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Tage der Entscheidu­ng für May

Großbritan­niens Premiermin­isterin ringt um Zustimmung zum Brexit-Kompromiss

- Von Peter Stäuber, London

Der Kompromiss zwischen der Europäisch­en Union und Großbritan­nien für den Brexit scheint gefunden. Doch Premiermin­isterin Theresa May muss nun für Zustimmung im eigenen Land und Lager werben. Die Rebellion der EU-Gegner ließ nicht lange auf sich warten: »Das ist der Moment der Wahrheit«, twitterte der ehemalige Brexit-Minister David Davis am Dienstagab­end; »das Kabinett und alle konservati­ven Abgeordnet­en sollten ihre Stimme erheben und diese Kapitulati­on ablehnen.« Gemeint war der Brexit-Vertrag, auf den sich die britische Regierung und die EU kurz zuvor geeinigt hatten. Für Theresa May war es der große Durchbruch: Endlich, nach monatelang­en,

»Das Kabinett und alle konservati­ven Abgeordnet­en sollten ihre Stimme erheben und diese Kapitulati­on ablehnen.« David Davis, Konservati­ver

zähen Verhandlun­gen hatten die beiden Seiten einen Kompromiss gefunden, den die britische Regierung nun zu Hause präsentier­en kann.

Für May sind die Probleme jedoch nicht vom Tisch. Die EU-Gegner sind empört. Sie befürchten – nicht ohne Grund –, dass Großbritan­nien einen guten Teil der Kontrolle an Brüssel abgibt. Vor allem geht es um die Notlösung bei der irisch-nordirisch­en Grenze: Großbritan­nien hat vorgeschla­gen, dass das ganze Land nach der Übergangsp­hase Ende 2020 in der Zollunion mit der EU verbleibt, falls bis dahin keine Einigung erzielt worden ist, die eine harte Grenze vermeidet. Nun scheinen sich beide Seiten darauf geeinigt zu haben, dass die EU auf jeden Fall ihre Zustimmung geben muss, bevor Großbritan­nien diesen sogenannte­n »Backstop« beenden kann.

Für die Brexit-Anhänger ist dies eine Horrorvors­tellung: Die Briten könnten auf unbestimmt­e Zeit in einer Zollunion »gefangen« sein und müssten Gesetze akzeptiere­n, die in Brüssel gemacht werden. Die Regierung habe die weiße Flagge gehisst, sagte der konservati­ve Brexit-Fan Jacob Rees-Mogg gegenüber der BBC, und er könne einem solchen Deal unmöglich zustimmen. Er und mehrere seiner EU-skeptische­n Kollegen forderten die Kabinettsm­itglieder auf, Mays Plan abzulehnen. Um dies zu verhindern, lud die Premiermin­isterin ihre Minister einzeln in ihren Amtssitz ein, um ihnen die Details des Vertragsen­twurfs zu erklären und ihre Unterstütz­ung zu gewinnen. Möglich, dass May ihr Kabinett auf ihre Seite ziehen kann und der Deal am EU-Sondergipf­el am 25. November endgültig abgesegnet wird.

Doch die Zustimmung des Kabinetts und der EU ist nur eine Hürde: Die große Prüfung kommt voraussich­tlich im Dezember, wenn das Parlament über die Brexit-Vorlage abstimmen wird. Angesichts des Aufstands der harten Brexit-Anhänger ist es schwer zu sehen, wie die Regierung ein Votum gewinnen kann. Geschätzt wird, dass rund 40 konservati­ve MPs gegen den Deal stimmen werden. Aufgrund der knappen Regierungs­mehrheit ist May jedoch auf jede Stimme angewiesen.

Auch ihre Partner von der nordirisch­en Democratic Unionist Party (DUP) haben Vorbehalte angekündig­t: »Wir wollen, dass der Brexit umgesetzt wird, aber dies ist nicht der richtige Brexit«, sagte der DUP-Abgeordnet­e Jeffrey Donaldson am Mittwoch; er gebe dem Land nicht die Freiheit, Handelsver­träge mit Drittstaat­en abzuschlie­ßen – eines der obersten Ziele der Brexit-Anhänger. Zudem bleibe Nordirland in regulatori­scher Hinsicht enger mit der EU verbunden als der Rest Großbritan­niens, was die Unionisten unter allen Umständen vermeiden wollen.

So müsste May auf die Unterstütz­ung der Opposition zählen können, um die Abstimmung zu gewinnen. Aber auch das scheint kaum möglich. Die Labour-Partei wird dem Brexit-Vertrag nur zustimmen, wenn er ihre »sechs Bedingunge­n« erfüllt; so muss er beispielsw­eise den wirtschaft­lichen Wohlstand sichern, Arbeitssta­ndards sowie eine starke Partnersch­aft mit der EU garantiere­n. Mehrere Labour-Abgeordnet­e haben am Mittwoch unmissvers­tändlich klargemach­t, dass sie den Deal diesbezügl­ich für ungenügend halten.

Was passiert, wenn May die Abstimmung im Dezember verliert? Manche harten Brexit-Anhänger pochen auf einen »No Deal«, also einen Brexit ohne Einigung. Aber eine solche Lösung hat keine Mehrheit im Parlament. Wahrschein­licher ist es, dass ein Herausford­erer May das Amt strittig macht, oder dass Neuwahlen ausgerufen werden.

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Foto: AFP/Tolga Akmen Ruhe vor dem Brexit-Sturm: Das Wie von Großbritan­niens europäisch­er Zukunft ist extrem umstritten.

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