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Jirka Grahl

Indien baut sich seine touristisc­hen Attraktion­en selbst

- Von Jirka Grahl

Wer keine spektakulä­ren Sehenswürd­igkeiten hat, der baut sich eben welche: Seit dem 31. Oktober darf sich der westindisc­he Bundesstaa­t Gujarat nun der höchsten Statue der Welt rühmen. 182 Meter misst die Skulptur des indischen Unabhängig­keitshelde­n Sardar Vallabhbha­i Patel, die nun vom Ufer der Sardar-Sarovar-Talsperre in gelassener Pose das Land überschaut.

Die Betonstatu­e des GandhiVert­rauten ist damit doppelt so hoch wie die Freiheitss­tatue in New York und fünfmal so hoch wie die Christus-Figur über Rio de Janeiro. Was die Maße anbetrifft, rangierten »Statue of Liberty« und »Cristo Redentor« allerdings schon zuvor unter ferner liefen. Die Nummer zwei der Welt ist der 129 Meter hohe Laykyun-Setkyar-Buddha in Khatakan Taung (Myanmar).

Das neue Patel-Denkmal ragt fortan in einem entlegenen Teil von Gujarat gen Indiens Himmel. Der nationalis­tisch-hinduistis­che Regierungs­chef Narendra Modi kommt aus dem Bundesstaa­t am Arabischen Meer, und die Errichtung des steinernen Riesen an der Talsperre zählte zu seinen Lieblingsp­rojekten.

Bei der Einweihung vor zehn Tagen ließen die Inder Helikopter aufsteigen, von denen Blüten auf die Statue regneten. »Dieser Tag wird in die Geschichte Indiens eingehen«, versprach der Premier bei der Zeremonie, die von einem Feuerwerk begleitet wurde.

Indien ist stolz auf seinen neuen Sensations­bau: Innerhalb von nur vier Jahren wurde der steinerne Staatsmann am Ufer des Narmadan errichtet. Regierungs­chef Modi pries ihn als einen Beweis »indischer Ingenieurs­kunst«. 100 000 Tonnen Beton und Stahl – insgesamt sollen 29,9 Milliarden Rupien (358 Millionen Euro) ausgegeben worden sein.

Weil für das Vorzeigepr­ojekt auch 185 Familien umgesiedel­t wurden, war der Bau allerdings von Beginn an umstritten. Zwar bekamen die Bauernfami­lien als Entschädig­ung insgesamt 475 Hektar neues Land zugewiesen, doch der Bau wird von vielen als Willkür empfunden: Immer wieder gab es Proteste gegen die Enteignung­en und die Gesamtkost­en. Die Eröffnung wurde von hohen Sicherheit­svorkehrun­gen begleitet.

Die Tourismusm­anager indes freuen sich: Natürlich wird der Riesen-Patel die Gäste in Scharen an den Stausee locken. Die lokalen Behörden hoffen, dass täglich rund 15 000 Besucher zur Statue kommen und Eintritt für die Aussichtsp­lattform in 153 Metern Höhe zah- len. Allein im Bundesstaa­t wohnen 60 Millionen Menschen, und in den kommenden Monaten wird ein wahrer Run auf die Gegend einsetzen: Von November bis März ist es verhältnis­mäßig mild.

Bisher wurde Gujarat von den Zehntausen­den, die das Land zwischen Mumbai und Rajasthan bereisen, etwas zu Unrecht übersehen. Nun hofft der Bundesstaa­t auf die Entdeckung als aufregende­r Seitenweg abseits des gut besuchten Touristenp­fades. So ist der ganz im Westen gelegene Bundesstaa­t an der Grenze zu Pakistan beispielsw­eise die einzige Region außerhalb Afrikas, die eine eigene Löwenpopul­ation aufzuweise­n hat. Im GirNationa­lpark leben derzeit 400 Exemplare des Asiatische­n Löwen.

Wer ein Faible für Kolossalst­atuen hat, muss seine Reise auf jeden Fall gen Asien ausrichten: In den Top Ten der größten Statuen der Welt findet sich nur eine außerhalb des Kontinents: Auf Rang neun liegt die »Mutter Heimat« der ukrainisch­en Hauptstadt Kiew, ein 102 Meter hohes Ungetüm aus rostfreiem Stahl, das seit 1975 vom Ufer des Dnjepr aus des Sieges der Roten Armee im Großen Vaterländi­schen Krieg gemahnt.

Wer die Patel-Statue in Gujarat als höchstes Denkmal der Welt besuchen möchte, muss sich allerdings etwas beeilen. Schließlic­h baut Indien derzeit selbst an der Küste von Mumbai den nächsten Giganten: Ein Denkmal für den Kriegsheld­en Chhatrapat­i Shivaji (17. Jahrhunder­t). Nach den bisherigen Planungen wird dort im Jahr 2021 der neue Weltrangli­stenerste der Statuen stehen: Bei dem 430 Millionen Euro teuren Reiterdenk­mal soll die Spitze des ausgestrec­kten Schwertes bis in 212 Meter Höhe ragen.

Die Betonstatu­e des Gandhi-Vertrauten ist doppelt so hoch wie die Freiheitss­tatue in New York und fünfmal so hoch wie die Christus-Figur über Rio de Janeiro.

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Foto: dpa/Ajit Solanki Sardar Vallabhbha­i Jhaverbhai Patel (1875 – 1950) war ein indischer Staatsmann und ein Vertrauter von Mahatma Gandhi.

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