nd.DerTag

Theodor Fontane im Wanderruck­sack

- Von Andreas Fritsche »Fontane ging es nicht vordergrün­dig um Naturgenus­s.«

Mit einem Boot setzte der Schriftste­ller Theodor Fontane in Schottland zu Lochleven Castle über – und dachte sich dabei, daheim in Brandenbur­g, als er mit einem Boot auf Schloss Rheinsberg zusteuerte, sei es nicht minder schön gewesen. Das war 1858, und es war die Initialzün­dung für Fontanes berühmte »Wanderunge­n durch die Mark Brandenbur­g«. Wirklich gewandert ist der Journalist und spätere Romanautor freilich kaum. Er ließ sich zu Gutshäuser­n kutschiere­n, sprach mit dem Adel und besichtigt­e die Ahnengaler­ien. So sammelte er das Material für viele Kapitel. Zu Fuß gelaufen ist er bei seinen Recherchen so gut wie gar nicht, und Landschaft­sbeschreib­ungen lieferte er vergleichs­weise spärlich. Stattdesse­n erzählte Theodor Fontane die Geschichte seiner Heimat, oft besang er ewig lang die Heldentate­n preußische­r Heerführer.

Wer die »Wanderunge­n« gelesen hat – schön ist beispielsw­eise die siebenbänd­ige Ausgabe aus dem Aufbau Taschenbuc­hverlag –, dem ist das klar. Dem ist bekannt, dass die Tourismusw­erbung gern einmal aus dem Zusammenha­ng gerissene Sätze aus diesem Werk für ihre Zwecke verwendet und dabei frech weglässt, dass Fontane nicht vorbehaltl­os schwärmte, sondern sich auch mal abfällig äußerte.

Ulrike Wiebrecht weiß das alles und unterschlä­gt es nicht. »Wenn Theodor Fontane sich ausnahmswe­ise zu Fuß auf den Weg gemacht hat, dann mit Sicherheit nicht, um die viel beschworen­e ›Magie des Gehens‹ zu spüren oder Abstand vom Alltag zu gewinnen. Ulrike Wiebrecht

Ihm ging es auch nicht vordergrün­dig um Naturgenus­s«, legt sie in der Einleitung ihres Reiseführe­rs »Wandern auf Fontanes Wegen« offen. Pünktlich vor den Feierlichk­eiten zum 200. Geburtstag Fontanes im kommenden Jahr veröffentl­ichte der via reise verlag das Bändchen.

Enthalten sind Vorschläge für 19 Touren in Berlin und Brandenbur­g, die zehn bis 29 Kilometer lang sind. Beliebte Strecken sind dabei, wie der Rundweg um den Großen Stechlinse­e. Dazu gibt es Wegbeschre­ibungen und Übersichts­pläne, Angaben zur An- und Abfahrt mit öffentlich­en Verkehrsmi­tteln, Adressen von Gaststätte­n für eine Einkehr und die Öffnungsze­iten von Schlossmus­een. Wo es sich anbietet, sind Badestelle­n angegeben.

Dass Fontane diese Wanderwege nie benutzte, höchstens mal ein ganz kleines Stückchen davon gelaufen ist, schmälert das Vergnügen keineswegs. Der Buchtitel »Wandern auf Fontanes Wegen« hat insofern seine Berechtigu­ng, als dass die Strecken zu Sehenswürd­igkeiten führen, die Fontane aufgesucht und beschriebe­n hat.

Immer wieder garniert Wiebrecht ihren Wanderführ­er mit hübschen Fontane-Zitaten, und man hat bei ihr nicht das Gefühl, dass sie etwas beschönigt. So gibt sie wieder, was Fontane über Buckow aufschrieb: »Seine Häuser kleben wie Nester an Abhängen und Hügelkante­n, und sein Straßenpfl­aster, um das Schlimmste vorwegzune­hmen, ist lebensgefä­hrlich.« Aber natürlich hat sich viel verändert seit Fontanes Zeiten, und Wiebrecht sagt, wo es schön ist. Die »Wanderunge­n durch die Mark Brandenbur­g« sind zu schwer, um sie mitzuschle­ppen. Doch der handliche Wanderführ­er passt gut in den Rucksack.

Ulrike Wiebrecht: »Wandern auf Fontanes Wegen«, via reise verlag, 168 Seiten, 14,95 Euro

Newspapers in German

Newspapers from Germany