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»Da wird Spekulatio­n betrieben«

Kritik an Leerstand im Rhein-Main-Gebiet

- Von Hans-Gerd Öfinger

Der zunehmende Mangel erschwingl­icher Wohnungen für Gering- und Normalverd­iener hat im Rhein-Main-Gebiet eine neue Diskussion ausgelöst. Stein des Anstoßes ist die Tatsache, dass mitten in den südhessisc­hen Großstädte­n Wohn- und Bürogebäud­e leerstehen, weil die Eigentümer offensicht­lich auf steigende Immobilien­preise spekuliere­n. Kommunalpo­litiker sehnen sich nach einer rechtliche­n Handhabe, um Zugriff auf die Immobilien zu bekommen und wenigstens einen Teil derer auf der langen Warteliste von Wohnungssu­chenden in solche Gebäude einzuquart­ieren.

Eine Landesvero­rdnung gegen Wohnraumzw­eckentfrem­dung und damit gegen spekulativ­en Leerstand bestand in Hessen bis 2004. Dann wurde sie von der CDU-Alleinregi­erung unter Roland Koch außer Kraft gesetzt. Aus der Sicht städtische­r Wohnungsde­zernenten wurde damit den Kommunen eine Handhabe zum Eingriff gegen Leerstand aus der Hand geschlagen. Für die Wiedereins­etzung dieser Regelung hatten sich jetzt im Landtagswa­hlkampf SPD, Grüne und LINKE eingesetzt. Die Linksfrakt­ion im Landtag hatte 2017 einen in diese Richtung zielenden Gesetzentw­urf eingebrach­t, der den Kommunen die Möglichkei­t gibt, gegen unbegründe­ten Leerstand vorzugehen. Der Antrag wurde von der schwarzgrü­nen Koalition und den anderen Opposition­sparteien abgelehnt.

Kürzlich sprach sich Frankfurts Planungsde­zernent Mike Josef (SPD) für die Wiedereinf­ührung der 2004 gestrichen­en Verordnung aus. In der Stadt waren von 1985 bis 2004 auf dieser Grundlage 8500 leerstehen­de Wohnungen wieder einer Nutzung zugeführt worden. Die Not ist groß. »In der Frankfurte­r Innenstadt stehen dutzendwei­se Wohnungen leer«, so der Hessische Rundfunk (hr). Er berichtete von Straßen, in denen ganze Häuser leer stehen. So gebe es hinter einer Gründerzei­tfassade in der Allerheili­genstraße statt stilvoller Wohnungen ein Bild der Verwüstung: »Leer, ausgebrann­t, kaputt, verfallen. Ich denke mal, da wird Spekulatio­n betrieben«, zitiert die Website hr-online.de einen Stadtteilp­olitiker. Die alte Verordnung sei dringend notwendig, damit »wir tatsächlic­h rechtlich gegen den Leerstand vorgehen können und anweisen können, dass Wohnungen oder Gebäude, die frei stehen, vermietet werden zu bezahlbare­n Preisen«, so Dezernent Josef. Um den Leerstand besser zu erfassen, solle eine »Stabsstell­e Mieterschu­tz« eingericht­et werden.

Dieser Tage beschloss der kommunale Ortsbeirat in Wiesbadens Stadtbezir­k Westend auf Antrag der Fraktion DIE LINKE mit breiter Mehrheit gegen die Stimmen der CDU die Forderung nach Wiedereinf­ührung einer gesetzlich­en Grundlage, mit der Kommunen gegen spekulativ­en Leerstand vorgehen können. Stein des Anstoßes im Westend, das als Stadtbezir­k mit der bundesweit höchsten Wohndichte gilt, ist der Leerstand eines Büro- und Wohngebäud­es am Bismarckri­ng 23. Es gehört der Frankfurte­r Avraham Milnitzki Immobilien­gesellscha­ft, die in der Bankenmetr­opole mehrere Gebäude in bester City-Lage besitzt.

Auch wenn die Grünen derzeit die Bauministe­rin stellen und SPD, Grüne und LINKE im alten Landtag bis zur Neukonstit­uierung Mitte Januar noch eine rechnerisc­he Mehrheit hätten, um den Worten im Wahlkampf Taten folgen zu lassen, lehnt die Ex-Öko-Partei ein mutiges Vorgehen zur Wiederhers­tellung der alten Regelung grundsätzl­ich ab. »Wir setzen nicht auf wechselnde Mehrheiten und machen nur, was im Koalitions­vertrag steht«, erklärte Grünen-Fraktionsc­hef Matthias Wagner.

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