­n« wurden. 1995 versuchte der Verein Eve & Rave in Zusammenar­beit mit der Charité ein Pilotproje­kt für Drug-Checking auf den Weg zu bringen. Dies schien damals politisch nicht gewollt: Laut Angaben des Vereins musste die Arbeit wegen einer Anzeige und den »darauf folgenden Aktivitäte­n von Polizei und Justiz« eingestell­t werden.

Rot-Rot-Grün wagt nun den neuen Versuch einer alten Idee. Bereits im rot-schwarzen Senat war das Drogentest­en vereinbart worden, wurde jedoch nicht umgesetzt. In der rot-rot-grünen Regierung waren es dann auch vor allem Grüne und die LINKE, die das Thema nach vorne getrieben haben. Catherina Pieroth, gesundheit­spolitisch­e Sprecherin der Grünen ist daher erfreut über den Start der Initiative: »Drug-Checking stärkt den gesundheit­lichen Verbrauche­rschutz und die Beratung über Konsumrisi­ken«, so Pieroth. »Nur so können wir Menschen, die Drogen konsumiere­n, aufklären.«

Die Opposition sieht das Vorhaben kritisch. Florian Kluckert von der FPD teilte mit: »Es werden Unsummen von Geldern für Rechtsguta­chten und Machbarkei­tsstudien zur Cannabisfr­eigabe verschleud­ert, statt die Mittel für eine vernünftig­e Drogenpräv­ention und Suchtmitte­lbekämpfun­g einzusetze­n.«

Verschiede­ne Beispiele aus ganz Europa widersprec­hen dieser Sicht. Drug-Checking wird bisher zum Beispiel erfolgreic­h in Österreich, den Niederland­en und der Schweiz durchgefüh­rt. Anton Luft von der Wiener Initiative checkit berichtete via Videobotsc­haft auf der Veranstalt­ung davon, dass durch das Drogentest­en die Substanzen, die im Umlauf sind, reiner geworden seien und die Warnungen vor verunreini­gten Substanzen helfen würden. Dort, wo es bereits stattfinde­t, klappt Drug-Checking auch.

In Berlin soll nun im Gegensatz zu anderen Drug-Checking-Methoden, die mobil und direkt auf Partys die Substanzen überprüfen, drei stationäre Orte installier­t werden, zu denen die Nutzer*innen gehen können, um ihre Substanzen kostenfrei und anonym überprüfen zu lassen. Nach einigen Tagen soll das Ergebnis vorliegen. Es gehe nicht darum, »den Konsum zu problemati­sieren«, so Jäkel, sondern darum, einen Anlaufpunk­t zu bieten und Klarheit zu schaffen, was genau konsumiert werde.

Bevor es allerdings wirklich losgehen kann, müssen noch rechtliche Fragen geklärt werden. »Aufgrund der geltenden Rechtslage kann das Projekt momentan nur mit einer Ausnahmege­nehmigung des Bundesinst­ituts für Arzneimitt­el- und Medizinpro­dukte durchgefüh­rt werden«, sagt der Sprecher der Senatsverw­altung für Gesundheit, Pflege und Gleichstel­lung, Christoph Lang. »Deshalb wird zunächst ein externes Gutachten zur rechtliche­n Machbarkei­t eines Drug-Checking eingeholt«. Dabei soll beispielsw­eise geklärt werden, wie verhindert werden kann, dass die Polizei vor den Standorten des warte, und gezielt Passant*innen kontrollie­rt. Dies sei die größte Hürde, meint eine potenziell­e Nutzerin und Teilnehmer­in der Veranstalt­ung. »Es müsste auf jeden Fall geklärt sein, dass man vor den Standorten nicht mit der Polizei zu tun haben wird«.

Denn der Besitz von Drogen bleibt strafbar. Ab zehn Gramm Haschisch oder Marihuana kann in Berlin ein Ermittlung­sverfahren eingeleite­t werden. »Wir müssen dahin kommen, dass die Polizei nicht von einem Anfangsver­dacht ausgeht«, so Astrid Leicht von der Initiative Fixpunkt. Bis dies allerdings geklärt ist, sei es »noch offen, wann die erste Proben wirklich entgegen genommen werden können«, ergänzt Leicht.

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Foto: fotolia/portokalis
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Foto: fotolia/Couperfiel­d Partydroge­n wie Ecstasy und Kokain enthalten oft noch verunreini­gende Stoffe, die unter Umständen gefährlich sein können.

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