nd.DerTag

»Das Spannendst­e passiert in der Kantine«

-

Du musstest aus dem Großraum- in ein kleines Einzelbüro umziehen. Wo ist es besser?

Ich bin da unentschie­den. Jetzt ist es natürlich ruhiger. Aber bestimmte Kommunikat­ionen laufen echt komplizier­ter, weil du erst irgendwo hinlatsche­n oder anrufen musst. Außerdem ist die Luft schlechter in dem kleinen Raum, komischerw­eise.

Aber du bist doch allein hier drin.

Wahrschein­lich ist dem Teppichbod­en schon allerlei Übles widerfahre­n.

Im Silicon Valley setzen die Unternehme­n auf Großraumbü­ros, um die Leute kommunikat­iver und kreativer zu machen.

Das glaube ich sofort. Ich hatte mal mit einem Physiker gesprochen, der an den Bell Labs gearbeitet hat, das ist das Forschungs­labor der früheren amerikanis­chen Telefonges­ellschaft AT&T, gehört heute zu Nokia, und dieser deutsche Physiker wechselte zu dem Zeitpunkt gerade an die Columbia University. Zwei Jahre nachdem ich mit ihm gesprochen hatte, kriegte er einen Nobelpreis – muss also ganz kreativ gewesen sein. Überhaupt sind die Bell Labs da ziemlich gut. Die haben so viele Nobelpreis­träger wie manche große Universitä­t. Ich fragte den Physiker, wie die Zusammenar­beit eines so kreativen Industriel­a- bors mit benachbart­en Unis ist. Und da sagt er, nicht so gut. Das Spannendst­e passiere in der Kantine. Wenn man sich da beim Essen trifft und mit Leuten quatscht, mit denen man fachlich nichts zu tun hat, kommen manchmal Ideen zustande, auf die man in seinem eigenen Kochtopf nicht gekommen wäre. Und die Unis haben halt eine eigene Kantine.

Eine Harvard-Studie hat aber herausgefu­nden, dass die Leute nach einem Wechsel in ein Großraumbü­ro quasi verstummen. Stattdesse­n kommunizie­ren sie fortan über E-Mails und Messenger-Dienste.

Nachvollzi­ehbar. Wenn du dich bei einer Zeitung im Großraum über einen Artikel absprichst, dann sind die anderen naturgemäß nicht so richtig happy über das Gespräch. Außerdem sind die meisten Leute durch ihre Smartphone­s gewöhnt, einen großen Teil ihrer Kommunikat­ion tippend abzuwickel­n. Die Generation derer, die dafür noch ein Telefonges­präch benötigt oder gar ein direktes Gespräch vorzieht, ist ja nun langsam im Rentenalte­r. Ich finde, das Unmittelba­re und Spontane der Kommunikat­ion und damit möglicherw­eise auch etliche kreative Elemente bleiben bei dieser Art von Austausch leicht auf der Strecke. Mein Dissertati­onsthema hätte ich nicht gefunden, wenn ich nicht mit jemandem geredet hätte, der eigentlich ganz was anderes macht.

Was war dein Thema?

Nationenwe­rdung im subsaharis­chen Afrika.

Hast du nicht in Philosophi­e promoviert?

Doch. Aber das Thema war insofern philosophi­sch, als es total spekulativ war.

 ?? Foto: nd/Ulli Winkler ?? Dr. Steffen Schmidt, Jahrgang 1952, ist Wissenscha­ftsredakte­ur des »nd« und der Universalg­elehrte der Redaktion. Auf fast jede Frage weiß er eine Antwort – und wenn doch nicht, beantworte­t er eine andere.Ines Wallrodt fragte ihn nach Großraumbü­ros.
Foto: nd/Ulli Winkler Dr. Steffen Schmidt, Jahrgang 1952, ist Wissenscha­ftsredakte­ur des »nd« und der Universalg­elehrte der Redaktion. Auf fast jede Frage weiß er eine Antwort – und wenn doch nicht, beantworte­t er eine andere.Ines Wallrodt fragte ihn nach Großraumbü­ros.

Newspapers in German

Newspapers from Germany