Nachtfahrt stand versteckt im Prospekt
Reiserecht
Mit dem Bus an die Côte d'Azur. Wenn allerdings im Reiseprospekt kein klarer Hinweis auf eine Nachtfahrt steht, dürfen Kunden den Reisevertrag kündigen.
Ein älteres Ehepaar buchte im Herbst 2016 eine Busreise nach Südfrankreich. Für die neuntägige Reise bezahlten die Kunden 1394 Euro. Im Reiseprospekt versprach das Busreiseunternehmen, die Reisenden an »Zustiegsmöglichkeiten in der Nähe ihres Wohnortes« abzuholen.
Kurz vor dem Reisetermin erhielt das Ehepaar die Reiseunterlagen. Darin wurde erstmals erwähnt, dass die Kunden am Anreisetag um 23.45 Uhr an einer Tankstelle in Gießen in den Bus steigen sollten: 20 Kilometer vom Wohnort entfernt. Damit war das Ehepaar nicht einverstanden. Da das Busreiseunternehmen an seiner Reiseplanung aber keine Abstriche machte, kündigten die Kunden den Reisevertrag und forderten ihr Geld zurück.
Das Unternehmen erstattete jedoch nur zehn Prozent des Reisepreises und verwies auf den Reiseprospekt: Da stehe »im Kleingedruckten«, die Busreise könne sich in bestimmten Postleitzahlbereichen (darunter der Bereich der Kunden) verlängern oder verkürzen. Damit sei klar, dass die Busfahrten über Nacht stattfinden könnten.
Doch das Amtsgericht München (Az. 262 C 2407/18) fand den im Prospekt versteckten Hinweis überhaupt nicht »klar« und sprach dem Ehepaar den Differenzbetrag zu. Dass mit Fahrtzeiten über Nacht zu rechnen sei, sei dem Prospekt nicht zu entnehmen. Bei einer nächtlichen Anreise könnten die Busurlauber die Landschaft nicht genießen. Außerdem sei es für ältere Menschen unzumutbar unbequem, die ganze Nacht im Bus zu verbringen.
Wenn die Reisebeschreibung keinen deutlichen Hinweis auf die nächtliche Reise enthalte, dürften Reisende aber erwarten, nicht auf diese unkomfortable Art transportiert zu werden. Da im Prospekt des Busunternehmens die »Nachtfahrt« nicht eindeutig so genannt werde, sei die Reisebeschreibung mangelhaft. Das berechtige die Kunden dazu, den Reisevertrag zu kündigen.
Das gelte umso mehr, als im Prospekt zur Anreise vermerkt sei: »In einem schönen Küstenort nahe San Remo verbringen wir die ersten vier Nächte.« Tat- sächlich hätten die Reisenden die erste Nacht im Bus verbringen müssen. Darüber hinaus sollten sie nicht, wie angekündigt, in Wohnortnähe abgeholt werden, sondern 20 km davon entfernt. Das Ehepaar hätte also kurz vor Mitternacht an einer einsamen Stelle zusteigen und dort seinen Wagen über eine Woche lang parken sollen. Auch diese Abfahrtsbedingungen seien unzumutbar. einer der Versicherten unerwartet schwer erkrankte.
Die Tochter litt an Mukoviszidose, eine vererbte Lungenkrankheit. Sie stand deshalb seit zwei Jahren auf der Warteliste für eine Lungentransplantation. Zweieinhalb Wochen vor dem Urlaub meldete sich das Transplantationszentrum und teilte mit, dass es ein Spenderorgan gebe. In ein paar Tagen könne die Operation stattfinden, danach sei ein stationärer Aufenthalt im Klinikum notwendig. Da die Eltern die Tochter in diesem Zeitraum ständig betreuen sollten, hatte sich die Ägyptentour erledigt. Der Mann sagte sie ab.
Erfolglos forderte er von der Reiseversicherung Ersatz für die fällige Stornogebühr. Hier handle es sich nicht um eine »unerwartete schwere Erkrankung«, für die sie einspringen müsste, so die Versicherung.
Das Amtsgericht Frankfurt am Main (Az. 32 C 196/18) wies die Zahlungsklage des Versicherungsnehmers ab. Zwar sei es unter den gegebenen Umständen unmöglich gewesen, die Reise anzutreten. Doch die überraschend angesetzte Operation sei keine unerwartete schwere Erkrankung, sondern eine Therapie für die Krankheit Mukoviszidose, unter der die Tochter seit zwei Jahren leide. Wenn ein Versicherter wisse, dass er schwer krank und für eine Transplantation gelistet sei, gehe er mit einer Urlaubsbuchung ein Risiko ein. Dieses Risiko müsse der Erkrankte selbst tragen. OnlineUrteile.de