Mit Risiko und warmer Unterwäsche
Schon die ersten zwei Partien um die Schach-WM haben erinnerungswürdige Momente geboten. Dabei endeten sie nur remis
Zwei Partien, zwei Remis: Zwar gab es im WM-Duell zwischen Norwegens Magnus Carlsen und dem USAmerikaner Fabiano Caruana noch keinen Sieg, doch der Auftakt in London verspricht viel. Magnus Carlsen versuchte gar nicht erst, seine Überraschung zu verbergen. »Ich habe gedacht: Oh Mist«, sagte der Schachweltmeister aus Norwegen – jugendfrei übersetzt. Mit einem ungewöhnlichen Turmzug hatte der Herausforderer Fabiano Caruana aus den USA den Titelverteidiger zuvor in der zweiten WM-Partie in arge Bedrängnis gebracht. »Das war sehr ungemütlich. Und ich war nicht vorbereitet«, betonte der Norweger, der sich letztendlich aber noch zur Punkteteilung retten konnte.
Es war das zweite Remis in der zweiten Begegnung. Somit steht es ausgeglichen 1:1 zwischen den beiden derzeit besten Schachspielern der Welt. Doch schon jetzt ist klar: Das Titelduell im Holborn College in London scheint die im Vorfeld hohen Erwartungen wirklich erfüllen zu können. Die Kontrahenten schenkten sich bereits zu Beginn nichts.
Denn konnte Caruana den seit 2013 amtierenden Weltmeister am Samstag überraschen, war es am Tag zuvor Carlsen gewesen, der mit spektakulärem Spiel für Aufsehen sorgte. In der ersten Partie hatte er mit viel Druck seinen Kontrahenten in die Defensive gedrängt, stand dicht vor dem Sieg, ehe der US-Amerikaner doch noch zur Punkteteilung kam – nach insgesamt 115 Zügen und sieben Stunden Spielzeit. Nur 1978 hatte es zwischen Anatoli Karpow und Viktor Kortschnoi eine längere WM-Partie gegeben, die erst nach 124 Zügen ebenfalls mit einem Remis endete.
Wer jedoch dachte, der 26 Jahre alte Herausforderer würde sich vom Champion beeindrucken lassen, sah sich am Folgetag getäuscht. Hervorragend vorbereitet fand er in der zweiten Partie im zehnten Zug eine Variante, die Carlsen sehr lange grübeln ließ. »Ich wollte es versuchen, aber es ist auch riskant für Schwarz«, schilderte Caruana seine Taktik. Dabei überraschte er den Weltmeister in einer Variante des Damengambits mit einem seltenen Zug. Carlsen verbrauchte daraufhin viel Bedenkzeit, um die Stellung im Gleichgewicht zu halten. Er wählte sichere Fortsetzungen und forcierte nach und nach den Tausch mehrerer Figuren. Dabei nahm er die schlechtere Bauernstruk- tur in Kauf, konnte aber den Nachteil kompensieren. Es entstand ein Turmendspiel, in dem Carlsen um das Remis kämpfen musste. Caruana hatte zwar einen Bauern mehr, doch das Material war stark reduziert. Er willigte schließlich nach 49 Zügen in die Punkteteilung ein.
In den ersten zwei Partien des WMDuells überzeugten beide Spieler mit den schwarzen Figuren und ihrer guten Vorbereitung, so dass sich Caruana nach dem Ruhetag am Sonntag für die dritte Partie an diesem Montag etwas einfallen lassen muss, um mit Weiß Druck auszuüben. Dabei hoffen die Schachfans erneut auf einen spannenden Schlagabtausch.
Schon jetzt lieferte das WM-Duell erinnerungswürdige Momente. An- gefangen beim Schauspieler Woody Harrelson, der den ersten Zug der WM ausführte, wobei er zunächst den falschen Bauern bewegte und erst auf Intervention Caruanas im zweiten Versuch richtig lag. Oder Carlsen, dem die Temperaturen im Holborn College offenbar zu niedrig sind. Am Samstag trat er laut norwegischen Medien mit wollener Unterwäsche an.
Carlsen ist seit 2013 Weltmeister und hat seither den Titel zweimal erfolgreich verteidigt. Caruana liegt hinter ihm auf Platz zwei der Weltrangliste. Der WM-Kampf ist auf zwölf Partien angesetzt. Wer zuerst 6,5 Punkte erreicht, krönt sich zum Weltmeister. Bei Gleichstand erfolgt ein Tiebreak. Das Preisgeld beträgt eine Million US-Dollar.