Den Rechten ein Dorn im Auge
Ballett Chemnitz: Die Schweizer Direktorin Sabrina Sadowska über Tanzkunst inmitten ausländerfeindlicher Stimmung
Es war ein kleines Häuflein von Pro Chemnitz, das sich am Premierentag unter dem Gigantenhaupt von Karl Marx zur Demo versammelt hatte – friedlich, weil umzingelt von einer hellhörig gewordenen Polizei. Freitags sammeln sich die Rechten, montags Cegida, der Chemnitzer Ableger einer Dresdner Erfindung, klärt Sabrina Sadowska auf. Seit 2013 amtiert die Schweizerin als Ballettbetriebsdirektorin. Nach dem Fortgang von Reiner Feistel ist sie die zweite Saison Ballettdirektorin über 20 Tänzer aus 19 Nationen, und die sind, was den Rechten ein Dorn im Auge ist: Ausländer. Dabei hat Chemnitz einen Ausländeranteil von gerade vier Prozent, weiß die Direktorin. Betroffen von Attacken ist die Compagnie nicht, indirekt schon. Denn der Vater des Hausfotografen führt ein persisches Restaurant und wurde dort von drei Rechtsextremen krankenhausreif geschlagen. Seither ist Vorsicht geboten. Wenn die Tänzer von Proben aus dem Schauspielhaus zur Oper gehen, müssen sie an DemoOrten vorbei: Bleibt zusammen, geht lieber nicht einzeln, rät Sadowska.
Dass so viele Bürger »in das gleiche Rohr schimpfen«, wie sie sagt, erschreckt sie. Dennoch sieht sie die Situation mit dem Abstand einer Schweizerin in größerem Zusammenhang. Viele Chemnitzer beherrschen keine Fremdsprachen und sind nicht weit aus ihrer Stadt herausgekommen, so mutmaßt sie. Nach der Wende wurde ihnen, wie allen DDRBürgern, gesagt, sie hätten alles falsch gemacht, an falsche Ideale geglaubt. Rund 78 000 Chemnitzer sind seitdem abgewandert, in der Stadt herrschen Enttäuschung und Angst, etwas zu verlieren. Nachdem die Treuhand viele Strukturen zerstört hatte, fühlten sich die Menschen im Osten als zweitklassig. Beim Prozess der Demokratisierung und in der Selbstwahrnehmung der Bürger gebe es noch reichlich zu tun.
Doch Sadowska handelt auch. Sie nimmt an Diskussionen teil, will die Stadt verstehen, was sie geprägt hat. Denn vor dem Krieg war Chemnitz reich, hatte mehrere Theater. Heute würde sich Marx, lange Namensgeber der Stadt, im Grabe umdrehen, resümiert sie. Dass Chemnitz »Kulturhauptstadt Europas 2025« werden möchte, sieht sie als große Chance – ob die Bewerbung Erfolg hat oder nicht. In jedem Fall wird sich für die Region mit 650 000 Einwohnern etwas bessern. Deshalb gehört Sadowska auch dem Programmrat für die