Ruppiger Arbeitsmarkt für Wanderarbeiter und Flüchtlinge
Im Saarland gibt es jetzt unter dem Dach der Arbeitskammer Beratungsstellen
Nun hat auch das Saarland eine Beratungsstelle für Wanderarbeiter und noch eine für Flüchtlinge dazu. Eine Bulgarin, eine Rumänin und ein Syrer beraten Hilfesuchende. »Am Arbeitsmarkt wird mit Menschen, die die Sprache nicht kennen, sehr ruppig umgangenen«, sagt Egbert Ulrich, der die Beratungsstellen für Wanderarbeiter und für Geflüchtete bei der Arbeitskammer des Saarlandes (AK) leitet. Eine Bulgarin, eine Rumänin und ein Syrer beraten seit einigen Monaten die beiden Personengruppen, die es am Arbeitsmarkt besonders schwer haben. Die Beratungsstelle für »Wanderarbeit und mobile Beschäftigte« nahm im Mai ihre Arbeit auf. Sie wird vom Wirtschaftsministerium finanziert. Die »Arbeitsrechtliche Beratungsstelle IQ Faire Integration für Geflüchtete« kam im Juli dazu und wird vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge finanziert.
Das Saarland ist das letzte Bundesland, das eine Beratungsstelle für Wanderarbeiter eingerichtet hat. Initialzündung waren zwei Skandale mit Wanderarbeitern vor fünf Jahren. Damals wurde publik, dass Rumänen auf einer Großbaustelle für einen Ferienpark am Bostalsee im Nordsaarland als Scheinselbstständige – wenn überhaupt – nur Hungerlöhne bekamen. Und beim Fleischwarenhersteller Höll hatten 30 Osteuropäer geschuftet, die ein Dienstleister angeheuert, nach Saarbrücken in eine Altbauwohnung gesteckt und ihnen Lohn vorenthalten hatte.
CDU und SPD vereinbarten nach der Wahl 2017 in ihrem Koalitionsvertrag, für Betroffene eine Beratungsstelle einzurichten. »Wir sind zwar die Letzten, aber nicht die Schlechtesten, was Finanzierung und personelle Ausstattung angeht«, sagt Ulrich. Es gebe im Saarland den großen Vorteil, dass die Regierungsparteien an einem Strang zögen und das ganze unter der Ägide des Landes laufe. Zudem sei die Stelle bei der Arbeitskammer angesiedelt. Eine Arbeitskammer, der alle Beschäftigen im Land angehören, gibt es nur in Bremen und im Saarland. Sie vertritt Arbeitnehmerinteressen und sieht sich als Bindeglied zwischen Politik und Gewerkschaften.
Die Berater sprechen nicht nur ihre Muttersprachen – Arabisch, Bulgarisch, Rumänisch – der Syrer Saleh Muzayek kann auch Serbokroatisch und May Al Mashriki, die die Termine bei der Flüchtlingsberatungsstelle vergibt, Englisch. Die Probleme sind bei beiden Arbeitnehmergruppen ähnlich, wissen die Bulgarin Ekaterina Vecheva und die Rumänin Madalina-Chrsitina Dudas sowie ihr syrischer Kollege Muzayek zu berichten. So wird oft der Lohn nicht oder nicht regelmäßig bezahlt, Überstunden werden nicht vergütet, bei Krankheit oder Urlaub gibt es kein Geld oder der Arbeitgeber hat den Beschäftigten nicht korrekt angemeldet. »Teilweise wird die Ausbeutung zum Prinzip«, sagt Ulrich. Es gebe aber auch andere Firmen, fügt der CDU-Mann hinzu. So hätten sich zwei Arbeitgeber Hilfe suchend an die Beratungsstelle gewandt, um nichts falsch zu machen.
Besonders oft tappen die im deutschen Recht nicht bewanderten Ausländer in ganz simple Fallen. So wissen sie etwa nicht, dass sie ohne schriftliche Kündigung kein Arbeitslosengeld und ohne schriftlichen Arbeitsvertrag kein Kindergeld beantragen können oder bei Krankheit allein wegen einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zum Arzt müssen. Manchmal können die Berater schnell helfen. In anderen Fällen muss der Rechtsweg beschritten werden. Dann wird es aufwendig. Einem rumänischen Ehepaar hätten die Berater geholfen, eine Klageschrift zu verfassen. »Aber das können wir künftig sicher nicht so oft leisten«, bedauert Ulrich. Vor Gericht dürfe die Beratungs- stelle die Betroffenen dann ohnehin nicht mehr vertreten.
Ulrich denkt daran, in Kürze mit Arbeitgebern und Politikern darüber zu sprechen, was verbessert werden kann. Denn vielen Missständen könnte per Regelung von vornherein ein Riegel vorgeschoben werden. So sei es ein Unding, dass im Fall der Arbeiter am Bostalsee ein Einzelner per Vollmacht in Nohfelden 50 Wanderarbeiter als »Selbstständige« anmelden konnte, ohne nachzuweisen, dass diese tatsächlich Unternehmer sind.
Das Beratungsprojekt zur Wanderarbeit ist erst einmal auf zwei Jahre befristet. Aber Ulrich denkt daran, die Beratung nach 2020 sogar noch auszuweiten. Bedarf könnte vor allem für eine Beratung der Pflegekräfte in privaten Haushalten auf Polnisch bestehen. Um an die heranzukommen, könnte sich ein polnischer Werbespot im Saarländischen Rundfunk vor der allabendlichen regionalen Nachrichtensendung anbieten. Solche Pflegerinnen säßen mit den Betreuten gerade zu dieser Zeit oft vor dem Fernseher, so Ulrichs Gedankengang.
Besonders oft tappen die im deutschen Recht nicht bewanderten Ausländer in ganz simple Fallen.