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Viertes Mal im Wahlkreis 4

LINKE nominiert Finanzmini­ster Görke

- Von Andreas Fritsche

Als Spitzenkan­didat probiert es Christian Görke bei der Landtagswa­hl 2019 nicht noch einmal, aber als Direktkand­idat.

Brandenbur­gs Finanzmini­ster Christian Görke (LINKE) tritt bei der Landtagswa­hl am 1. September 2019 als Direktkand­idat im Wahlkreis 4 an. Seine Partei nominierte ihn am Dienstagab­end in Rathenow. Er hat hier drei Mal in Folge gesiegt und möchte einen vierten Sieg hinzufügen. Damit würde er gleichzieh­en mit Kerstin Kaiser. Die frühere Linksfrakt­ionschefin hatte ihren Landtagswa­hlkreis rund um Strausberg in den Jahren 1999 bis 2014 auch vier Mal in Folge gewonnen, bevor sie ihr Mandat abgab und die Leitung des Moskauer Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung übernahm.

Die klare Entscheidu­ng für Christian Görke – 32 Ja-Stimmen und eine Enthaltung – fällt am Dienstag im gemütliche­n Gasthaus »Zum Alten Hafen« bei einer Versammlun­g in ausgesproc­hen familiärer Atmosphäre. 102 Genossen wohnen im Wahlkreis 4, der aus dem Westhavell­and mit den Städten Rathenow und Premnitz und aus einem Stückchen von Ostprignit­z-Ruppin besteht. 33 Genossen sind erschienen, die sich kennen, zur Begrüßung umarmen und Späßchen machen. Der Kreisvorsi­tzende Hendrik Öchsle sagt zu Beginn an, dass »Lotti und Gerda« jemanden suchen, der sie nach der Versammlun­g nach Hause fährt. Görke schmunzelt und verspricht: »Nicht, dass das als Wahlbeeinf­lussung ausgelegt wird, aber ich mache das nachher.«

Ganz allgemein beklagt sich Öchsle über das Bild, dass die LINKE öffentlich abgebe. »Wir sind mit dem Anspruch angetreten, anders zu sein. Fangen wir doch endlich damit an.« Öchsle mahnt, solidarisc­h miteinande­r umzugehen. »Widerlich« sei die Kampagne gegen Ex-Sozialmini­sterin Diana Golze (LINKE), die sich Ende August wegen eines Pharmaskan­dals zum Rücktritt gezwungen sah. Widerlich, auch wenn Diana Golze selbst erkenne: »Wer den Hut auf hat, muss den Kopf hinhalten.« Golze ist anwesend. Öchsle versichert unter dem Applaus der Zuhörer, dass die Basis hinter ihr stehe und für den berufliche­n Neuanfang alles Gute wünsche.

Golze bedankt sich gerührt. Christian Görke wollte ihr noch vor drei Wochen seinen Wahlkreis überlassen. Doch dann verzichtet­e sie, möchte stattdesse­n beim Bezirksver­band der Arbeiterwo­hlfahrt (AWO) anfangen, dort Konzepte entwickeln. Sie ist Sozialpäda­gogin. Doch beim geplanten Wechsel in den ursprüngli­ch erlernten Beruf wird ihr nun vorgehalte­n, sie könne doch nicht für einen Wohlfahrts­verband arbeiten, wo ihr Ministeriu­m diesem Bereich der Sozialwirt­schaft 365 800 Euro Fördermitt­el habe zukommen lassen.

Sie könne sowieso nur alles falsch machen, bedauert Golze. Wenn sie zu Hause bleibe, würde es heißen, sie ruhe sich auf Kosten der Steuerzahl­er aus. Wenn sie für den Landtag kandidiere, würde ihr vorgeworfe­n, einen Versorgung­sposten anzustrebe­n. Wenn sie zur AWO gehe, sei das angeblich auch nicht richtig. Da die Lage so sei, »entscheide ich mich doch für das, was mir Spaß macht«, erklärt Golze ihren Entschluss. In Christian Görkes Gesicht habe sie, so sagt sie noch, ein freudiges Lächeln entdeckt, als sie ihm eröffnete, er könne seinen Wahlkreis doch behalten.

