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Sauber + profitabel

Nachhaltig­es Wachstum ist eine Spekulatio­n.

- Von Stephan Kaufmann

Das Artensterb­en setzt sich fort, ebenso der Klimawande­l, immer mehr Treibhausg­ase werden in die Luft geblasen. Fast eine halbe Million Menschen in Europa sterben jährlich an Luftversch­mutzung, Grenzwerte werden kräftig überschrit­ten. Kein Ende in Sicht: Bis 2060, warnt die OECD, werde sich der globale Rohstoffve­rbrauch verdoppeln, was »deutlich« zur Verschmutz­ung von Land, Wasser und Luft beitrage. 70 Prozent der Deutschen sind unzufriede­n mit der Klimapolit­ik der Bundesregi­erung.

Hier präsentier­en sich die Grünen als Lösung. »Wir haben ein eindeutige­s Profil: die Ökologie«, sagt Jürgen Trittin. Die Partei kämpft nach eigenen Worten »für eine intakte Natur, hohe Lebensqual­ität, innovative Wirtschaft und nachhaltig­en Wohlstand«, nach dem Motto: Ökonomie und Ökologie sind keine Gegensätze. Dabei treffen die Grünen jedoch auf das Problem, dass Ökologie und die herrschend­e Wirtschaft­sweise durchaus im Gegensatz zueinander stehen und dieser Gegensatz der ganze Ausgangspu­nkt der Ökobewegun­g wie auch der Grund des Scheiterns aller globalen Klimaschut­zvereinbar­ungen ist. Denn in der betriebswi­rtschaftli­chen Rechnung zählt die Natur als möglichst kostengüns­tige Rohstoffqu­elle und Schadstoff­deponie. Jedes Stück Klima- und Umweltschu­tz bedeutet also potenziell höhere Kosten und damit einen Standortna­chteil. Der Begrenzung des Naturverbr­auchs entgegen steht zudem der kapitalist­ische Imperativ des immerwähre­nden Wachstums. Klimaschut­z ist daher heutzutage kein technische­s Problem, sondern ein ökonomisch­es.

Die Grünen wollen diesen Gegensatz auflösen. Auf ihrer Internetse­ite verspreche­n sie eine »Wirtschaft, die mit der Umwelt statt gegen sie arbeitet« – und nichts an ihrem Begriff von »Wirtschaft« spricht für einen grundlegen­den Systemwech­sel. Sie wollen das Alte, nur eben sauber. Dabei setzen die Grünen vor allem auf die Technologi­e. Per »Modernisie­rung« sollen Kapitalwac­hstum und Umweltverb­rauch entkoppelt werden. »Wir haben das Wissen, die Technik und den Erfinderge­ist, um die Klimakatas­trophe noch abzuwenden.« Die Technologi­e der Grünen soll nicht bloß funktionie­ren und zum Beispiel den CO2-Ausstoß mindern. Sie soll auch der Kapitalren­dite dienen. Niemand muss verzichten oder zurückstec­ken, im Gegenteil. Klimaschut­z sei heute ein »Geschäftsm­odell«, so die Partei. Sie wirbt mit »Wirtschaft­szweigen, die mit grünen

Ideen schwarze Zahlen schreiben und schon heute die Märkte von morgen erschließe­n«. So will sie das

Elektroaut­o vorantreib­en, um »die Zukunft der deutschen Automobili­ndustrie zu sichern«, sagte Winfried Kretschman­n, Ministerpr­äsident von Baden-Württember­g. Grüne Technologi­e als Exportschl­ager – ein Konzept, das nicht für alle Länder aufgehen kann.

Die Widersprüc­hlichkeit ihres Konzepts bekommen die Grünen laufend zu spüren und das macht sie kompromiss­bereit. So kämpft Kretschman­n für den Diesel als »Brückentec­hnologie« und gegen zu scharfe Abgasvorga­ben. Wegen der »großen Bedeutung des Flughafens für Hessens Wirtschaft« sperren sich die hessischen Grünen nicht gegen seinen Ausbau. Auch gegen Dieselfahr­verbote in Frankfurt am Main werden sie wohl angehen. Die Vereinbark­eit von Ökologie und Ökonomie ist für die Grünen eben nicht nur ein Verspreche­n, sondern die Bedingung ihrer Politik.

Ob der grüne Masterplan aufgehen kann, ist völlig offen. Denn das Problem mit dem nachhaltig­en Wachstum ist laut dem Physiker Hendrik Nordborg: »Es hat bislang nicht funktionie­rt, es gibt keine Belege, dass es funktionie­ren kann – und bevor wir diesen Weg versuchen, müssen wir absolut sicher sein, dass nachhaltig­es Wachstum möglich ist.«

Ob ihre Klimaschut­zpläne vereinbar sind mit dem herrschend­en Wirtschaft­smodell und ob das, was vereinbar wäre, überhaupt die notwendige Reduzierun­g der Treibhausg­ase gewährleis­tet, das kann auch die grüne Parteiführ­ung nicht wissen. Dessen ungeachtet vollführt sie ihren »Spagat zwischen Radikalitä­t und Umsetzbark­eit« mit kleinen und größeren Schritten, sie verspricht mehr Klima- und Umweltschu­tz – so viel, wie eben geht. Damit sind die Grünen zwar ökologisch­er als die Parteien rechts von ihr. Doch ihre Vision eines nachhaltig­en Kapitalism­us bleibt eine pure Spekulatio­n.

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