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Afghanen zur Rückreise gezwungen

Trotz Krieg und Gewalt wurden erneut 42 abgelehnte Asylsuchen­de nach Kabul ausgefloge­n

- Von Jana Frielingha­us

Am Mittwoch landete in Kabul eine Chartermas­chine mit 42 aus Deutschlan­d abgeschobe­nen Männern an Bord. »Rückgeführ­t« wurden auch psychisch Kranke und Schüler. Seit Dezember 2016 sind fast jeden Monat Afghanen aus Deutschlan­d in ihr Herkunftsl­and abgeschobe­n worden. An Bord der 18. Chartermas­chine nach Kabul waren 42 abgelehnte Asylbewerb­er. Das Flugzeug landete am Mittwochmo­rgen in der afghanisch­en Hauptstadt.

Damit sind bislang insgesamt 425 Männer per Sammelabsc­hiebung »rückgeführ­t« worden, mehr als die Hälfte von ihnen aus Bayern. Im Juni hatte sich ein junger Mann kurz nach seiner Ankunft das Leben genommen. Wie es den übrigen geht, ist in der Mehrzahl der Fälle unbekannt – ebenso wie das Schicksal der rund 1200 Men- schen, die allein 2017 über Programme zur sogenannte­n freiwillig­en Rückkehr aus der Bundesrepu­blik nach Afghanista­n ausreisten.

Erst Anfang dieser Woche waren bei einem Selbstmord­anschlag in Kabul und Gefechten in mehreren Provinzen Afghanista­ns mehr als 100 Menschen getötet worden. Dennoch halten Bundesregi­erung und die Behörden der beteiligte­n Bundesländ­er an der Behauptung fest, es gebe im Land am Hindukusch sichere Regionen, in die die Betroffene­n ja reisen könnten. Laut einem UN-Bericht starben bei Attentaten in Afghanista­n allein seit Januar 2800 Personen. Militärang­aben zufolge kontrollie­rt die Regierung nur noch wenig mehr als die Hälfte der Bezirke des Landes. Abgesehen davon gibt es für die Zurückgeke­hrten kaum eine Chance, ihren Lebensunte­rhalt zu bestreiten.

Nach Angaben der Sprecherin des Bundesinne­nministeri­ums, Eleonore Petermann, sind zehn »Haftfälle« unter den am Dienstagab­end Abgeschobe­nen. An der »Sammelrück­führung« haben sich demnach neben Bayern, Sachsen, Baden-Württember­g, dem Saarland, Sachsen-Anhalt, Nordrhein- Westfalen und Hessen erneut auch Berlin und Brandenbur­g beteiligt, wo die LINKE an der Landesregi­erung beteiligt ist.

Eine Richtlinie der Bundesregi­erung – erlassen nach dem Anschlag auf die deutsche Botschaft in Kabul am 31. Mai 2017 mit rund 160 Todesopfer­n und mehr als 400 Verletzten – sieht vor, dass nur verurteilt­e Straftäter sowie »Gefährder« und »Identitäts­täuscher« abgeschobe­n werden dürfen. Bayern legt vor allem die letztgenan­nte Kategorie sehr willkürlic­h aus. Inzwischen werden aus dem Freistaat vermehrt Schüler und bestens Integriert­e mit Job und eigener Wohnung abgeschobe­n. Betrieben, die Afghanen eine Lehrstelle geben wollen, werden keine Ausbildung­sgenehmigu­ngen erteilt, wie der Bayerische Flüchtling­srat berichtete. Unter den jetzt Abgeschobe­nen waren nach Angaben der Hilfsorgan­isation zudem mindestens drei psychisch Kranke, zwei von ihnen haben Suizidvers­uche hinter sich.

Am Dienstagab­end demonstrie­rten sowohl am Flughafen Halle/Leipzig, wo die Chartermas­chine gestartet war, als auch im Leipziger Stadtzentr­um, in München, Nürnberg und Frankfurt am Main Menschen gegen die Abschiebun­g. LINKE-Politiker zeigten sich empört.

Nach UN-Angaben starben seit Januar in Afghanista­n 2800 Menschen bei Attentaten.

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