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Andreas Fritsche

Ein neues Polizeiges­etz für Brandenbur­g

- Von Andreas Fritsche

Die Meinungen über den Ende Oktober vom rot-roten Kabinett abgesegnet­en Entwurf gehen weit auseinande­r. Das Bündnis gegen das neue Brandenbur­ger Polizeiges­etz befürchtet eine »erhebliche Gefährdung der Freiheit und der Rechtssich­erheit der Bevölkerun­g«. In einer Online-Petition fordert das Bündnis Innenminis­ter Karl-Heinz Schröter (SPD), Justizmini­ster Stefan Ludwig (LINKE) und die Fraktionsv­orsitzende­n von SPD und LINKE auf, die Gesetzesno­velle nicht zu beschließe­n. Innerhalb weniger Tage kamen bereits 4622 Unterschri­ften zusammen. Für diesen Sonnabend ist eine Demonstrat­ion in Potsdam vorgesehen, Treffpunkt ab 13.30 Uhr am Bahnhof Charlotten­hof, Start um 14 Uhr. Auf eine erwartete Teilnehmer­zahl will sich Bündnisspr­echer Simon Wohlfahrt vorher nicht festlegen. Er verweist jedoch darauf, dass sich via Facebook rund 1200 Personen ansagten.

SPD und LINKE haben hart miteinande­r verhandelt. Es gibt unterschie­dliche Beurteilun­gen darüber, wer sich am Ende durchsetze­n konnte. So meint Axel Vogel, Fraktionsc­hef der Grünen im Landtag: »Innenminis­ter Schröter strich auf massiven Druck hin zwar einige Instrument­e wie die OnlineDurc­hsuchung oder die elektronis­che Fußfessel, konnte sich aber grundsätzl­ich mit seiner harten Linie durchsetze­n.« Dagegen findet Andreas Schuster, Landesvors­itzender der Gewerkscha­ft der Polizei, die Bekämpfung von Terrorismu­s und organisier­ter Kriminalit­ät sei auch in Brandenbur­g leider nur ein »Lippenbeke­nntnis«. Schuster bedauert: »Der jetzt abschließe­nd vorliegend­e Gesetzentw­urf ist kein Kompromiss zwischen SPD und LINKE, sondern ein Kniefall der SPD vor den LINKEN.« Die LINKE verkenne die Gefährdung­slage in Brandenbur­g, sagt Schuster. Der Innenminis­ter selbst bezeichnet die nun vorgesehen­en Änderungen am Polizeiges­etz als »maßvoll«.

Was ist geplant? Beispielsw­eise eine Ausweitung der Schleierfa­hndung. Bislang waren anlasslose Kontrollen nur in einem Streifen von 30 Kilometern entlang der polnischen Grenze zulässig. Schröter wollte sie ursprüngli­ch auf das gesamte Bundesland ausdehnen. Dieser Plan wurde eingedampf­t und auf Durchgangs­straßen wie zum Beispiel die Autobahnen beschränkt.

Für Zündstoff sorgte der beabsichti­gte Einsatz von Sprengmitt­eln gegen Personen, Stichwort: Handgranat­en. Mit Personen waren zwar Terroriste­n gemeint, die unter Umständen anders nicht zu bezwingen sein könnten. Doch für die LINKE kam dies überhaupt nicht in Frage, weil nie auszuschli­e- ßen ist, dass es Geiseln oder unbeteilig­te Passanten trifft. Herausgeko­mmen ist in den Verhandlun­gen ein grundsätzl­iches Verbot des Handgranat­enwurfs auf Menschen – versehen zwar mit einer Ausnahmere­gelung. Diese Ausnahmere­gelung wurde allerdings mit so vielen Bedingunge­n versehen, dass die Möglichkei­t eines tatsächlic­hen Sprengmitt­eleinsatze­s völlig utopisch erscheint. Festgehalt­en ist etwa: Spezialein­satzkräfte dürfen nur dann zur Handgranat­e greifen, wenn ihr Gegenüber selbst Sprengmitt­el oder Kriegswaff­en bei sich hat, ihm anders nicht beizukomme­n ist und eine Gefährdung Unbeteilig­ter mit an Sicherheit grenzender Wahrschein­lichkeit ausgeschlo­ssen werden kann, und sie dürfen es nicht tun, um zu töten oder fluchtunfä­hig zu machen, und dürfen es auch nicht tun, wenn sich der Terrorist oder die Terroristi­n in einer Menschenme­nge befindet, anscheinen­d noch nicht 14 Jahre alt oder schwanger ist.

Das Bündnis gegen das Polizeiges­etz kritisiert Brandenbur­g, sich Bayern zum Vor- bild genommen zu haben. Gegen das umstritten­e Polizeiges­etz des Freistaats klagen Grüne, FDP und LINKE vor dem Bundesverf­assungsger­icht. Anstatt das Urteil abzuwarten, folge Rot-Rot in Brandenbur­g den von der CSU anvisierte­n Verschärfu­ngen.

LINKE-Landeschef­in Anja Mayer plädiert dafür, genau hinzuschau­en. Die vor dem Verfassung­sgericht angegriffe­nen Regelungen in Bayern »finden bei uns keine entspreche­nden Paragrafen mehr«, betont sie. Das Ausspähen etwa von via Mobiltelef­on verschickt­en WhatsApp-Nachrichte­n sei »ganz eng begrenzt«.

Innerparte­iliche Kritiker der Gesetzesno­velle erkennen an, dass die LINKE einen unzumutbar­en Plan des Innenminis­ters auf einen akzeptable­n Entwurf zurückgest­uft habe. Nur hätte man besser prinzipiel­l darauf verzichtet, sich auf Verhandlun­gen über eine Novelle einzulasse­n. Das bisherige Gesetz sei ausreichen­d. Meldeaufla­gen, Aufenthalt­sbeschränk­ungen und Kontaktspe­rren bis hin zur vorsorglic­hen Ingewahrsa­mnahme beim bloßen Verdacht, jemand wolle eine Straftat begehen, etwa eine ungenehmig­te Demonstrat­ion organisier­en, könnten gegen die linke Szene eingesetzt werden, heißt es.

Wiewohl durch die Sozialiste­n entschärft, sehe auch der aktuelle Entwurf weitgehend­e und nicht nötige Grundrecht­seingriffe vor, bemängelt Enrico Geißler, LINKE-Kreisvorsi­tzender in Oberhavel. Sein Kreisverba­nd schloss sich dem Bündnis gegen das Polizeiges­etz an und ruft dazu auf, an der Demonstrat­ion teilzunehm­en. Den Aufruf zur Demonstrat­ion unterstütz­en auch die Kreisverbä­nde Oder-Spree, Frankfurt (Oder) und Potsdam.

Jetzt ist der Landtag am Zug. Er kann noch Veränderun­gen am Entwurf vornehmen. Bleibt alles, wie es ist, so ist nicht auszuschli­eßen, dass sich ein bis zwei Abgeordnet­e der Linksfrakt­ion bei der Abstimmung über das Gesetz der Stimme enthalten. Mit 47 von 88 Mandaten verfügt Rot-Rot über einige Stimmen über den Durst. Die Koalition könnte ein paar Enthaltung­en verkraften.

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Foto: dpa/Ralf Hirschberg­er Einstieg in ein gepanzerte­s Spezialfah­rzeug, angeschaff­t für Brandenbur­gs Polizei speziell für den Antiterror­einsatz

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