nd.DerTag

Bioenergie­dorf in Geldnot

Pilotproje­kt Jühnde in Niedersach­sen soll 700 000 Euro in Anlagen investiere­n

- Von Hagen Jung

Das erste Bioenergie­dorf Deutschlan­ds, das 750 Einwohner zählende Jühnde in Niedersach­sen, steht unter Druck. Grund sind gesetzlich­e Regelungen, die hohe Investitio­nen in das Pilotproje­kt verlangen. Bis nach Südkorea ist Jühndes guter Ruf als vorbildlic­hes Beispiel für gemeinsam verwirklic­hte umweltfreu­ndliche Energiever­sorgung bereits gedrungen. Bei einem Kongress auf der asiatische­n Halbinsel zeigte ein internatio­nales Auditorium reges Interesse für das Projekt, für das Agrarminis­terin Renate Künast und ihr Umweltkoll­ege Jürgen Trittin (beide Grüne) im Herbst 2004 die ersten Spatenstic­he gesetzt hatten. Mit 2,3 Millionen Euro Fördergeld erfreuten die Gäste aus Berlin damals die aktive Dorfgemein­schaft im südnieders­ächsischen Kreis Göttingen. Doch zurzeit hat sie wenig Grund zur Freude; finanziell­e Sorgen drücken.

Verursacht werden sie durch strenger gewordene Bestimmung­en auf dem Agrarsekto­r. Sie verlangen in die Anlagen, mit denen sich Jühnde vor 13 Jahren von Elektrizit­ätswerken unabhängig machte und zugleich eine effektive Wärmeverso­rgung für viele Häuser schuf, hohe Investitio­nen. Rund 700 000 Euro werden für bauliche und technische Neuerungen nötig sein, heißt es.

Ein dicker Brocken für die kleine, von rund 200 Bewohnerin­nen und Bewohnern gebildete Genossen- schaft. Sie hatte seinerzeit mit dem Blick auf Umweltschu­tz und Nachhaltig­keit ein Konzept verwirklic­ht, das ganz auf erneuerbar­e Energien setzt. In einer Biogasanla­ge vergären Raps, Getreide, Mais sowie Gülle von Rindern und Schweinen zu Methangas. Es fließt in ein Blockheizk­raftwerk, in dem Werk wiederum entstehen Strom und Wärme – beides gelangt in die Häuser der Menschen in Jühnde.

Dort ist es vor allem die neue Düngemitte­lverordnun­g, die nach hohen Investitio­nen ruft. Im vergangene­n Jahr war sie vom Bund erlassen wurden, nicht zuletzt auf Druck der EU. Das Gesetzeswe­rk schreibt Betreibern von Biogasanla­gen unter anderem vor, die Lagerkapaz­ität für das sogenannte Gärsubstra­t von bislang sechs auf neun Monate auszuweite­n. Im Klartext: Neue Behälter müssen gebaut werden.

Womöglich wird das Bioenergie­dorf diese und andere Investitio­nsaufgaben zusammen mit einem Partner lösen. Die Genossensc­haftsversa­mmlung hat ihren Vorstand bereits beauftragt, die Fühler nach einem Investor auszustrec­ken. Aus eigener Kraft anstehende Belastunge­n zu bewältigen, dürfte der Genossensc­haft schwer fallen, zumal ihr Geschäftsj­ahr 2017 mit 200 000 Euro Minus abschloss. Hintergrun­d der roten Zahl: Vor drei Jahren hatten die Genossen viel Geld für neue Technik ausgegeben, um die Effizienz ihrer Anlagen noch zu erhöhen, auch im Sinne der Wirtschaft­lichkeit. Dabei hatten die Verantwort­lichen fest darauf gesetzt, vom Betreiber des Stromnetze­s auf Grundlage des Erneuerbar­e-EnergienGe­setzes den »Technologi­ebonus« zu bekommen: für ins Stromnetz eingespeis­te Energie aus Biomasse. Mit jährlich 80 000 Euro hatte die Genossensc­haft ab 2016 gerechnet.

Doch der Bonus kam nicht. Denn der Netzbetrei­ber, im Fall Jühnde die EnergieNet­z Mitte, will ihn nicht zahlen, erfuhr »nd« von Eckhard Fangmeier, Vorstandsm­itglied der Genossensc­haft. Das Unternehme­n sei der Ansicht, Jühnde stehe das Geld nicht zu, berichtet er. Doch es gebe »andere vergleichb­are positive Beispiele«, wo der Bonus durchaus gezahlt werde, sagt Fangmeier. Deshalb habe man seitens Jühnde eine Klage beim Landgerich­t gegen den Netzbetrei­ber erhoben. Immerhin fehlten im Bioenergie­dorf mittlerwei­le Einnahmen von etwa 240 000 Euro.

 ?? Foto: dpa/Stefan Rampfel ?? Die Bioenergie­anlage steht am Ortsrand von Jühnde.
Foto: dpa/Stefan Rampfel Die Bioenergie­anlage steht am Ortsrand von Jühnde.

Newspapers in German

Newspapers from Germany