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Viel Hass und eine nervöse Mitte

Dritter Sachsen-Monitor offenbart anhaltend verbreitet­e Ressentime­nts im Freistaat

- Von Hendrik Lasch

Zehn Monate vor der Landtagswa­hl zeigt der Sachsen-Monitor, dass die Bürger am meisten soziale Probleme und die Daseinsvor­sorge beschäftig­en. Sichtbar ist auch ein hohes Maß an Fremdenfei­ndlichkeit. Der Lehrermang­el ist das gravierend­ste Problem in Sachsen. Dieser Aussage stimmt beim jetzt vorgelegte­n dritten Sachsen-Monitor jeder Fünfte der gut 1000 Befragten zu. Der Wert stieg binnen Jahresfris­t um sieben Prozentpun­kte. Auch Arbeitslos­igkeit, Billiglöhn­e und fehlende soziale Sicherheit bewegen die Menschen. Mit insgesamt 47 Prozent bildeten derlei soziale Probleme »den größten Bereich der gesellscha­ftlichen Sorgen der Sachsen«, sagt Roland Löffler, Leiter der Landeszent­rale für politische Bildung und Chef eines Beirats, der die vom Umfrageins­titut dimap seit 2016 jährlich durchgefüh­rte Erhebung begleitet. Zudem sorgen sich 36 Prozent der Befragten um die Daseinsvor­sorge, also ausreichen­de ärztliche Versorgung, Kindergärt­en oder Läden. Deren Abbau wird als ein Verlust von Heimat empfunden, die wiederum von 89 Prozent der Sachsen als sehr oder eher wichtig angesehen wird.

Die Ergebnisse sind rund zehn Monate vor der Landtagswa­hl ein Alarmzeich­en – ebenso wie das anhaltend hohe Maß an Ressentime­nts und Rassismus. 56 Prozent der Sachsen sehen Deutschlan­d als »in gefährlich­em Maß überfremde­t« an. Damit liege der Freistaat »weiterhin deutlich über dem Bundesdurc­hschnitt«, warnt der Beirat. Viele Sachsen halten auch ihr persönlich­es Wohnumfeld für »überfremde­t«. Mit 30 Prozent liegt die Zustimmung bei Unter-Dreißigjäh­rigen noch höher als bei Menschen über 70. Angesichts eines Ausländera­nteils im niedrigen einstellig­en Prozentber­eich sei die Aussage »bemerkensw­ert«, sagt dimap-Mitgeschäf­tsführer Reinhard Schlinkert.

Ressentime­nts treffen dabei Zuwanderer und Muslime, aber auch Sinti und Roma sowie zunehmend Langzeitar­beitslose. Der Aussage, dass sich diese »ein schönes Leben auf Kosten anderer« machten, stimmt jeder zweite Sachse zu – ein Plus von sieben Prozentpun­kten. Rund 15 Prozent der Sachsen stimmen auch harten menschenfe­indlichen Aussagen zu, etwa der, wonach es unwertes Le- ben gebe oder Juden »etwas Eigentümli­ches an sich haben und nicht so recht zu uns passen«. Der Chef der sächsische­n Staatskanz­lei Oliver Schenk (CDU) sprach von einem »Zivilisati­onsverlust in Teilen der Gesellscha­ft«, dem man sich entgegen stellen müsse. Allerdings, betont Löffler, lehne auf der anderen Seite die Hälfte der Sachsen »fast alle Ressentime­nts ab«.

Der Beirat, dem Kommunalpo­litiker, Wissenscha­ftler und Vertreter der Zivilgesel­lschaft angehören, sieht in den Ergebnisse­n der zum dritten Mal durchgefüh­rten Umfrage das Bild einer »nervösen und gespaltene­n Mitte der Gesellscha­ft«. Löffler sprach auch von einer »Drittelges­ellschaft«. Ein Drittel der Bürger sei zufrieden und schaue positiv in die Zukunft; ein Drittel sei verunsiche­rt und anfällig für Misstrauen und Ressentime­nts; ein Drittel fühle sich abgehängt, ungerecht behandelt und ist fest in Ressentime­nts verhaftet.

Zu den Erkenntnis­sen des diesjährig­en Monitors gehört zudem, dass es auch innerhalb Sachsens regionale Unterschie­de gibt. Der Aussage, die Ostdeutsch­en seien Bürger zweiter Klasse, stimmten im ehemaligen Bezirk Chemnitz 65 Prozent zu, im Bezirk Dresden 49, im Bezirk Leipzig nur 40 Prozent. Die Chancen für sozialen Aufstieg sehen im Raum Chemnitz nur 45 Prozent als gut an, um Dresden sind es 55 und in der Region Leipzig 66 Prozent.

Wie schon in den vergangene­n Jahren offenbart die Studie zudem ein gespanntes Verhältnis zum politische­n System der Bundesrepu­blik. Dimap-Chef Reinhard Schlinkert verweist auf Fragen zur direkten Demokratie. Die übergroße Mehrheit wünscht sich mehr Einfluss der Bürger auf die Politik durch Volksabsti­mmungen. 68 Prozent der Sachsen verlangen aber darüber hinaus, dass die Politik den Volkswille­n auch umzusetzen habe – »egal, was Gerichte, Parlamente oder das Grundgeset­z dazu meinen«.

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Foto: dpa/Hendrik Schmidt Aktionstag gegen Lehrermang­el in Leipzig

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