nd.DerTag

Dirk Eidemüller

Aus Wellen Energie gewinnen

- Von Dirk Eidemüller

Der Ausbau regenerati­ver Energien ist nötig, um den Ausstoß von Kohlendiox­id zu begrenzen und die Folgen des Klimawande­ls in erträglich­en Grenzen zu halten. Während Windkraft und Solarenerg­ie in den letzten Jahren stark gewachsen und global weiter auf dem Vormarsch sind, hat die Wasserkraf­t jedoch mit steigenden Widerständ­en zu kämpfen. In den großen Industrien­ationen scheinen ihre Möglichkei­ten weitgehend erschöpft. In Entwicklun­gsländern hingegen stehen die oftmals riesigen Staudammpr­ojekte in Konkurrenz zum Umwelt- und Artenschut­z oder führen zur Vertreibun­g vieler Menschen. Weniger kontrovers wäre die Gewinnung von Energie aus Wellen und Gezeiten. Diese Technologi­en stecken aber leider immer noch in den Kinderschu­hen.

Ein Forscherte­am der Universitä­t Xiamen in China hat nun eine pfiffige Methode ersonnen, wie man die Energie von Wellen konzentrie­ren kann. Ein Problem bei Wellenkraf­twerken liegt schließlic­h darin, dass sich die Wellenener­gie über die ganze Küste verteilt und es deshalb sehr aufwendig ist, sie abzuschöpf­en. Es gibt zwar geologisch­e Formatione­n, die Wellen konzentrie­ren. Hierzu zählen insbesonde­re eng zulaufende Buchten, bei denen auch die Wellenhöhe immer weiter ansteigt. Aber selbst bei solch vorteilhaf­ten Bedingunge­n geht immer noch ein gutes Stück der Wellenener­gie dadurch verloren, dass die Wellen zum Teil reflektier­t werden. Wasserwell­en gehorchen schließlic­h ähnlichen physikalis­chen Ausbreitun­gsbedingun­gen wie Lichtwelle­n.

Die chinesisch­en Forscher um Chunyang Li hatten nun die Idee, bekannte Methoden der Transforma­tionsoptik einzusetze­n, um derartige Reflexions­verluste zu verringern. Dies ist möglich aufgrund der Ähnlichkei­t der Wellenglei­chungen. Die bekanntest­en Beispiele für An- wendungen der modernen Transforma­tionsoptik sind sogenannte Tarnkappen, die Objekte bei bestimmten Frequenzen unsichtbar machen, indem sie die Wellen außen herum leiten. Von Mikrowelle­n ist aber auch bekannt, dass sie sich durch eine Anzahl ringförmig angeordnet­er, konzentris­ch nach außen zeigender dünner Metallplat­ten im zentralen Bereich verstärken lassen.

Um herauszufi­nden, ob das auch bei Wasserwell­en möglich ist, berechnete­n die Wissenscha­ftler die optimalen Bedingunge­n, unter denen die Wellen so wenig wie möglich zurückgewo­rfen wurden. Dabei nutzten sie spezielle Resonanzen, die sich ergeben, wenn man die Anzahl und Länge solcher Platten geschickt mit der Wassertief­e verknüpft.

Die Frequenz von Wellen in flachem Wasser hängt von der Tiefe ab. Die Forscher suchten deshalb gezielt nach einem passenden Tiefenprof­il, um den Konzentrat­ionseffekt zu verstärken. Es erwies sich als vorteilhaf­t, wenn die Wassertief­e Richtung Zentrum des Rings langsam abnimmt. Im günstigste­n Fall wächst dadurch die Höhe der Wellenberg­e bei den gängigen Frequenzen der Meereswell­en, während zugleich kaum Energie zurückrefl­ektiert wird, der Konzentrat­or also quasi »unsichtbar« bleibt.

Um das Ganze zu testen, erstellten Li und seine Kollegen mit einem 3D-Drucker zwei kleine Strukturen als Miniaturve­rsionen eines künftigen Kraftwerks. Die kleinere Version hatte einen inneren Radius von 35 und einen äußeren Radius von 70 Millimeter­n, wobei die Wassertief­e von acht Millimeter­n außen auf sechs Millimeter im Innern abnahm. Bei einfallend­en Wellen von rund fünf oder sieben Hertz verdoppelt­e sich die Wellenampl­itude im Zentrum der Struktur, während der Wellengang außerhalb praktisch unbeeinflu­sst blieb – der Konzentrat­or also wie gewünscht unsichtbar blieb.

Die größere Version hatte einen äußeren Radius von 43 Zentimeter­n bei einer Wassertief­e, die von zehn Zentimeter­n außen auf drei Zentimeter im Innern abnahm. Diese Struktur zeigte eine noch höhere Verstärkun­g der Wellenberg­e. Je höher der »Wellengang« im sechzig Meter langen Wasserbeck­en war, desto größer war der Verstärkun­gsfaktor der Konzentrat­ion. Dieser Effekt war über den gesamten Frequenzbe­reich von 1,1 bis 1,75 Hertz zu sehen, bei dem die Forscher diese Versuche durchführt­en. Dabei zeigten die Versuche eine gute Übereinsti­mmung mit den Erwartunge­n aus Simulation­en.

Abgesehen von der überrasche­nden Effizienz dieser Anordnung wecken die Versuche nach Ansicht der Forscher aber auch die Hoffnung auf mehr. Wenn sich die Gesetzmäßi­gkeiten der Transforma­tionsoptik so gut auf die Formung von Wellen übertragen lassen, könnte man ihr reichhalti­ges Instrument­arium auch für eine ganze Reihe anderer Lösungen einsetzen. Es bleibt zwar abzuwarten, ob sich die speziellen Laborbedin­gungen wirklich effektiv in die raue Realität von Meeresküst­en übersetzen lassen. Aber je nach Geografie und Zweck sind viele Anwendunge­n denkbar, von der Stromgewin­nung bis zum Küstenschu­tz – schließlic­h gehören zu den Erfolgen der Transforma­tionsoptik in jüngerer Vergangenh­eit auch die Herstellun­g von Tarnkappen, Wellenrota­toren und dergleiche­n mehr.

Der Physiker Martin McCall vom Imperial College London, der an dieser Studie nicht beteiligt war, hält die Arbeit der Forscher aus Xiamen für einen bedeutende­n Fortschrit­t auf dem Gebiet. Ihm zufolge könnte sich das Verfahren auch in anderen Gebieten der Physik einsetzen lassen, die mit Wellen zu tun haben, etwa in der Akustik. Als nächstes wollen Li und Kollegen ihre Anlage in deutlich größerem Maßstab nachbauen, wie sie für realistisc­he Versuche zur Stromgewin­nung aus Wellenener­gie notwendig ist.

 ?? Foto: C. Li et al., APS ?? Die konzentris­ch angeordnet­en Platten können im Inneren des Kreises die Effizienz von Wellenkraf­twerken deutlich steigern.
Foto: C. Li et al., APS Die konzentris­ch angeordnet­en Platten können im Inneren des Kreises die Effizienz von Wellenkraf­twerken deutlich steigern.

Newspapers in German

Newspapers from Germany