Probewohnen in Eberswalde
Das Wohnungsunternehmen WHG wirbt in Kooperation mit der Stadtverwaltung um Zuzügler aus Berlin
In Berlin herrscht Wohnungsnot. Es gibt Einwohner, die nach Brandenburg ausweichen möchten. Auch Eberswalde will diesen Trend für sich nutzen. Andreas Schmidt und Tabea Woydt sind begeistert. Eine Woche lang haben die beiden Berliner gemeinsam mit Tochter Kalea in Eberswalde verbracht. »Besonders gefallen haben uns die offene Art der Bewohner, die kurzen Wege und die schöne Landschaft in der Umgebung«, fasst der Familienvater seine Eindrücke zusammen. Schon länger möchte das Paar die Hauptstadt verlassen. Berlin sei zu voll, zu teuer und zu dreckig geworden.
Die Kreisstadt des Barnim lag bis dato allerdings nicht in ihrem »Suchradius«. Inzwischen aber wissen Schmidt und Woydt, dass sie von Eberswalde aus mit dem Zug binnen 30 Minuten in Berlin sind. So lange brauchen sie häufig schon innerhalb der Hauptstadt, um von A nach B zu kommen. Es gibt zwar keine S-Bahn nach Eberswalde, aber der Regionalexpress 3 fährt zumindest in Stoßzeiten alle halbe Stunde. Dass sie die Vorzüge der 40 000 Einwohner zählenden Stadt in Ostbrandenburg jetzt zu schätzen wissen, liegt am Probewohnen, das ihnen ermöglicht wurde: Eine Woche lang stand ihnen kostenlos eine möblierte Gästewohnung der WHG Wohnungsbau- und Hausverwaltungs GmbH mitten im Stadtzentrum zur Verfügung.
»Zum Probewohnen gehören außerdem freier Eintritt für unsere wichtigsten Freizeiteinrichtungen wie Zoo, Familiengarten oder Schwimmbad ›baff‹, ein Präsentkorb mit regionalen Produkten sowie freie Fahrt mit unseren O-Bussen«, erläutert Eberswaldes Wirtschafts- und Sozialdezernent Jan König. Mit der Aktion soll Eberswalde als attraktiver Wohnstandort bekannt gemacht werden. »Die Stadt hat nach der Wende viele Einwohner verloren. Wenn wir uns als mittelgroße Kommune etablieren wollen, geht das nur durch Zuzug«, sagt König.
Beim Probewohnen könnten die Ortsfremden ein erstes Gefühl für die Stadt bekommen, ist WHG-Vizegeschäftsführerin Doreen Boden überzeugt.
Schmidt und Woydt waren bereits die dritten Probebewohner in diesem Jahr. Die kostenlose Woche war je- weils verlost worden. »Den Auftakt machte ein Gewinnspiel auf unserer Rückkehrerbörse Ende vergangenen Jahres. Später haben wir gezielt an Berliner Bahnhöfen mit großen Herzplakaten geworben«, sagt König, der selbst vor Jahren aus Berlin nach Eberswalde kam und inzwischen nicht mehr in die Metropole zurück will. »Solange man ungebunden ist, nutzt Du das Berliner Nachtleben, dass von Eberswalde aus schnell zu erreichen ist. Mit Kind verschieben sich die Perspektiven«, so seine Erfahrungen.
Mit der Resonanz ist der Dezernent zufrieden, so dass die Aktion im kommenden Jahr wiederholt werden soll. Auch beim Eberswalder Stadtfest, dem Filmfestival »Provinziale« oder beim Zoojubiläum soll für das Probewohnen geworben werden. Kö- nig steht mit den möglichen Neubürgern in Kontakt. Die haben noch viele Fragen, beispielsweise zur Kinderbetreuung und zu beruflichen Perspektiven. »Da können wir nicht immer punkten: In Berlin sind die Kitas kostenlos, bei uns müssen Eltern Gebühren zahlen«, erklärt König. Ein weiteres Manko: Einige Interessenten wollen von Zuhause aus im »Homeoffice« arbeiten, bräuchten dafür schnelles Internet. »Wir arbeiten noch am Breitbandausbau«, sagt König, nach dessen Angaben auch viele Brandenburger aus dem Umland nach Eberswalde ziehen.
Wie viele Berliner sich tatsächlich für Eberswalde entscheiden, ist noch unklar. »Wir setzen da auch auf die Schneeballwirkung: Unsere Probebewohner werden ihre Erfahrungen sicher im Bekanntenkreis weitergeben«, hofft Doreen Boden. Die WHG mit ihren 5800 Wohnungen verzeichne bereits seit etwa drei Jahren eine verstärkte Nachfrage von Berliner Familien, die ihre Kinder nicht in der Großstadt aufwachsen lassen wollen. Eberswalde sei überschaubar, grün und alles schnell erreichbar, zählt Boden auf. »Hier können sich Kinder noch frei bewegen, fast jeder kennt jeden. Da braucht es keine Helikoptereltern.«
Und es gibt noch bezahlbare Mietwohnungen, die Quadratmeterpreise liegen zwischen 5,50 und 10 Euro, je nach Sanierung, Ausstattung und Lage. »Wir haben einen Leerstand von elf Prozent, sieben Prozent davon müssen aber noch saniert werden«, erläutert Boden. Ihr zufolge hat die WHG allein in diesem Jahr 13 Millionen Euro dafür investiert.