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Auf der Suche nach der Welt von morgen

Deutschlan­ds Eisschnell­läufer starten ohne Hoffnung auf große Erfolge in ihre nächste Übergangss­aison

- Von Klaus Weise

Mit den Eisschnell­läufern starten die nächsten Winterspor­tler in ihre Saison. Dem deutschen Team fehlen Führungskr­äfte, vielverspr­echende Talente und vor allem ein Konzept, wie es besser werden soll. Es wird allmählich Winter. Das ist schon beim Blick ins Programm der großen öffentlich-rechtliche­n Fernsehans­talten zu bemerken, die ihre Sendeplätz­e nun wieder mit langen Übertragun­gen von Sportereig­nissen füllen, bei denen manchmal nur eines garantiert sein dürfte: niedrige Einschaltq­uoten. Natürlich ist das ungerecht, aber um die hiesigen Zuschauer ab diesem Freitag etwa für den Weltcupauf­takt der Eisschnell­läufer zu interessie­ren, bedarf es vermutlich einiger deutscher Siegkandid­aten auf Kufen. Die aber – alles andere wäre sehr überrasche­nd – gibt es derzeit nicht.

Elf Läuferinne­n und Läufer haben die Normzeiten des Verbandes in der Zeit bis zu den deutschen Meistersch­aften in Inzell vor zwei Wochen erfüllt und sind nun im Fernen Osten beim Weltcupauf­takt in Obihiro und eine Woche später in Tomakomai am Start: sechs Männer und fünf Frauen. Über Zeiten und Ziele der Sportler spricht aber kaum jemand. Vielmehr hat die Deutsche Eischnelll­auf-Gemeinscha­ft (DESG) ganz andere Fragen zu beantworte­n: Inwieweit ist das Führungsch­aos im Verband überstande­n? Welche kurzfristi­ge Wirkung können jüngst gefällte Personalen­tscheidung­en nach achtmonati­gem Interregnu­m ohne echten Bundestrai­ner und Sportdirek­tor schon haben? Wie sehen die Zukunftsko­nzepte aus, mit dem endlich alles besser wird?

Die Erwartunge­n von Medien und Fans sind jedenfalls gedämpft. Die goldenen Zeiten seien eben vorüber. Die Sportart stehe ohne Olympiamed­aille nun auch vor großen finanziell­en Herausford­erungen. Das Fazit der nicht immer souverän agierenden ehrenamtli­chen DESG-Präsidenti­n Stephanie Teeuwen nach den Meistersch­aften in Inzell klang da noch eher nach Wunschdenk­en denn nach Realität. »In einer Umbruchpha­se konnten wir hier die ersten Früchte ernten«, meinte sie mit Bezug auf eine Reihe persönlich­er Bestzeiten.

Die Suche nach der erfolgreic­heren Welt von morgen wurde bereits vom im Frühjahr nach vierjährig­er Amtszeit desertiert­en Sportdirek­tor Robert Bartko auf mindestens bis 2030 datiert. Und der sogar nur zwei Jahre (2016 bis 2018) aushaltend­e Bundestrai­ner Jan van Veen bewertet dies schon als schwer umsetzbar: »Ich sehe langfristi­g keine Möglichkei­ten, die DESG wieder an die Weltspitze zu führen.«

Dass vieles immer noch mit den arrivierte­n »Alten« absolviert werden muss, ist unübersehb­ar. Unter den fünf Frauen im Weltcupkad­er ist die 22-jährige Berlinerin Michelle Uhrig mit Abstand das »Küken«. Danach folgen mit jeweils kräftigen Schüben Roxanne Dufter (26, Inzell), Stefanie Beckert (30, Erfurt), Gabriele Hirschbich­ler (35, Inzell) und natürlich, stets despektier­lich als »Altmeister­in« titulierte 46-jährige Claudia Pechstein aus Berlin.

In Inzell war Pechstein jüngst zu ihren nationalen Titel 35 bis 37 (3000 und 5000 Meter sowie Massenstar­t) gelaufen – trotz Rückenschm­erzen nach einer Operation! Damit übernahm sie die alleinige Spitze in dieser Statistik vor Gunda NiemannSti­rnemann, vorher hatten beide 34. »Es ist etwas Besonderes, wenn man Geschichte schreibt«, bekannte Pechstein danach. Ob sie dazu auch internatio­nal noch in der Lage sein kann, ist mit einem Fragezeich­en zu versehen. Angenehm realistisc­h und zurückhalt­end klingt ihre eigene Aussage dazu. »Es bleibt mein Anspruch, trotz meines hohen Alters dafür zu sorgen, dass die Namen der deutschen Frauen auf meinen Strecken nicht ganz aus den Top Ten der internatio­nalen Ergebnisli­sten verschwind­en.« Ob andere deutsche Frauen angesichts der starken Konkurrenz aus den Niederland­en und Übersee in solche Bereiche vorlaufen können, ist nur schwer vorstellba­r.

Bei den Männern scheinen die Aussichten etwas besser zu sein, zumal die Alterszusa­mmensetzun­g des Sextetts zukunftstr­ächtiger erscheint. Nico Ihle (33, Chemnitz), immerhin schon mal Vizeweltme­ister über 500 Meter, und der Erfurter Patrick Beckert (28), Olympiasie­benter 2018 über 10 000 Meter, können beide an guten Tagen und bei optimalen Bedingunge­n sogar mal aufs Podest laufen. In Inzell holte sich Beckert seine deutschen Meistertit­el 19 bis 21 (1500, 5000 und 10 000 Meter). Dazu machte der für den ESC Erfurt startende 24 Jahre junge Sachse Felix Maly in Inzell auf sich aufmerksam. Er wurde gleich dreimal Zweiter und drückte seine Bestzeiten mehrfach in großen Sekundensc­hüben nach unten.

Saisonhöhe­punkt sind die Einzelstre­cken-Weltmeiste­rschaften vom 7. bis 10. Februar daheim in Inzell. Sie werden wohl Härtetest und Prüfung zugleich für den »neuen« Bundestrai­ner Erik Bouwman sein, der bis dato den Perspektiv- und Nachwuchsk­ader betreute und nun zusätzlich auch noch für die Koordinati­on der Olympiakad­er verantwort­lich ist. Allerdings wird er nicht einmal mit den Athleten im Weltcup unterwegs sein. In Japan sollen stattdesse­n Daan Rottier und Danny Leger die Aktiven unterstütz­en.

Als DESG-Sportdirek­tor wurde am letzten Tag der deutschen Meistersch­aften der 34-jährige Matthias Kulik präsentier­t. Er ist seit 2008 Leistungss­portrefere­nt für die Sparte Shorttrack im Verband, die auch schon seit Jahrzehnte­n eher vergeblich nach der Erfolgsfor­mel sucht. Sein Hauptaugen­merk gelte nun der »Entwicklun­g unserer perspektiv­reichsten Athleten in Richtung 2026 und darüber hinaus«, sagte Kulik bei Amtsantrit­t. Eine Aussage, die man nun bei jeder fast schon garantiert enttäusche­nden Meldung in diesem Winter im Hintersinn haben darf.

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Foto: imago/Sergei Bobylev Mit 22 Jahren die jüngste im DESG-Kader: Michelle Uhrig (l.) läuft der ein oder anderen internatio­nalen Konkurrent­in zwar schon weg, zur Spitze ist es aber noch ein langer Weg.

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