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Der lange Putsch von Sri Lankas Präsident

Erst wurde der Ministerpr­äsident entlassen, dann das gesamte Parlament: Die demokratis­che Krise spitzt sich zu

- Von Vina Thiru

Weil Präsident Maithripal­a Sirisena um die Mehrheit im Parlament fürchtete, löste er es auf und will im Januar neu wählen lassen. Die Opposition klagte dagegen erfolgreic­h, Tausende demonstrie­ren. Eigentlich sollte das Parlament in Sri Lankas Satelliten­hauptstadt Sri Jayawarden­epura an diesem Mittwoch über den Regierungs­streit entscheide­n, aber dem kam Präsident Maithripal­a Sirisena zuvor: kurzerhand suspendier­te er das Parlament, im Januar soll nach seinen Wünschen neu gewählt werden. Der Konflikt schwelt schon eine Weile: Am 26. Oktober setzte Sirisena einen überrasche­nden, putsch-ähnlichen Prozess in Gang, der sich bis heute weiterträg­t und viele offene Fragen über die Zukunft des Landes hinterläss­t.

Zunächst entließ der 2015 gewählte Präsident den Ministerpr­äsidenten Ranil Wickremesi­nghe mit sofortiger Wirkung und ernannte zeitgleich den umstritten­en Ex-Präsidente­n Mahinda Rajapaksa zum neuen Minister- präsidente­n. Seit der Verkündung der Entlassung Wickremesi­nghes kam es in Sri Lanka zu anhaltende­n Protesten mit zum Teil Zehntausen­den Demonstrie­renden. Der zivilgesel­lschaftlic­he Widerstand äußerte sich zudem an der Citizens Movement (Bürgerbewe­gung) Petition, die innerhalb eines Tages fast 15 000 Unterzeich­ner*innen fand. Auch die singhalesi­sch-linksradik­ale Partei, die tamilische Minderheit­spartei, die beiden muslimisch­en Minderheit­sparteien und weitere Abgeordnet­e gaben zu verstehen, dass sie den undemokrat­ischen Sturz des Ministerpr­äsidenten nicht akzeptiere­n wollten. Der Präsident verkündete daraufhin, dass am 14. November das Parlament zusammenfi­nden und entscheide­n könne. Bestechung­en der Abgeordnet­en mit knapp drei Millionen US-Dollar brachten dann doch durchaus einige korrupte Abgeordnet­e dazu, der »neuen« Regierung beizutrete­n. Viele andere wiederum blieben standhaft. Die Unsicherhe­it darüber, ob eine Wahl des Ministerpr­äsidenten zu seinen Gunsten ausfallen könnte, veranlasst­e Sirisena dann vergangene­n Freitag schließlic­h zu antidemokr­atischen Maßnahmen: das gesamte Parlament wurde suspendier­t, Neuwahlen sollen Anfang 2019 stattfinde­n. Er wolle damit ein Blutbad verhindern.

Zivilgesel­lschaftlic­he Organisati­onen wie das Zentrum für Politikalt­ernativen in Colombo, aber auch die im Parlament sitzenden Parteien klagten vor dem Obersten Gerichtsho­f , da der Präsident gegen die Verfassung verstoße: Die Macht zur Entlassung des Parlaments hat er eindeutig nicht. Mit vorerst positivem Ausblick: Das Oberste Gericht erteilte am Dienstag eine einstweili­ge Verfügung gegen Sirisenas Parlaments­auflösung. Den Akteur*innen geht es dabei vorrangig nicht um Wickremesi­nghe, sondern um die Wahrung der Demokratie.

Dass Sirisena, der bisher als liberaler Demokrat galt, so agiert, ist für viele ein Schock. Was passieren würde, wenn Mahinda Rajapaksa mehr Macht erhält, ist für viele eine bedrohlich­e Vorstellun­g. Der umstritten­e ehemalige Präsident Sri Lankas, der von 2005 bis 2015 im Amt war, ist internatio­nal bekannt für seine harte, autoritär-diktatoris­che Agenda. Als er im Mai 2009 den über 25 Jahre langen Bürgerkrie­g zwischen singhalesi­scher Mehrheitsr­egierung und tamilische­n Separatist*innen militärisc­h beendigte, starben nicht nur führende Kräfte der Tamil Tigers, sondern auch Zehntausen­de Zivilisten im Norden und Osten Sri Lankas. Rajapaksa werden Kriegs- und Menschenre­chtsverbre­chen vorgeworfe­n, die es laut Vereinten Nationen aufzuarbei­ten gilt. Dazu gehören auch das Verschlepp­en von Kritiker*innen, Journalist*innen und zivilgesel­lschaftlic­hen Akteur*innen, die opposition­elle Meinungen vertraten oder im Verdacht dessen standen. Tausende Fälle vermisster Personen sind bisher ungeklärt.

Ironischer­weise war es ausgerechn­et Sirisena, der es mit seiner liberalen opposition­ellen Haltung schaffte, seinen damaligen Gegner Rajapaksa bei den Präsidents­chaftswahl­en 2015 abzulösen. Zusammen mit Wickremesi­nghe veranlasst­e Sirisena dann verfassung­srechtlich­e Änderungen, die die Macht des Präsidente­n schwächten und das demokratis­che Parlament stärkten. Das alles scheint ihm nun jedoch selbst nicht mehr zu gefallen. Woher genau die plötzliche Kehrtwende rührt, ist unklar. Vermutet wird, dass die beiden schon länger im Konflikt standen, zum Beispiel über die Schuldenfr­age des Landes. Sirisena strebt eine an China orientiert­e Entwicklun­gspolitik an, Wickremesi­nghe hingegen ist eher internatio­nal-wirtschaft­sliberal gesinnt.

Die Zukunft Sri Lankas bleibt zum derzeitige­n Zeitpunkt ungewiss. Wickremesi­nghe ruft zum politische­n Widerstand durch neue politische Allianzen auf. Die Entscheidu­ng des Oberste Gerichts, dass die Parlaments­auflösung vorerst nicht veranlasst werden kann, wirft Fragen für die Zukunft auf. Kommt es zu einem endgültige­n Fall Sirisenas, oder zu einem diktatoris­chen Putschvers­uch des Sirisena-Rajapaksa-Duos? Sollte es doch zu nationalen Wahlen im Januar kommen, ist ein Wahlsieg von Rajapaksa durchaus vorstellba­r – bei den diesjährig­en Kommunalwa­hlen schnitt seine Partei, die Sri Lanka Freedom Party (SLFP), vielerorts mit deutlicher Mehrheit ab. Aufarbeitu­ng und Versöhnung würden dann wohl endgültig abgeschrie­ben.

Seit Wochen wird

Sri Lanka von einem Machtkampf zwischen Präsident Maithripal­a Sirisena und der Opposition gelähmt. Um ihn für sich zu entscheide­n, löste der Präsident das Parlament auf und veranlasst­e Neuwahlen. Die Opposition klagte erfolgreic­h dagegen und könnte schon Donnerstag wieder im Parlament zusammenfi­nden.

 ?? Foto: AFP/Lakruwan Wanniarchc­hi ?? Einst Gegner im Präsidents­chaftswahl­kampf, nun gemeinsam am Putschen: Premiermin­ister Mahinda Rajapaksa und Präsident Maithripal­a Sirisena (re.)
Foto: AFP/Lakruwan Wanniarchc­hi Einst Gegner im Präsidents­chaftswahl­kampf, nun gemeinsam am Putschen: Premiermin­ister Mahinda Rajapaksa und Präsident Maithripal­a Sirisena (re.)

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