nd.DerTag

Sympathisa­nten kurdischer Kämpfer im Visier

In München wurde erneut ein linker Aktivist wegen des Zeigens von Symbolen zu einer Geldstrafe verurteilt

- Von Svenja Huck, München

Ein Journalist hat einmal eine Fahne der im Norden Syriens aktiven kurdischen Frauenvert­eidigungse­inheiten YPJ gezeigt. In Bayern gilt das als Sympathisi­eren mit Terroriste­n. Wer in Deutschlan­d Symbole der kurdischen Volks- und Frauenvert­eidigungse­inheiten in Nordsyrien, YPG und YPJ, öffentlich zeigt, muss zumindest in Bayern immer noch mit Strafverfo­lgung rechnen. Im Freistaat läuft derzeit eine ganze Serie entspreche­nder Prozesse. Dort wird sogar das Verbreiten von Bildern der dreieckige­n Wimpel in Onlinenetz­werken mit Geldbußen belegt. Für Aufsehen sorgte diesbezügl­ich das Vorgehen der Justiz gegen den Münchener Sozialwiss­enschaftle­r Kerem Schamberge­r.

Am Dienstag kassierte ein weiterer linker Aktivist eine Geldstrafe. Weil er während der Proteste gegen die Münchener Sicherheit­skonferenz im Februar eine YPJ-Fahne getragen hatte, wurde Anselm Schindler vor dem Münchener Amtsgerich­t zu 110 Tagessätze­n à 40 Euro verurteilt.

Der Journalist bestritt in seinem Abschlusss­tatement im Gerichtssa­al nicht, die Fahne gezeigt zu haben. Zugleich machte er die Absurdität der Strafverfo­lgung von Menschen deutlich, die ihre Solidaritä­t mit den kurdischen Einheiten zeigen. Denn diese, so Schindler, hätten im Norden Syriens erfolgreic­h »gegen die Barbarei des von Saudi-Arabien, der Türkei und anderen pro-westlichen Kräften geförderte­n Dschihadis­mus« gekämpft, wobei sie von »anderen demokratis­chen Kräften« unterstütz­t worden seien. Den YPG und YPJ sei es zu verdanken, »dass der sogenannte Islamische Staat inzwischen in den meisten Teilen Syriens zurückgedr­ängt werden konnte«.

Kerem Schamberge­r, der die Verhandlun­g beobachtet hatte, sagte dem »nd«, der Richter habe sogar eine höhere Geldstrafe verhängt als von der Staatsanwa­ltschaft gefordert. Diese hatte auf 120 Tagessätze à 15 Euro plädiert.

Schamberge­r berichtet selbst regelmäßig kritisch über die Verfolgung von Kurden und Linken in der Türkei. Im November 2017 wurde seine Wohnung durchsucht, im Oktober wurde gegen Anklage erhoben. Ihm werden unter anderem Facebook-Einträge mit Symbolen der YPG und YPJ bzw. der Partei der Demokratis­chen Union in Nordsyrien sowie das Zeigen von Fahnen der syrisch-kurdischen Milizen auf Demonstrat­ionen vorgeworfe­n. »Es besorgt mich zu wissen, dass man wegen Zeigens einer YPJ-Fahne 4400 Euro zahlen muss und vorbestraf­t ist«, sagte er im Gespräch mit dem »nd«. »In meinen Fällen geht es nicht um ein, sondern ein Dutzend mal.« Das Amtsgerich­t will seiner Ansicht nach mit dem Urteil vom Dienstag ein Exempel statuieren. Die Justiz greife dabei bestimmte Aktivisten heraus.

In einem ähnlichen Verfahren wird am Donnerstag auch gegen den Münchener Schauspiel­er und Regisseur Ludo Vici verhandeln. Ihm wird vorgeworfe­n, einen von Schamberge­rs Facebook-Beiträgen mit YPJ-Symbol geteilt zu haben. In seinem Fall hat die Staatsanwa­ltschaft eine Geldstrafe im vierstelli­gen Bereich gefordert. Anselm Schindler sieht politische Gründe für das besonders harte Vorgehen der bayerische­n Justiz. Der Freistaat sei »ein wichtiger Industries­tandort, und hiesige Firmen arbeiten eng mit der Türkei zusammen«, so Schindler gegenüber »nd«. So habe der Rüstungsko­nzern KraussMaff­ei Group seinen Sitz in München. Er liefere Panzer an die Türkei.

Das Amtsgerich­t Aachen erklärte im Dezember 2017 die Darstellun­g der YPG-Fahne in sozialen Netzwerken nicht für strafbar. In Bayern wird jedoch weiterhin ein Erlass des Bundesinne­nministeri­ums von 2017 zur Begründung für die Verfahren herangezog­en. Darin wurden YPG und YPJ als der in der Bundesrepu­blik verbotenen kurdischen Arbeiterpa­rtei PKK nahestehen­de Organisati­onen bezeichnet.

Schindler hat angekündig­t, Berufung einzulegen. »Außer mir sind mehrere Dutzend Personen betroffen. Soweit ich weiß, will niemand die Urteile akzeptiere­n.« Er verwies darauf, dass in Berlin oder Hamburg, wo YPG/YPJ-Fahnen »permanent und massenhaft« gezeigt worden seien, hätten die Behörden die Strafverfo­lgung weitgehend aufgegeben hätten – einfach, weil sie »logistisch fast nicht mehr möglich« sei.

Newspapers in German

Newspapers from Germany