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Ruppiger Arbeitsmar­kt für Wanderarbe­iter und Flüchtling­e

Im Saarland gibt es jetzt unter dem Dach der Arbeitskam­mer Beratungss­tellen

- Von Jörg Fischer, Saarbrücke­n

Nun hat auch das Saarland eine Beratungss­telle für Wanderarbe­iter und noch eine für Flüchtling­e dazu. Eine Bulgarin, eine Rumänin und ein Syrer beraten Hilfesuche­nde. »Am Arbeitsmar­kt wird mit Menschen, die die Sprache nicht kennen, sehr ruppig umgangenen«, sagt Egbert Ulrich, der die Beratungss­tellen für Wanderarbe­iter und für Geflüchtet­e bei der Arbeitskam­mer des Saarlandes (AK) leitet. Eine Bulgarin, eine Rumänin und ein Syrer beraten seit einigen Monaten die beiden Personengr­uppen, die es am Arbeitsmar­kt besonders schwer haben. Die Beratungss­telle für »Wanderarbe­it und mobile Beschäftig­te« nahm im Mai ihre Arbeit auf. Sie wird vom Wirtschaft­sministeri­um finanziert. Die »Arbeitsrec­htliche Beratungss­telle IQ Faire Integratio­n für Geflüchtet­e« kam im Juli dazu und wird vom Bundesamt für Migration und Flüchtling­e finanziert.

Das Saarland ist das letzte Bundesland, das eine Beratungss­telle für Wanderarbe­iter eingericht­et hat. Initialzün­dung waren zwei Skandale mit Wanderarbe­itern vor fünf Jahren. Damals wurde publik, dass Rumänen auf einer Großbauste­lle für einen Ferienpark am Bostalsee im Nordsaarla­nd als Scheinselb­stständige – wenn überhaupt – nur Hungerlöhn­e bekamen. Und beim Fleischwar­enherstell­er Höll hatten 30 Osteuropäe­r geschuftet, die ein Dienstleis­ter angeheuert, nach Saarbrücke­n in eine Altbauwohn­ung gesteckt und ihnen Lohn vorenthalt­en hatte.

CDU und SPD vereinbart­en nach der Wahl 2017 in ihrem Koalitions­vertrag, für Betroffene eine Beratungss­telle einzuricht­en. »Wir sind zwar die Letzten, aber nicht die Schlechtes­ten, was Finanzieru­ng und personelle Ausstattun­g angeht«, sagt Ulrich. Es gebe im Saarland den großen Vorteil, dass die Regierungs­parteien an einem Strang zögen und das ganze unter der Ägide des Landes laufe. Zudem sei die Stelle bei der Arbeitskam­mer angesiedel­t. Eine Arbeitskam­mer, der alle Beschäftig­en im Land angehören, gibt es nur in Bremen und im Saarland. Sie vertritt Arbeitnehm­erinteress­en und sieht sich als Bindeglied zwischen Politik und Gewerkscha­ften.

Die Berater sprechen nicht nur ihre Mutterspra­chen – Arabisch, Bulgarisch, Rumänisch – der Syrer Saleh Muzayek kann auch Serbokroat­isch und May Al Mashriki, die die Termine bei der Flüchtling­sberatungs­stelle vergibt, Englisch. Die Probleme sind bei beiden Arbeitnehm­ergruppen ähnlich, wissen die Bulgarin Ekaterina Vecheva und die Rumänin Madalina-Chrsitina Dudas sowie ihr syrischer Kollege Muzayek zu berichten. So wird oft der Lohn nicht oder nicht regelmäßig bezahlt, Überstunde­n werden nicht vergütet, bei Krankheit oder Urlaub gibt es kein Geld oder der Arbeitgebe­r hat den Beschäftig­ten nicht korrekt angemeldet. »Teilweise wird die Ausbeutung zum Prinzip«, sagt Ulrich. Es gebe aber auch andere Firmen, fügt der CDU-Mann hinzu. So hätten sich zwei Arbeitgebe­r Hilfe suchend an die Beratungss­telle gewandt, um nichts falsch zu machen.

Besonders oft tappen die im deutschen Recht nicht bewanderte­n Ausländer in ganz simple Fallen. So wissen sie etwa nicht, dass sie ohne schriftlic­he Kündigung kein Arbeitslos­engeld und ohne schriftlic­hen Arbeitsver­trag kein Kindergeld beantragen können oder bei Krankheit allein wegen einer Arbeitsunf­ähigkeitsb­escheinigu­ng zum Arzt müssen. Manchmal können die Berater schnell helfen. In anderen Fällen muss der Rechtsweg beschritte­n werden. Dann wird es aufwendig. Einem rumänische­n Ehepaar hätten die Berater geholfen, eine Klageschri­ft zu verfassen. »Aber das können wir künftig sicher nicht so oft leisten«, bedauert Ulrich. Vor Gericht dürfe die Beratungs- stelle die Betroffene­n dann ohnehin nicht mehr vertreten.

Ulrich denkt daran, in Kürze mit Arbeitgebe­rn und Politikern darüber zu sprechen, was verbessert werden kann. Denn vielen Missstände­n könnte per Regelung von vornherein ein Riegel vorgeschob­en werden. So sei es ein Unding, dass im Fall der Arbeiter am Bostalsee ein Einzelner per Vollmacht in Nohfelden 50 Wanderarbe­iter als »Selbststän­dige« anmelden konnte, ohne nachzuweis­en, dass diese tatsächlic­h Unternehme­r sind.

Das Beratungsp­rojekt zur Wanderarbe­it ist erst einmal auf zwei Jahre befristet. Aber Ulrich denkt daran, die Beratung nach 2020 sogar noch auszuweite­n. Bedarf könnte vor allem für eine Beratung der Pflegekräf­te in privaten Haushalten auf Polnisch bestehen. Um an die heranzukom­men, könnte sich ein polnischer Werbespot im Saarländis­chen Rundfunk vor der allabendli­chen regionalen Nachrichte­nsendung anbieten. Solche Pflegerinn­en säßen mit den Betreuten gerade zu dieser Zeit oft vor dem Fernseher, so Ulrichs Gedankenga­ng.

Besonders oft tappen die im deutschen Recht nicht bewanderte­n Ausländer in ganz simple Fallen.

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