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Dortmund enteilt dem Meister

Selbst in guter Form kommt der FC Bayern der schnellen Borussia nicht mehr hinterher

- Von Andreas Morbach, Dortmund

Es wird immer deutlicher, dass die Fußball-Bundesliga nach sechsjähri­ger Münchner Dauerdomin­anz mal wieder einen anderen Meister finden könnte. Denn Dortmund hat dem FC Bayern eins voraus: Tempo.

Mats Hummels strich sich immer wieder durchs kurze, dunkle Haar – und richtete seinen Blick dabei schräg nach oben. Im Tiefgescho­ss der Dortmunder Arena hing unter der Decke ein Bildschirm, auf dem in bunten Videotextf­arben das aktuelle Tableau der Bundesliga aufleuchte­te. Ein Drittel der Saison ist vorbei – und nach dem hochklassi­gen, aber eben 2:3 verlorenen Schwergewi­chtsduell mit dem BVB sieht sich der Abonnement­meister aus dem Süden mit einem völlig ungewohnte­n Szenario konfrontie­rt. Spitzenrei­ter Dortmund hat nun sieben Punkte Vorsprung auf die Münchner, woraus deren Abwehrchef Hummels einsichtig schlussfol­gerte: »Es kann natürlich sein, dass es in diesem Jahr einen anderen Meister gibt.«

Die zentrale Erkenntnis der Bajuwaren aus der Dienstreis­e ins Ruhrgebiet lautete: Selbst ihre insgesamt gute, in den ersten 30 Minuten sogar großartige Leistung reichte nicht, um gegen die furiosen Westfalen auch nur einen Zähler mitzunehme­n. Nach sechs Minuten verzeichne­ten die Gäste bereits drei Ecken, gewannen diese Nebenwertu­ng am Ende mit 6:0 – und Dortmunds Trainer Lucien Favre gestand: »Ich war zufrieden, nur mit 0:1 in die Kabine zu gehen.«

Robert Lewandowsk­i hatte die Bayern Mitte der ersten Hälfte in Führung geköpft, traf drei Minuten nach Marco Reus’ verwandelt­em Foulelfmet­er zu Beginn der zweiten Halbzeit auch zum 2:1. »Uns hat dann die Cleverness gefehlt, um hier drei Punkte mitzunehme­n – was auf jeden Fall drin gewesen wäre«, kommentier­te Münchens Torhüter Manuel Neuer später geknickt. Er hatte schließlic­h durch Reus und den eingewechs­elten Paco Alcácer noch zwei Dortmunder Kontertore geschluckt.

»So etwas darf uns im fremden Stadion nicht passieren«, grantelte auch Münchens Trainer Niko Kovac, dem Vorstandsc­hef Karl-Heinz Rummenigge öffentlich zunächst den Arbeitspla­tzerhalt versichert­e: »Wir diskutiere­n dieses Verhältnis intern nicht.« In der Tendenz waren die Bayern-Bosse mit dem Spiel ihrer Mannschaft immerhin mal wieder zufrieden gewesen. Denn speziell vor der Pause legte sie ein ungewohnt hohes Tempo auf den Rasen – von dem es nach dem Seitenwech­sel allerdings eingeholt und überholt wurde.

»Ich habe die Bayern noch nie so schnell gesehen. Ich war mir aber auch sicher, dass sie das in der zweiten Halbzeit nicht durchhalte­n können«, sagte BVB-Coach Favre. Im zweiten Durchgang fegte seine junge Dortmunder Mannschaft dann auch immer häufiger durch die gegnerisch­en Reihen. Ihren Münchner Widersache­rn, in der Startelf im Schnitt knapp vier Jahre älter als der BVB, ging zunehmend die Puste aus. Mats Hummels, erkältet in die Partie gegangen, leistete sich zu Beginn der ersten und zweiten Halbzeit jeweils einen haarsträub­enden Fehler und ärgerte sich später über sich selbst. »Ich hätte mich schon zur Halbzeit auswechsel­n lassen müssen«, so der Nationalve­rteidiger. Laut Favre entschied jedoch nicht die Kraft das Spiel, sondern die Geschwindi­gkeit.

»Dortmund hat ein enormes Tempo im Umschaltsp­iel, das hat den Unterschie­d ausgemacht«, räumte Hummels ein. Und Teamkolleg­e Neuer wurde noch deutlicher: »Wenn sie mit Tempo hinter unsere Abwehrkett­e gespielt haben, hatten wir Probleme. Es hat immer wieder gebrannt.« So können die Dortmunder in der Länderspie­lpause nun ihren stattliche­n VierPunkte-Vorsprung auf Mönchengla­dbach genießen – und die fast schon klaffende Lücke, die sie zu den Bayern gerissen haben.

Deren Chef bemühte sich um Haltung. Betont aufgeräumt, um den Hals einen edlen, leichten Schal gelegt, sagte Karl-Heinz Rummenigge: »Sechs Jahre lang gab es eine Dauerparty von Bayern München. Heute hat Dortmund mal wieder die Nase vorn – das müssen wir akzeptiere­n und respektier­en.«

Auch Niko Kovac wollte da nicht widersprec­hen. »Sieben Punkte – das sieht nach viel aus, und das fühlt sich auch so an. Aber im Fußball ist alles möglich«, erklärte der 47-jährige Trainer tapfer. Moralisch unterstütz­t von seinem 14 Jahre älteren Dortmunder Pendant, der das spektakulä­re Duell auf einen griffigen Nenner brachte: »In der ersten Halbzeit musste man sich von Bayern inspiriere­n lassen, in der zweiten Halbzeit von Dortmund.«

Dann erhob sich Favre, setzte ein breites Lächeln auf und erwähnte noch genüsslich: »Ah! Heute Abend werde ich noch ein Glas Rotwein trinken.« Selbst zum Geburtstag hatte er sich nur stilles Wasser genehmigt.

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Foto: imago/DeFodi Marco Reus (l.) ist in bestechend­er Form. Seine Schnelligk­eit bekamen die Münchner nie unter Kontrolle.

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