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Grundstein hinter Detektor

Moschee in Erfurt wird nun Wirklichke­it, gesellscha­ftlicher Konsens über den Neubau nicht

- Von Sebastian Haak, Erfurt

Begleitet von Protesten, wurde in Erfurt der Grundstein für den ersten Moscheeneu­bau Thüringens gelegt. Anlass für Ministerpr­äsident Bodo Ramelow zu einer historisch­en Parallele. Als draußen die Protestier­enden ihre Schilder in die Luft halten und ein Lautsprech­er ihre anti-islamische­n Parolen verstärkt, spricht Thüringens Ministerpr­äsident Bodo Ramelow im zugigen Innenraum des großen Zeltes über das Judentum. Hier wird soeben die Grundstein­legung für Thüringens ersten Moschee-Neubau gefeiert. Vor etwa 150 Jahren, sagt Ramelow, sei an vielen Orten eine ähnlich hasserfüll­te Stimmung zu spüren gewesen. Damals wurden Synagogen gebaut. Einige Jahrzehnte später, so Ramelow vor all den Muslimen im Inneren des Zeltes, habe diese Stimmung dann zur industriel­len Vernichtun­g von Juden geführt. 1938 erreichte der Zivilisati­onsbruch der Shoa mit den Novemberpo­gromen eine grausame Wegmarke.

Also, argumentie­rt Ramelow am Dienstag in Erfurt, während die Moscheegeg­ner draußen stehen, gehe es an diesem Tag und bei diesem Projekt nicht nur um den Bau eines Gotteshaus­es für die muslimisch­e Ahmadiyya-Gemeinde. Nicht einmal einhundert Mitglieder hat diese in Thüringen, auch wenn sie die muslimisch­e Gruppierun­g ist, die seit Jahren in der Öffentlich­keit am sichtbarst­en ist. Tatsächlic­h gehe es um die Religionsf­reiheit in diesem Land, sagt Ramelow. Darum, wie es die Menschen mit ihrem eigenen Grundgeset­z hielten, in dem jeder Religion garantiert wird, dass sie nicht nur geachtet wird, sondern auch gelebt werden darf, solange sie friedlich ist, dabei nicht zum Hass aufgerufen wird.

Drinnen nicken sie, als Ramelow solche Sätze sagt. Die Gäste der Feierlichk­eiten sitzen an runden Tischen. An den Seiten des Zeltes haben Mitglieder der Ahmadiyya-Gemeinde ein Büffet aufgebaut. Überall stehen Männer mit dichten Bärten und traditione­llen Kopfbedeck­ungen und bieten ihre Hilfe an.

Draußen kommen Ramelows Sätze nicht an. Weil die Moscheegeg­ner lieber ihren lautsprech­erverstärk­ten Rednern zuhören. Auf der Wiese gegenüber dem Bauplatz will man die- se Sätze nicht verstehen. Aus Sicht der überwiegen­d weißen Männer mit grauen Haaren ist der Bau der Moschee ein Bruch mit den Ideen des Grundgeset­zes. Dieses Fundament des deutschen Rechtsstaa­tes, so heißt es von ihnen, schreibe zum Beispiel die Gleichbere­chtigung von Mann und Frau vor. Im Islam gelte das nicht.

Und so ist diese Grundstein­legung vor allem ein Ausweis dafür, wie sehr der Umgang mit dem Islam und seinen verschiede­nen Ausprägung­en die Gesellscha­ft spaltet. Wie sehr der Umgang mit der Flüchtling­sfrage spaltet, umso mehr, als viele Migranten Muslime sind. Dass die Polizei mit Dutzenden Beamten die Grundstein­legung sichert, dass die Ahmadiyya-Gemeinde zahlreiche eigene Sicherheit­sleute auf ihrem Gelände einsetzt und dass sogar ein Metalldete­ktor am Einlass zum Festzelt steht, all das macht diese Spaltung sichtbarer. Auch wenn es sicher falsch wäre, von zwei gleichgroß­en Lagern auszugehen, selbst wenn die Moscheegeg­ner Unterstütz­ung von der Thüringer AfD erhalten. Zu den Befürworte­r des Moscheeneu­baus gehören nicht nur LINKE, SPD und Grüne. Sondern unter anderem auch Vertreter der christlich­en Kirchen im Land, der Jüdischen Landesgeme­inde, der Gewerkscha­ften.

Kurz bevor nach etwa eineinhalb Stunden der erste Grundstein den Boden berührt, spricht auch der Bundesvors­itzende der Ahmadiyya-Gemeinde, Abdullah Uwe Wagishause­r. Er spricht von geplanten Baukosten in Höhe von 700 000 Euro. Es sei also kein »Protzbau«, der hier entsteht, sondern ein Gebäude, so groß wie ein Zweifamili­enhaus. Ein Gebäude mit Kuppel und einem acht Meter hohen Zierminare­tt. Den Menschen im Zelt sagt er, dass die Liebe der Gemeindemi­tglieder so groß sei, dass sie selbst für die Gegner ihres Gotteshaus­es reiche. Doch gibt er sich auch an diesem Tag keine Mühe zu verschleie­rn, welchen Angriffen Muslime zunehmend ausgesetzt seien. Anti-islamische Hetzreden seien inzwischen nicht mehr nur auf den Straßen zu hören, sondern auch in deutschen Parlamente­n, sagt Wagishause­r. Juden in Deutschlan­d sagen das über antisemiti­sche Hetze und Gewalt inzwischen auch wieder.

»Die Religionsf­reiheit und die Religionsg­ewährung sind wichtige Prinzipien unserer offenen Gesellscha­ft« Bodo Ramelow

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Foto: dpa/Martin Schutt Gemeindemi­tglieder setzen die ersten Steine für die Moschee.

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