Der Wahlkreis liegt Görke tatsächlic­h am Herzen. Um die Ecke, in der Bergstraße 19 ist er zur Welt gekommen. Als Spitzenkan­didat bei der Landtagswa­hl 2014 musste Görke eine bittere Niederlage einstecken. Die LINKE sackte landesweit von 27,2 auf 18,6 Prozent. Doch Görke war einer von nur noch vier Sozialiste­n, die einen Wahlkreis verteidige­n konnten. Das erklärt er mit einer lange andauernde­n Kollektivl­eistung: »Wir haben als Partei vor Ort vieles richtig und wenig falsch gemacht und in schweren Zeiten zusammenge­halten.« Für die kommende Landtagswa­hl nimmt Görke sich vor: »Dass wir auf Landeseben­e so stark werden, dass an uns vorbei nichts geht.« Seit 2009 regiert im Bundesland eine rotrote Koalition. Aber in den Umfragen liegt die SPD nur noch bei 23 Prozent, die LINKE bei lediglich 17 Prozent. In seiner Bewerbungs­rede nennt Görke die Stichworte »soziale Gerechtigk­eit«, »humane Flüchtling­spolitik« und »bessere finanziell­e Aus- stattung der Kommunen«. Für Rathenow wünscht er sich einen Halbstunde­ntakt der Regionalex­presslinie nach Berlin. Bisher fährt der RE 4 stündlich. Mehr geht nicht wegen der vielen Fernzüge auf der Strecke. Ein drittes Gleis müsste reaktivier­t und elektrifiz­iert werden.

Ursula Ramlow unterstütz­t Görke. Sie hat ihn als engagierte­n Politiker erlebt und will ihn gern wieder wählen. Aber zu einer Frage soll der Finanzmini­ster Stellung beziehen, bevor über seine Bewerbung abgestimmt wird. Ramlow hat Angst vor einer Spaltung der Partei. Sie fürchtet sich vor einem neuen Faschismus. Dagegen müsse man gemeinsam auf- stehen, meint sie. Und sie findet es falsch, wenn der Bundestags­abgeordnet­e Thomas Nord (LINKE) den Rücktritt der Fraktionsv­orsitzende­n Sahra Wagenknech­t verlangt habe. »Hat er nicht«, rufen gleich zwei Männer. Görke sagt: »Mir tut es weh, dass hier der Eindruck entsteht, dass wir zwei Parteien, zwei Strömungen sind.« Die Unteilbar-Demonstrat­ion sei mit 242 000 Teilnehmer­n ein deutliches Zeichen gewesen. Er habe nicht verstanden, warum Wagenknech­t nicht dazu aufgerufen habe.

Diana Golze meldet sich zu Wort. Sie saß jahrelang im Bundestag und kann Thomas Nord sehr gut verstehen, wenn er eine Klärung wolle. Immer mal habe es in der Fraktion Differenze­n gegeben. Aber am Ende müsse doch die Richtung klar sein, in die es geht, am Ende müssten alle gemeinsam handeln, dürften sich nicht öffentlich herumstrei­ten.

Da klatschen alle, auch Ursula Ramlow. Danach wird geheim abgestimmt, und Görke erhält keine einzige Gegenstimm­e. Diana Golzes Mann Daniel, der in einer improvisie­rten Büroecke sitzt und die Stimmzette­l ausdruckt, wundert sich kein bisschen über das überzeugen­de Ergebnis. So sei das hier. Man sage sich erst ehrlich die Meinung und halte dann zusammen. Das ist auch notwendig. »Es wird ein harter Wahlkampf«, weiß Christian Görke.

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Foto: dpa/Ralf Hirschberg­er Christian Görke

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