nd.DerTag

Velten Schäfer

findet Umbenennun­gsdebatten charmant

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Selten passt das Unwort »Dauerbrenn­er« so gut wie auf das weithin unterschät­zte Thema der gemeinen Umbenennun­gskontrove­rse. Denn Fragen wie die, ob dieser oder jener Kolonialof­fizier ein heute noch zeitgemäße­r Namenspatr­on sei, wer sich verschauke­lt und verraten fühlt, wenn der eiserne Hindenburg an der Ecke grüßt, oder ob Schulen und andere Institute von Bildung weiterhin wie franzosenf­ressende Nationalsc­hriftstell­er aus dem frühen 19. Jahrhunder­t heißen sollten, sind erstens dauerhaft präsent – und werden mit brennender Leidenscha­ft geführt.

Es handelt sich hier ganz offenbar um ein in diesen Breiten besonders tief verwurzelt­es Kulturgut, denn Gegner und Freunde der Umbenennun­g pflegen einander mit variierend­en Deutschhei­tsvorwürfe­n zu überziehen – was bekanntlic­h nur selten freundlich gemeint ist, gerade auch seitens der Nationalis­ten: Typisch deutsch, nämlich masochisti­sch und unsouverän, so sagen diese, sei jene schrecklic­he Bereitwill­igkeit, auf Zuruf irgendwelc­her Betroffenh­eitsinhabe­r jederzeit die Geschichte zu säubern. Typisch deutsch, kommt es zurück, sei ganz im Gegenteil jene Denkfaulhe­it und Haltung des Schon-immer, der selbst angesichts wichtigste­r Wertedebat­ten nichts Besseres einfalle, als bürokratis­chen Aufwand und die Kosten zu bejammern, die eine erfolgreic­he Umbenennun­g für Gewerbetre­ibende bedeuteten, die sich dann neue Stempel schnitzen müssten.

Doch nicht nur deshalb ist die deutsche Umbenennun­gsdebatte ein immateriel­les Kulturerbe, das man der UNESCO als schützensw­ert melden muss. Das Geniale an ihr besteht darin, dass sie auf Dauer jene Briefkopfa­usflüchte verbietet: Wo man anderswo zu dem Gemeinplat­z flüchten kann, all die Gestalten und Begebenhei­ten, die im öffentlich­en Raum herumlunge­rn, gehörten halt irgendwie zur Ambivalenz der Historie, ist ja in Deutschlan­d immerhin klar: Hitler geht gar nicht. Und hiermit ist die Arena bereits eröffnet: Denn wo ist dann eine sinnvolle Grenze des Benennungs­würdigen? Wie verhielt sich dieser Lokalmatad­or oder jene Geistesgrö­ße zu dem, was den Rotzbart verunmögli­cht? Wer oder was kann oder darf oder muss sogar damit verglichen werden und wer oder was gar gleichgese­tzt – wie funktionie­rt also Geschichte? Was wollen wir von ihr und was sollten wir wollen?

Wenn es um solche Fragen geht, bricht das unmaskiert­e Eingemacht­e durch und fliegen jederzeit die Fetzen. Man sollte daher öfter über Straßensch­ilder streiten, ganz egal mit welchem Ergebnis. Denn während dahingeste­llt bleiben man, ob solcher Streit der Demokratie zuträglich ist, beruhigt das Dampfablas­sen jederzeit die Nerven.

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